1947 und 1948 - Ereignisvolle Jahre für das Leben in unserer alten Heimat.

17. Februar 2008

Allgemeiner Bericht

Erlebtes prägt den Menschen und hilft ihm, Ereignisse, 3chicksale und Menschen in ihrem Denken und Handelnbesser zu verstehen.
Jetzt wo das Leben immer komplexer vird und der Mensch sich ständig neuen Verhältnissen anpassen muss, neigt man dazu, Erlebtes und Erfahrungen schneller zu vergessen. Das gilt mehr für Menschen, welche die oben genannten Jahre noch erlebt haben. Neider gibt es bei den jüngeren, den sogenannten „Nachgeborenen" viele, die sich nur für die Gegenwart und Zukunft interessieren, das nur zum Teil berechtigt ist. Denn der Ausspruch " Nur wer die Vergangenheit kennt, dann die Gegenwart richtig verstehen und beurteilen" gilt besonders für die Nachgeborenen. Deshalb habe ich mich entschlossen, hier kurz an einige Ereignisse aus den oben genannten Jahren zu erinnern, die eine wichtige Rolle für das Schicksal der Siebenbürger Sachsen und damit auch für das Leben in unserem Tekes gespielt haben. Die Russlandverschleppung und die Enteignung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes waren die ersten zwei Schläge für unsere tüchtigen und stolzen Bauern. Gut dass unsere Leute es nicht wussten, dass die kommunistische Regierung den Plan hatte, die sächsische Bevölkerung aus ihren Dörfern in andere Gebiete Rumäniens umzusiedeln, um sie ganz zu entwurzeln. Weshalb sie dann doch auf diesen Plan verzichtet hat, ist noch nicht geklärt. Das Leben war schwer genug, mit den Folgen der Verschleppung und Enteignung zu leben. 52 Kinder blieben ohne Eltern und mussten von Großeltern oder Verwandten betreut werden. Auf 41 sächsischen Höfen machten sich Zigeuner breit und ließen größtenteils den ihnen zugeteilten sächsischen Boden von den Sachsen um den halben Ernteertrag bearbeiten. Wo einst ein sächsischer Bauer mit einem stattlichen Ochsen paar oder zwei gepflegten Pferden auf dem Feld arbeitete, sah man eine Frau, sich mit einem Büffel und einer Kuh plagen. Im Laufe der Zeit konnten die Sachsen die Zigeuner von ihren Höfen los werden, indem sie ihnen Baumaterial gaben und ihnen sogar beim Bau ihrer eigenen Häuser im Weiher halfen. Die politischen Ereignisse im Land berührten unsere Leute wenig. Dass am 30. Dezember 1947 der König Michael von den Kommunisten zum Abdank gezwungen und des Landes verwiesen wurde, und die Rumänische Volksrepublik ausgerufen wurde, stimmte die meisten Rumänen traurig, denn sie hatten immer gehofft, die Russen los zu werden, und die Amerikaner würden ins Land kommen ("Vin Americanii"). Auf einige wohlhabende Rumänen warteten im Zuge des anlaufenden Klassenkampfes noch Überraschungen, mit denen sie nicht gerechnet hatten. 1947 wurde in Tekes eine Staatsfarm gegründet, die fast die Hälfte des ganzen Grundbesitzes übernahm. Einige sächsische Höfe mussten daran glauben, denn es dauerte eine gewisse Zeit bis die Staatsfarm auf den Wiesen ihre eigenen Gebäude errichtete. Das einzig Gute an der Gründung der Staatsfarm war, dass einige unserer Leute dort Arbeit fanden und mit der Zeit auch kleinere leitende Funktionen übernahmen. Nach dem 23. August 1944, als die Deutsche Volksgruppe aufgelöst wurde, übernahm die evangelische Landeskirche wieder die deutschen Schulen. Prediger-Lehrer Martin Thot war mit 213 Schülern als einziger Lehrer an der Schule geblieben, unterstützt von der Gattin des verschleppten Lehrers Johann Schüller, die aber keine ausgebildete Lehrerin war. Dazu kam, dass Martin Thot 2 Jahre darum bangen musste, aus dem Lehramt entlassen zu werden, weil der rumänische Pfarrer Nodea ihn angezeigt hatte, faschistische Politik betrieben zu haben. Glücklicherweise kam die gebürtige Tekeserin Edith Melchior 1947 als Rektorin an die Schule und 1948 kehrte auch Prof. Keinzel-Schön aus Russland zurück. Leider war es 1948 endgültig aus mit unserer kirchlichen Schule, die Jahrhunderte hindurch einer der wichtigsten Faktoren gewesen war in der Bewahrung unserer Sprache und Kulturtraditionen. Denn am 3. August 1948 wurden alle Schulen verstaatlicht und kommunistisch orientiert. An der Vermittlung von Kenntnissen sollte es im allgemeinen nicht fehlen. Dafür sorgten meist gut ausgebildete deutsche Lehrkräfte. Aber es wurde eine Schule ohne Kirche und Religion. Was für unsere Leute in diesen Jahren bedrückend war, bestand in der Ungewissheit, wie es den Verschleppten ging. Die Zensur der Post sorgte dafür, dass selten eine Nachricht ankam, die gerade nur ein Lebenszeichen war, aber nichts über das Leiden der Verschleppten aussagte. Erst als 1946 die ersten 5 Verschleppten heimkehrten, erfuhr man näheres über das tragische Schicksal derer, die noch in russischen Arbeitslagern litten. Groß war die Freude, als 1947 von den 113 Verschleppten weitere 26 heimkehrten. Zur Freude kam aber auch Trauer dazu. Denn 19 Verschleppte ruhten tot in russischer Erde. Es bahnte sich noch ein anderes Ereignis an, das für Trauer sorgte. Bereits 1947 wurden 4 Verschleppte in die Ostzone Deutschlands geschickt. 