Kirche und Schule - Schule ohne Kirche ... 60 Jahre nach der Schulreform von 1948

17. Februar 2008

Allgemeiner Bericht

„Das Dasein unserer Nationalität knüpft sich, vielleicht wie bei keinem anderen Volke der Welt, so nahe an Kirchen und Schulen“, Stephan Ludwig Roth
Als Stephan Ludwig Roth diese Worte schrieb, war die Nationsuniversität als oberste politische Verwaltung und Gerichtsbehörde der Gesamtheit der Siebenbürger Sachsen gerade von einer kurzzeitigen Auflösung bedroht. Vier Jahre nach seiner standrechtlichen Erschießung in Klausenburg, am 11. Mai 1949, wurde das Eigenlandrecht außer Kraft gesetzt, 1876 die Nationsuniversität aufgelöst und damit die jahrhundertealte Autonomie der Siebenbürger Sachsen auf dem Königsboden zerschlagen. Dass unsere evangelische Kirche unsere sächsischen Schulen sofort in ihre Trägerschaft übernahm, entzog sie dem gänzlichen Gleichschaltungszugriff sowohl des ungarischen Nationalismus im neunzehnten Jahrhundert, als auch dem des rumänischen Staat durchgeführte Enteignung, die umfangreiche Wald- und Grundbesitzungen, die wesentliche und notwendige Finanzierungsquellen für ihre Lehrer und Schulen waren. Zu den staatlichen Abgaben kamen auf unsere Leute die Lasten für die Erhaltung des eigenen Schulwesens dazu. Die darüber entstandene Unzufriedenenbewegung, die Weltwirtschaftskrise der ende zwanziger Jahre und das Aufkommen der nationalsozialistischen Bewegung, die schließlich 1941 in der Gleichschaltung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien, unter Andreas Schmidt, mit der Politik des Deutschen Hitlerreiches gipfelte, führte zum ersten Akt der "Schule ohne Kirche", indem die Volksgruppenführung die Schulen ihrer ideologischen Leitung unterstellte. Am 23. August 1944 kündigte bekanntlich Rumänien das Waffenbündnis mit Deutschland und erklärte ihm zwei Tage darauf den Krieg. Die Volksgruppenführer mussten flüchten, untertauchen oder kamen in Lager. Viele erinnern sich an den Septembertag, mit wie viel Angst wir die Russen auch in Tekes erwarteten. Wir wissen alle, was damals und die Jahre darnach die Deutschen in Rumänien ausgestanden haben. Dass wir im Herbst in unsere deutsche Schule gehen konnten, verdanken wir unserer Evangelischen Kirche. Die Kirchenleitung erklärte die Vereinbarung über die Übergabe der Schulen an die Deutsche Volksgruppe für null und nichtig, für erzwungen und übernahm wieder deren Trägerschaft. Sie gab die Weisung, den Unterricht unverzüglich aufzunehmen und die sonntäglichen Gottesdienste wieder abzuhalten. In vielen Gemeinden fehlten infolge des noch tobenden Krieges die nötigen Lehrer und Pfarrer. Durch die Deportation nach Russland im Januar 1945 wurde der Lehrermangel noch größer. So blieb unser Schulleiter, Herr Prediger Martin Thot, allein mit über 200 Schulkindern. Frau Schüller und seinen Sohn Erwin Thot, als Gymnasiast, holte er als Hilfen dazu. Ab 1948 kamen dann Edith Melchior und Prof. Fritz Keintzel-Schön in die Klassen 5 - 7, die zum Untergymnasium geworden waren.(Siehe hierzu später das Heimatbuch) Als Ende Dezember 1947 der König das Land verlassen musste, die Kommunistische Partei ab Februar 1948 die Alleinherrschaft übernahm, war klar, dass sie auch alles andere übernehmen würde. So folgte am 3. August das Schulreformgesetz und das Gesetz zur Verstaatlichung des Schulvermögens aller konfessionellen und privaten Schulen. Der Religionsunterricht in den Schulen wurde verboten, die kommunistische Ideologie wurde Erziehungsinhalt. Nun begann für vierzig Jahre die Zeit der Schule ohne Kirche. Die Schulreform wirkte wie ein Schock auf unsere Leute. Nach allem, was den Deutschen widerfahren war, nun auch dieses. Was würde werden, wenn unsere volkserhaltenden Schulen in völlige Fremdbestimmung übergehen würden? Dass es nicht ganz so hart kam, kann hier nicht ausgeführt werden. Am schwersten allerdings hatten es in der neuen Situation und in der Folgezeit unsere sächsischen Lehrer und Lehrerinnen. Sie wurden plötzlich und zukünftig Bezahlte im Dienste des Staates und seiner materialistisch - kommunistischen Ideologie, gehörten aber nach Herkunft, Herz und Geist in ihre siebenbürgisch - sächsische Lebens- und Leidensgemeinschaft, auch in die konfessionell kirchliche, der sie dienen wollten. Beides sollten sie, vor allem in den späteren Jahrzehnten, ideologisch unterwandern und beenden und in beidem gründete ihr Leben. Wie sind sie damit