„Verschleppt"

15. Februar 2008

Allgemeiner Bericht

Jemanden verschleppen, bedeutet, ihn gegen seinen Willen an einen möglichst unbekannten Ort zu bringen. Heute wird sehr häufig über Verschleppungen im Fernseher berichtet. Zweck dieser Verschleppungen ist meist eine Erpressung oder ein Racheakt.
Zweck der Verschleppung der Rumäniendeutschen war, diese zum Wiederaufbau der Sowjetunion einzusetzen. Unsere Sachsen haben zur Zeit der Einfälle von Tataren und Türken Grausamkeiten erleiden müssen, und die Männer im ersten und zweiten Weltkrieg auch. Aber solch eine menschenunwürdige Verschleppung und Behandlung, nach einem Krieg, haben sie noch nicht erlebt. Am 13. Januar 1945 war es so weit. Der Gemeindetrommler teilte den sächsischen Bewohnern mit, dass Männer zwischen 17-45, und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, mit Ausnahme von schwangeren Frauen und säugenden Müttern, sich im Gemeindesaal einzufinden hatten, mit der nötigen Winterkleidung und Essen für einige Tage, um zur Arbeit geschafft zu werden. Wo sie arbeiten sollten, wurde nicht gesagt, aber die rumänischen örtlichen Behörden, die schon im November-Dezember 1944 die Listen erstellt hatten, wussten dass es in die Sowjetunion ging. Einige Leute hatten sie gewarnt und ihnen geraten sich zu verstecken. Auch deutsche Soldaten, die versteckt bei einigen Sachsen im Dorf lebten, hatten einige Leute gewarnt und ihnen klar gemacht, dass sie nach Russland verschleppt würden. Dennoch waren es viele, die nicht recht ahnten was auf sie wartete und fanden sich im Gemeindesaal ein. Rumänische Soldaten, unter der Leitung der Gendarmerie, sollten für die Eintreibung und den Abtransport der Männer und Frauen sorgen. Als festgestellt wurde, dass sehr viele sich nicht eingefunden hatten, wurden sie von den Soldaten gesucht, aber vergebens, denn diese saßen bereits in einem Versteck, sei es in einem zugemauerten Teil eines Kellers, oder in der Scheune, ja sogar in einem Erdloch oder Bunker, im Wald, oft gemeinsam mit deutschen Soldaten. Als gedroht wurde, dass an Stelle der Versteckten, deren Familienangehörige verschleppt würden, ganz gleich welchen Alter sie seien, verließen einige ihr Versteck und meldeten sich im Gemeindesaal. Eine erdrückende Stille und Trauer lag über dem Dorf. Zeitzeugen werden es nicht vergessen können, wie schrecklich es war, als Männer und Frauen gegen Abend aus dem Gemeindesaal herauskamen, von beiden Seiten von Soldaten abgeschirmt, ihr Gepäck auf die bereitstehenden Pferdewagen legten, weinend ihren Angehörigen zuwinkten, dann selber auf den Wagen stiegen, und eskortiert von bewaffneten Soldaten, abtransportiert wurden. Die Glocken läuteten, für einige der Verschleppten zum letzten Mal. Ein damals 10 jähriger Junge, der sich dem Wagen näherte, auf dem sein Vater saß, erhielt von einem Soldaten einen Gewehrkolbenstoß, dass er umfiel. So erging es auch einer Mutter, die versuchte zum Wagen zu gelangen, um ihrer Tochter noch etwas zu geben. Aber unter den Soldaten gab es auch einige, die anders fühlten und handelten, obwohl sie sich selbst in Gefahr brachten. So gab einer der Soldaten einer jungen Frau, deren Mann im Krieg gefallen war, und die zwei kleine Kinder hatte zu verstehen, sie könne ja schnell noch mal nach Hause gehen, was sie auch tat und sich nicht mehr sehen ließ. Auf den Wiesen, an der Tekeser Hattertgrenze, warteten Lastwagen, mit denen die Leute nach Fogarasch geschafft wurden. Dort übernachteten sie auf Stroh in einer Kaserne. Am nächsten Tag wurden sie je 30 Personen, in Viehwaggons geladen. Auf dem Weg von