1948 waren es schon 15, und nur 7 kamen direkt nach Rumänien. Die Heimkehr aus Deutschland wurde unseren Leuten sehr erschwert. Ihnen wurden Personalakten abverlangt (von den rumänischen Repatriierugskommissionen), die sie nicht besaßen. Meiner Schwester haben wir wiederholt Akten per Post geschickt, die aber nie angekommen sind. So haben sich mehrere Tekeser aufgemacht und sind auf abenteuerliche Weise, schwarz über die österreichische und ungarische Grenze nach Rumänien gelangt. Einige wenige sind in Deutschland geblieben. 1949 kamen die letzten 39 Verschleppten direkt nach Rumänien zurück. Die Heimgekehrten hatten die 2, 3, oder 4 schwersten Jahre ihres Lebens hinter sich. Aber das Leben musste weiter gehen, und kein Psychologe hat sie, wie es heutzutage hier üblich ist, betreut. Wenn wir mit unserem Schicksal manchmal unzufrieden sind, sollten wir uns in die Lage der verschleppten Frauen und Männer versetzen, die bei Regen, Schnee und oft bitterer Kälte die schwersten Arbeiten verrichten mussten, und Frauen manchmal die Tränen auf den Wangen gefroren. Zur Arbeit wurden sie von Soldaten mit aufgepflanztem Ge¬wehr geführt, wie die schwersten Verbrecher. Einige der russischen Aufseher, leider auch einige aus den eigenen Reihen, behandelten sie nicht wie Menschen. Wenn gerade in den ersten zwei Jahren jemand erkrankte, konnte er nur durch die aufopfernde Hilfe seiner Landsleute gerettet werden. Und wenn sie dann ein wenig Zeit hatten sich zu erholen und nachzudenken, dann überkam sie die seelische Qual. Von zu Hause keine Nachricht, das eigene Elend vor Augen und das Heimweh nach Kindern oder Eltern. Und wenn dann einige, krank und abgemagert, in die Waggons verladen wurden, um nach Hause geschickt zu werden, so erfasste die anderen nicht der Neid, sondern die Trauer, und mancher, der noch gesund war, wünschte sich in den Augenblicken auch krank und elend zu sein. Eine Tekeserin Sara Müller (120/45), später verheiratete Mathiä, eine der jüngsten Verschleppten, hat eine Art Tagebuch in Form von Briefen an ihre Eltern geführt, die sie aber nie abschicken konnte. Hier ein paar Abschnitte aus ihren sogenannten Briefen, oder festgehaltenen Gedanken oder Gefühlen der Trauer und Verzweiflung: Meine Jugendzeit muss ich so schwer hier in Russland verbringen ... Lieber Vater im Himmel, mach diesem Elend doch bald ein Ende, führe uns nach Hause zu unseren Eltern und Geschwistern ... nur du kannst uns retten. Heute am heiligen Abend sitze ich allein und denke an Euch, Ihr Lieben ... möchte bei Euch sein und mit Euch Weihnachten feiern ... Zum dritten Mal verbringen wir schon Weihnachten hier, hier in der Fremde, ohne eine Nachricht von Euch ... wir haben eine kleine Andacht hier gehalten, aber ohne Weihnachtsbaum und ohne Geschenke von der lieben Mutter. Ich bin operiert worden, aber morgen am ersten Weihnachtstag haben wir Großeinsatz, und ich muss arbeiten. Totensonntag in Russland, 1947. Geliebte Eltern und Geschwister in der lieben Heimat.. .ich sitze allein in der Baracke, mein Herz tut mir weh seit ich Euch verlassen musste, ... Ich frage mich oft im Stillen, ob Ihr noch lebt und ob ich Euch sehen werde? ... Nur wenige, die krank und schwach waren, hatten das Glück nach Hause zu fahren. Es gibt auch viele, die hier in der Ferne in kalter Erde ruhen, sogar an unbekannter Stätte ... Heute will ich in Gedanken bei unseren Toten sein, ihre Gräber schmücken ... und Gott bitten, er möge uns erlösen aus Not und Leid, und uns bald nach Hause führen in unser geliebtes Elternhaus ... Wenige der einstigen Verschleppten leben noch und können uns an ihr Leiden direkt erinnern. Viele Millionen Menschen haben im zweiten Weltkrieg und in den Nachkriegsjahren leiden und sterben müssen. Über viele von ihnen wurde und wird auch heute noch viel gesprochen und geschrieben, viel weniger aber über unsere Russlandverschleppten. Wir alle, die dieses nicht erdulden mussten, sollten es aber nicht vergessen!

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 13, Januar 2008)

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