umgegangen? Wie haben sie diese Belastung bestanden? Wie sind sie beidem gerecht geworden? Ich habe das in dem Jahrbuch 2008 des Hilfskomitees auf neun Seiten eingehend ausgeführt und an Hand von Originalberichten dokumentiert. Hier können nur einige Hinweise aufgeführt werden. Nachdem allen Lehrinhalten die marxistisch-materialistische Weltanschauung zugrunde gelegt war, war damit die Forderung verbunden, die Schüler atheistisch zu erziehen. Das bedeutete Religion und "Mystizismus", wie die Partei das nannte, zu bekämpfen. Also alles zu tun, damit die Schulkinder von Kirche und kirchlicher Unterweisung abgehalten wurden. Fiel den Parteiorganen auf, dass die Kinder am Gottesdienst und am kirchlichen Unterricht reger teilnahmen, wurden die Lehrer zur Verantwortung gezogen. Um die Schüler von der Kirche abzuhalten, mussten schulische Aktivitäten angesetzt werden. Am schlimmsten war es für Lehrer, Kinder und Eltern, wenn es am Heiligen Abend geschah. In dem Buch zum 50. Maturajubiläum meines Lehrerjahrganges 1954 in Schäßburg, das wir zusammen mit einem Klassenfreund unter dem Titel "Werden und Wirken" 2004 ( 400 Seiten) herausgegeben haben, berichten viele von ihnen über diese Situationen aus ihrer Sicht. Eine von den vielen sei hier erwähnt: "Ein Weihnachtsabend: Ich sollte die Schulkinder bis nach dem Abendgottesdienst beschäftigen. Spiele, Singen, Vorlesen - es kam keine Begeisterung auf Als die Glocken läuteten, musste plötzlich ein Kind nach dem anderen" aufs Klo ". Ich nickte nur noch, wenn sich eine Hand erhob. Als der Zusammenklang der Glocken verhallte, saß ich allein im Klassenzimmer - zufrieden." (S. 269). Was unsere Lehrer durch die ganze kommunistische Zeit kirchlich nicht konnten, ja, gegen ihr Gewissen hindern mussten, haben sie, die Partei oft irreführend, in ihrer Kulturarbeit getan. Bei allem Zwang ideologisch entsprechende Stücke zu spielen, wurden oft alte sächsische Theaterstücke, mit gutem christlich - humanistischem Hintergrund, manchmal auch mit anderm Titel angemeldet, aufgeführt und auch über Chöre, Tänze und Blasmusik gute sächsische Kultur und Identität vermittelt. Dabei geschah es, dass die einen mit allen Mitteln den Eintritt in die Partei verweigerten und die andern Parteimitglieder wurden, um in den Entscheidungen über Schul-, Kindergarten- und Kulturfragen Mögliches zu erreichen, vor Gefahren zu warnen oder sie abzuwenden. Aber auch die Tatsache, dass wir eine Kirche ohne Schule waren, hat uns um sehr vieles ärmer gemacht. Das war die zusätzliche geistige Enteignung, die eine eigenständige und vielfältige geistig - geistliche Entfaltung und Gestaltung unseres siebenbürgisch - sächsischen Gemeinschaftslebens, in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, völlig abgebrochen und zuletzt beendet hat. Nie hat die Lehrerschaft am kirchlichen Leben als Presbyter, als Mitarbeiter mit ihren Gaben und Erfahrungen mitarbeiten können, wie wir es etwa hier erleben. Das und noch viel mehr waren Einbußen einer Kirche ohne Schule. Kirche und Schule - , Kirche ohne Schule; Schule ohne Kirche, - Schule gegen Kirche!! Nach Letzterem hat es in den verhängnisvollen Jahrzehnten des Kommunismus oft ausgesehen. Bei den allermeisten unserer Lehrer selbst war es, wie wir hören, lesen und an ihrem Tun sehen konnten, innen anders. Es hat aber nicht gereicht. Zu stark war die Diktatur, zu tief und zu lang die gewaltsame Trennung von Kirche und Schule. Hat Stephan Ludwig Roth mit dem leicht altertümlich klingenden Wort vom Anfang doch eine gültigere Wahrheit angesprochen, als es uns zunächst schien? In der Bibel, Jes. 7, 9, heißt es im Blick auf König und Volk: "Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht." Als einer, der aus ihrer Mitte kommt, mit ganzem Herzen zur Kirche Jesu Christi gehört, wie alle in unserem Volk an dieser fremden und gewalttätigen Trennung gelitten hat, spreche ich unsrer siebenbürgisch - sächsischen Lehrerschaft für ihren schweren Dienst in kommunistischer Zeit, zur Erhaltung und Vermittlung unsrer deutschen Sprache und Identität an unsere Kinder, die bis hierher wirkt und reicht, meinen, unsern Dank aus. Michael Fabi, Pfr. i.R. ( Siehe auch Artikel: "Als die Glocken zum Weihnachtsgottesdienst einluden, liefen uns die Kinder weg", in Jahrbuch 2008 S. 70f)

(Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 13, Januar 2008)

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