Tekes bis zum Lastwagen, ist es 3 Personen gelungen zu entkommen, so auch einem Burschen, als sie in Fogarasch zum Bahnhof transportiert wurden. Vor dem Abtransport aus Fogarasch ist es Pfarer Frank und Lehrer Martin Thot gelungen, an den Waggon zu gelangen in dem ihre Töchter mit Tekeser Frauen sich befanden. Pfarrer Frank konnte seine Tochter Dora, die noch nicht 17 Jahre alt war herausholen, Lehrer Martin Thot seiner Tochter noch warme Kleidung mitgeben. Bei der Öffnung des Waggons durch den Posten gelang es zwei Tekeserinnen, die sich nahe der Tür befanden, zu entkommen. Für alle anderen begann eine 14-tägige Fahrt, bis zum Ort ihres mehrjährigen Leidens. In den Waggons gab es primitive Doppelbetten ohne Stroh auf denen sich nachts 2-3 Frauen unter einer Decke dicht aneinander drängten, um sich gegenseitig zu wärmen. Ihre Notdurft verrichteten sie durch eine Öffnung im Boden des Waggons. Während der Fahrt ernährten sie sich von den mitgenommenen Lebensmitteln. Trinkwasser wurde ihnen gelegentlich gereicht, wenn der Zug stand. Das geschah tagsüber, wenn der Zug auf einem Abstellgleis stand. Gefahren wurde nur nachts. Bloß einmal konnten sie während der Fahrt den Waggon verlassen, als sie an der rumänisch-russischen Grenze in russische Waggons verladen wurden. Bestimmungsort waren die Arbeitslager Lissitschansk, Makeewka und Stalino im Donezbecken. Ungewaschen, zum Teil schon von Läusen geplagt, kamen am 30 Januar ein Teil der Tekeser Verschleppten auf dem Bahnhof von Lissitschansk an. Über das Schicksal dieser Gruppe werde ich berichten, hauptsächlich das der Frauen. In Lissitschansk gab es zwei nebeneinander liegende Lager, eines für Frauen und eines für Männer, und unweit in Melniko noch eines für Männer, in denen Tekeser Verschleppte gearbeitet haben. Am Bahnhof Lissitschank verließen sie zum zweiten Mal ihr „fahrendes Gefängnis", wurden in Viererreihen aufgestellt und von Zivilpersonen in das 5 km entfernte Lager gebracht. Die Begrüßung war freundlich, bloß verstanden sie nicht was ihnen gesagt wurde. Was aber auf sie wartete wussten sie noch nicht. Den ersten Schock erlitten sie, als ihnen ihre Unterkunft zugewiesen wurde. Es war ein leer stehendes Gebäude, mit 3 Wohnräumen, in denen es aber keine Türen, Fenster, Öfen und Betten gab. In einem Raum wurden 30 Frauen untergebracht. In den ersten Nächten schliefen sie dicht aneinander gedrängt am Boden. Mit gestohlenen Brettern schlössen sie in den folgenden Tagen wenigstens die Fenster. Die Türen verhingen sie mit einer Decke. Erst nach 2 Wochen, als sie effektiv zu arbeiten begannen und der Winter richtig Einzug hielt, wurden schrittweise Türen und Fenster eingesetzt. Wasser gab es anfangs nicht, weder zum Trinken noch zum Waschen. Das mussten sie vom Donez holen. Fast alles war dort durch den Krieg zerstört worden und musste neu aufgebaut oder notdürftig repariert werden. Um die verdreckten Räume zu reinigen mussten sie vom Donezufer das nötige Material holen, um daraus Besen anzufertigen. Dabei brach eine Frau ins Eis ein und konnte nur durch gemeinsamen Einsatz gerettet werden. Toiletten und Waschräume gab es anfangs nicht, und auch keine Kantine und Krankenzimmer. All das musste von ihnen aufgebaut werden, neben den noch viel schwereren Arbeiten, die diese Frauen verrichten mussten. Am Tag ihrer Ankunft gab es einen Tee. Ein Glück, dass sie sich während der Fahrt ihr Essen so eingeteilt hatten, dass ihnen noch etwas übrig geblieben war. Denn am nächsten Tag gab es nur eine Gurkensuppe mit etwas klebrigem Brot aus dem noch Gerstenspelzen herausragten. Die