Der Stumme Schmits

15. Februar 2008

Allgemeiner Bericht

Er hieß Johann Gergel und wurde am 31.05.1922, als Sohn des Tekeser Bauern Johann Gergel (1895 - 1970) und der Sofia, geb. Müller (1906 - 1980) geboren.
In Tekes wurden einige Gergelfamilien im täglichen Leben „Schmits" genannt. Ob er taubstumm geboren wurde, oder als Kleinkind, nach einer schweren Krankheit taubstumm blieb, kann heute nicht beantwortet werden. Weil auch in Tekes die Schulpflicht galt, besuchte er 2 Jahre die Tekeser Volksschule, in denen er meinen Vater Martin Thot als Lehrer hatte. Der versuchte ihm einiges beizubringen, stellte fest, dass Johann zeichnerisch begabt war und förderte ihn diesbezüglich. In der zweiten Klasse verletzte er sich an einem Knie. Durch unachtsame Behandlung der Ärzte blieb dieses Knie steif. Er besuchte die Tekeser Schule nicht weiter, sondern wurde von seinen Eltern nach Seiburg geschickt, wo der dortige Pfarrer sich mit Taubstummen beschäftigte und ihm gewisse Grundlagenkenntnisse für das Verständnis von Buchstaben und Zahlen beibrachte. Auch lernte er dort einige Wörter gebrochen sprechen, wie Vater, Mutter, und bediente sich auch einiger Zeichen, um sich verständlich zu machen, ohne aber die übliche Zeichensprache von Taubstummen zu lernen. Ihn zu jenen Zeiten in eine Taubstummenschule zu schicken, das konnten sich seine Eltern nicht leisten. So lebte er als Bauer in Tekes, half seinen Eltern bei der Feldarbeit. Zeichnen und Malen war seine Nebenbeschäftigung. Er lernte auch sticken und stricken, hat sich aber immer mehr mit der Malerei beschäftigt, ohne diese gründlich erlernt zu haben. Er war kein kreativer Maler, der etwas nach Natur gemalt hat, konnte aber von Bildern oder Postkarten etwas sehr genau nachmalen. Mit größter Genauigkeit konnte er auch in verschiedenen Schriftformen Texte schreiben. So hat er schon vor 1945 einigen Leuten bei Hochzeiten auf ein Brett den üblichen Text „Gott mit uns" geschrieben, das an die Hauswand befestigt, mit Tannenzweigen umrahmt wurde, und meist noch jahrelang an der Hauswand zu sehen war. Gerne malte er Pferde, Rehe und Blumen und das mit größter Genauigkeit. Anfangs malte er mit Wasserfarben, später mehr mit Ölfarben auf Leinwand. In vielen Fällen hat er auch bei Beerdigungen Särge beschriftet. Wenn er zu Hochzeiten geladen wurde, schenkte er dem Brautpaar meist ein selbst gemaltes Bild. Nach 1945, als zu jeder Gelegenheit ein Plakat erstellt wurde oder bei Aufmärschen oder Feierlichkeiten auf Stoff oder Karton Lobeshymnen auf die Partei und ihre Führer geschrieben wurden, hatte Johann Gergel großes Glück. In Tekes bekam er dafür ein wenig Grund, wo die Familie sich etwas anbauen konnte. Sogar nach Reps wurde er für diese Arbeit geholt. Auch Holzteller hat er bemalt. Fast ausschließlich war es ein Bild, auf dem Schule und Kirche zu sehen war umgeben von dem bekannten Spruch „Wo du als Kind gespielt, in deiner Jugend gesungen, die Glocken der Heimat sind nicht verklungen", ein Spruch, der die meisten unserer Ältesten auch heute noch berührt. Johann Gergel war ein Mensch, der gerne den Kontakt mit anderen Menschen suchte, leider von den meisten nicht verstanden, oder sogar herausgefordert wurde, indem sie über ihn lachten, und er nicht wusste weshalb. Er hatte schöne, dichte, lockige Haare, aber sie waren rot. Das nutzten oft Kinder oder auch Jugendliche, um ihn herauszufordern, indem sie ihre Mütze mit den Zähnen fassten und sie schüttelten. Das sollte den roten Fuchs darstellen, eine Deutung auf seine roten Haare. Das hat ihn sehr verletzt, er wurde wütend, konnte sich aber nicht wehren, weil sein steifes Knie es ihm nicht ermöglichte diese Peiniger zu packen. Er besaß Stolz und Selbstbewusstsein. Wenn er merkte, dass ein Mensch nicht bereit war ihm zuzuhören und ihn zu verstehen, machte er einfach das Zeichen „der ist dumm". Wenn die Jugend tanzte, war er auch dabei. Die herrlichen Akkorde der Bläser konnte er nicht hören. Wenn aber die Pauke und Tschinelle dabei war, konnte er den Rhythmus wahrnehmen und richtig tanzen. Eine Lebensgefährtin hat er leider nicht finden können. Nach dem Tod seiner Mutter 1980 hat sich eine allein stehende Frau um ihn gekümmert, ohne mit ihm zusammen zu leben. Er war sehr selbstständig, begann aber zu kränkeln. 1982 erlitt er einen leichten Schlaganfall, erholte sich aber davon. Er arbeitete gerade für einen Steinmetz aus Rumänisch Tekes, dem er eine Grabsteinplatte beschriftete, als er am 08.09.1983 einen zweiten Schlaganfall mit Lähmung erlitt. Die oben genannte Frau kam zufällig vorbei und fand ihn, fast bewusstlos auf der Grabsteinplatte liegen. Sie rief Nachbarn und seinen langjährigen Freund Johann Holdreich zu Hilfe. Diesen konnte er noch durch Zeichen fragen was mit ihm geschehen sei. Das war sein letzter Kontakt mit seinen Mitmenschen. In sehr kurzer Zeit verschied er und fand seine letzte Ruhe auf dem Tekeser Friedhof, neben seinen Eltern. Hätte dieser Mensch die Möglichkeit gehabt, von Kind auf fachgerecht geschult zu werden, hätte er künstlerisch mehr schaffen können, als er es unter den gegebenen Bedingungen tun konnte.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 10, Januar 2005)

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