ersten zwei Wochen wurde noch nicht richtig gearbeitet. Organisatorische Probleme und die Anpassung an die äußerst schweren Bedingungen standen im Vordergrund. Weil es wegen der Sprache Kommunikationsschwierigkeiten gab, hatten die Lagerinsassen eigene, deutsche Vorgesetzte, die der russischen Sprache mächtig waren. Unter ihnen gab es sowohl gute und verständnisvolle Menschen, aber auch niederträchtige Kreaturen. Hier soll einer dieser Unmenschen auch namentlich genannt werden. Zöllner hieß er und kam aus Hermanstadt. Unter seiner Leitung mussten die Frauen am Morgen 4 Uhr auf dem Lagerplatz antreten, wurden abgezählt und mussten singend, zwei-dreimal im Kreis herummarschieren. Dabei rannen den meisten vor Kälte und Verzweiflung die Tränen. Als der harte, russische Winter einsetzte, begann für die Frauen auch die harte Arbeit. Um das Maschinenhaus für das Bergwerk aufzubauen mussten sie in den ersten Tagen vom Bahnhof, in Drahtgestellen je 4 große Mauerziegeln transportieren. Nachher gab es noch schwerere Arbeiten. 15 Tekeserinnen bildeten eine Arbeitsgruppe, die mit ihrer Leiterin „Lena", einem Ekel von Mensch, zum Bahnhof nach Melnik fuhren, um dort schwere Baumstämme aus Schnee und Eis zu lösen und sie auf Waggons zu laden. Wenige besaßen eigene Handschuhe, und von der Lagerleitung hatten sie noch keine richtige Winterkleidung bekommen, sondern nur dünne, ungefütterte Arbeitshosen. Eigene Hosen trugen zu der Zeit unsere Bauernfrauen noch nicht. Lena war von einer unerklärlichen Niederträchtigkeit. Sie ließ die Frauen nicht die Stämme verladen, die frei dalagen, sondern zwang sie, die fest eingefrorenen Baumstämme mit Brechstangen aus dem Eis zu holen. Manchmal war es so kalt, dass ihnen die Hände an den Brechstangen kleben blieben und die Tränen auf den Wangen gefroren. Lena kannte nichts anderes als Beschimpfungen, ja sogar Stöße und Schläge, wenn jemand sich ihr nicht willenlos fügte. Beim Hin- und Rücktransport auf offenem Lastwagen, blieb dieser oft in einer Schneewehe stecken und Wind und Kälte vergrößerten das Leiden dieser unschuldigen Frauen noch mehr. Eine gleich schwere Arbeit war die im Steinbruch. Mit Brechstange und Hammer mussten die Frauen Steine brechen. Um sich zwischendurch zu wärmen, machten sie ein Feuer und hielten die Schuhe, mit den gefrorenen Füßen so nah ans Feuer, dass die Sohle verbrannte. Das waren aber die Lederschuhe, die sie von zu Hause mitgebracht hatten. In Zukunft mussten sie nun Gummischuhe (Galoschen) tragen, mit Fußtüchern, die sie mit Schnüren festhielten. Auch russische Männer und Frauen, die entweder als Kriegsgefangene oder Verschleppte, während dem Krieg, in Deutschland gelebt hatten, mussten auch mit unseren Frauen leiden. Bloß hatten die schon Filzstiefel und dicke Winterkleidung. Auch in verschiedenen Kohlenbergwerken haben viele unserer Frauen gearbeitet. Männer bohrten und sprengten, die Frauen trennten Kohle vom Gestein, trugen sogar Kohle nur auf Tragen aufwärts, oder verluden die Kohle in Wagen. Oft sprangen diese von den Schienen und mussten geleert und wieder auf die Schienen gebracht werden. Oft mussten sie gebückt oder liegend arbeiten, und Schürfwunden am Rücken waren keine Seltenheit. Oft kehrten sie in nasser Kleidung ins Lager zurück. Möglichkeiten die Kleider zu trocknen gab es kaum, so dass manche von ihnen in nassen Kleidern schlafen gingen. Es wurde viel gebaut und einige der Frauen haben auch auf Baustellen gearbeitet, indem sie Sand, Mörtel und Ziegel auf Tragen geschleppt haben. In Bergwerken wurde meist in 3 Schichten gearbeitet von 7-15, 15-23 und 23-7 Uhr. Unsere Frauen haben fast ausschließlich von 7-15 Uhr gearbeitet. Wenn sie 16 Uhr todmüde im Lager ankamen, konnten sie duschen. Aber vor dem Essen mussten sie in der ersten Zeit zu zweit 50 Tragen Schutt aus dem Lager schaffen (Reste aus dem zweiten Weltkrieg). In den ersten Monaten gab es keine Kantine. In Konservendosen holten sich die Frauen das Essen ab und aßen in ihrem Wohnraum. Die Jahre 1946 und 1947 waren aus jeder Hinsicht erdrückend schwer. Die Russen hatten größtenteils selbst kaum zu essen. Dazu kamen die Korruption und auch die Misswirtschaft, kennzeichnend für die kommunistische Diktatur. Traurig war, dass unsere Frauen und auch die Männer nicht nur unter einigen russischen Aufsehern und führenden Leuten zu leiden hatten, sondern auch unter Leuten, hauptsächlich Männern, aus den eigenen Reihen, die als Dolmetscher oder Aufseher tätig waren. Da haben sich auch ein-zwei Tekeser Männer nicht mit Ruhm bekleckert. Aus Rücksicht auf ihre Nachkommen oder Verwandten, soll hier ihr Name nicht genannt werden. Weil unsere Leute tüchtig und vielseitig waren, haben einige sich das Leben etwas erleichtern können, indem sie den russischen Obrigkeiten gewisse Dienste erwiesen, sei es als Putzfrau, als Näherin, oder Männer, die ihren Vorgesetzten schwerere Arbeiten verrichteten oder gestohlenes Baumaterial nach Hause transportierten. Der Großteil hat aber hart gelitten. Viele haben von der Tagesration von 200g Brot, oft 100g verkauft, um sich andere Lebensmittel zu kaufen, denn von der aus Rübenblättern gekochten Suppe konnte man bei der schweren Arbeit nicht überleben. Viele haben dort erst das Stehlen und sogar das Betteln lernen müssen. Wenn sie, begleitet von bewaffneten Soldaten zur Arbeit geführt wurden und an einem Rüben- oder Maisfeld vorübergingen brachten sie es fertig, unbemerkt Rüben auszureisen oder Maiskolben abzubrechen, um sie unbeobachtet roh zu verzehren. Selbst Zuckerrüben wurden roh gegessen, obwohl sie im Hals ein starkes Brennen verursachten. Gebraten schmeckten sie ganz gut, sie aber zu braten, bot sich selten eine Gelegenheit. Typisch für eine Diktatur ist, über das Leben jedes Menschen genauestens informiert zu sein. Vor allem werden Menschen mit Bildung und solche, die sich für andere in irgendeiner Weise einsetzen, mit Misstrauen bespitzelt und verfolgt. Das musste auch die 21-jährige Tekeser Lehrerin Irmgard Thot erfahren. Sie hatte sich dort als Gärtnerin ausgegeben, aber der Geheimdienst hatte bald erfahren, dass sie Lehrerin war, und wurde immer wieder verhört. In der Zeit war für unsere Bauern ein Lehrer oder eine Lehrerin eine Vertrauensperson, zu der man gewissermaßen aufsah und der man auch vertraute. Dessen war sich auch diese junge Lehrerein bewusst. Oft hielt sie im geheimen einen Gottesdienst, versuchte verzweifelte Mitmenschen zu trösten und ihnen Mut zu machen, obwohl sie es selbst oft nötig hatte, getröstet zu werden, es aber nicht zeigen durfte. Ihren Einsatz hat das „Freuen Liehrer" teuer bezahlen müssen. Immer wieder wurde sie verhört, die Lagerärztin „Liuba" wollte sie nicht krank schreiben, selbst wenn dies der Fall war, und zusätzlich stellte ihr der oben genannte Zöllner nach und versuchte sich an ihr zu rächen, weil sie sich gegen ihn wehrte. Welche Geschlossenheit unsere Tekeser Frauen bei diesen schrecklichen Verhältnissen an den Tag gelegt haben, ist bewundernswert. Sie haben sich gegenseitig unterstützt, den Kranken geholfen und ehrlich geteilt, wenn etwas zu teilen war. Ihre junge Lehrerin haben sie regelrecht vor dem aufdringlichen Zöllner abgeschirmt, und als sie schwer krank war, bewusstlos dalag, haben sie ihr Tee und schwer erworbene Nahrung eingeflößt, bis sie wieder halbwegs gesund war. Weil sie an die körperliche Arbeit nicht so gewohnt war, wie unsere Bäuerinnen, haben diese sie auch oft bei der Arbeit geschont, so gut es nur ging. Aber nicht das Leiden der jungen Lehrerin soll hier im Mittelpunkt stehen, sondern noch tragischere Schicksale. Eine aus dieser Frauengruppe, Katharina Melchior, verunglückte tödlich im Bergwerk, gerade an einem Ostertag. Beim besten Willen konnten sich die Frauen nicht vor Läusen schützen. Läuse und hygienische Verhältnisse führten zu Krankheiten, denen einige zum Opfer fielen, wie Sofia Schuster (Hausnr. 15/192). Am schrecklichsten erscheint mir das Schicksal der jüngsten unter den Frauen, Sofia Schuster (verh. Faff, Hausnr. 46/148), die 1949, vor ihrer Heimkehr alle Kräfte verließen. Sie kam wohl ins Lagerkrankenhaus, war aber nicht mehr ansprechbar. Sie hörte die Ärzte über sie sprechen, war aber nicht mehr in der Lage ihnen zu antworten. Als diese sie tot glaubten, wurde sie in die sogenannte Totenkammer, neben 2 tote Männer gelegt. Ein Mann der vorbeiging, schien eine schwache Stimme gehört zu haben, öffnete die Tür und stellte fest, dass sie noch lebte. Er meldete das den Ärzten. Sofia wurde in das nächstliegende Krankenhaus geschafft, und konnte mit Mühe noch gerettet werden. Sie konnte sogar noch in der Lagerküche arbeiten und mit dem letzten Transport, 1949 in ihre Heimat zurückkehren. Aber jetzt zu einem anderen Aspekt des Lebens in der Verschleppung. Auch unter den Russen hat es viele gute Menschen gegeben, die unseren verschleppten Frauen das Leben etwas erleichtert haben, und sei es nur der alte Russe, der ihnen ein Haupt Sauerkraut über den Drahtzaun warf, das sie dann „christlich" untereinander teilten. In den ersten Jahren hatten die Russen auch kaum etwas zu essen. Dennoch gaben sie einer bettelnden Frau, von dem wenigen was sie besaßen, etwas ab. Besonders großzügig waren sie zu Ostern. Dann pflegten die Russen die Armen zu beschenken und vergaßen dabei nicht unsere verschleppten Frauen. Das taten sie vor ihrer Kirche, die auch unsere Frauen oft besuchten. Leider kann ich nicht alle Beispiele anführen, wo vor allem einfache und arme Menschen viel Güte und Verständnis gezeigt haben. Wie unerträglich die Verhältnisse zu Beginn in den Lagern waren, beweist die Tatsache, dass bereits 1946 mit 2 Transporten Kranke und Arbeitsunfähige nach Hause geschickt wurden. 1949 verließen die letzten Tekeser das Lager Lissitschansk und andere Lager. Leider wurden einige von ihnen nach Deutschland geschickt, von wo einige in den Westen gelangten und dort blieben, andere wieder, vor allem Männer, die Familien in Tekes hatten, auf abenteuerliche Weise in ihr Heimatdorf gelangten. Dieser, leider unvollständige Bericht will nicht den einst Verschleppten ihr Leiden in Erinnerung rufen und damit seelische Wunden aufreißen, sondern ihre Kinder und Enkelkinder anregen, das Leiden der Verschleppten richtig zu verstehen und zu bewerten. Zu leicht wird heute ihr Schicksal damit begründet, dass die Deutschen den Krieg begonnen und in Russland die Zerstörungen angerichtet haben. Also mussten auch Deutsche das zerstörte wieder aufbauen. Aber keine und keiner der Verschleppten hat weder den Krieg gewollt, noch etwas in Russland zerstört, mussten aber unschuldig leiden, oder sogar dort ihr Leben lassen.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 10, Januar 2005)

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