Ansprache bei der Andacht des 8. Tekeser Treffens, am 24.09.05, in GundeIsheim

17. Februar 2008

Mitteilungen der HOG

Um Freiheit geht es in unserem Text (Joh.8; 31-36).
Ein Freiheitsangebot macht Jesus seinen Jüngern mit den Worten: "Ihr sollt richtig frei sein!" Wie ist das wohl gemeint? Frei sein, wer wünscht sich das nicht? Wie sieht das aus, wie fühlt sich das an? Wir verknüpfen damit verschiedene Vorstellungen, wie: - Sagen was wir wollen, - reisen wohin wir wollen, - denken und tun was wir wollen - und uns leisten könne was wir wollen. Wir sind, der eine früher, der andere später, damals aus unserem vertrauten Umfeld, dem Land der Knechtschaft ausgezogen, wie einst das Volk Israel aus Ägypten, um frei zu sein im Land der neuen Möglichkeiten. Und wenn wir uns umschauen und umhören, so können wir feststellen: Jeder von uns hat es auf seine Weise zu etwas gebracht, kann reisen wohin er will, kann sagen was er will. ... Ob das immer gut ist, mag dahingestellt bleiben! - Wir sind, wenn man so will, freie Menschen. Die Gesetze unserer Wahlheimat machen uns zu freien Bürgern. Das Geld, das wir hier verdienen, macht uns frei. Wir können nun selbst nach Rumänien reisen, und sind nicht darauf angewiesen, besucht zu werden. Wir können uns so manches leisten. Wohlstand verhilft uns dazu, auf die Hilfe der Nachbarn zu verzichten. Die geregelten Arbeitsbedingungen schaffen uns viel Freiraum und Freizeit. Die Medizin verhilft uns zu besserer und längerer Gesundheit und ermöglicht es uns, freier zu werden von den Einschränkungen, die mit Krankheit verbunden sind. Im Alter sind wir durch die Rente mit Zeit und Geld weitgehend unabhängig. An die festen Strukturen und Traditionen, in denen unsere Vorfahren lebten, sind wir heute nicht mehr gebunden. Wir haben die freie Wahl des Ortes, an dem wir leben wollen und der Menschen, die uns als Partner und Freunde im Leben begleiten sollen. Selbst in Fragen der Moral und des Glaubens sind die Traditionen nicht mehr so selbstverständlich. So haben wir, sie und ich, viele Freiheiten! Doch wie kommt es, dass, trotz so vieler Freiheiten und Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, viele von uns unzufrieden sind und sich unfrei fühlen? Warum bleibt so viel Sehnsucht nach einem anderen Leben? Warum erleben sich viele Menschen abhängig von anderen Menschen und als Gefangene eines Lebens, über das sie selber nur wenig verfUgen können? Freiheit, die wir meinen, gibt es die? Bei der Antwort auf all diese Fragen hilft uns folgende Geschichte: Eines Morgens gleitet vom Baum, an einem Faden herab, eine Spinne. Unten im GebÜsch spinnt sie ihr Netz. Im Laufe des Tages wird es immer großartiger, und sie kann reiche Beute darin fangen. Am Abend läuft sie ihr Netz noch einmal ab und findet es herrlich. An einigen Stellen ist es nicht regelmäßig und deshalb nicht vollkommen. Aber sie hat es selbst gemacht, es ist ihr Netz. Bei ihrem Rundgang entdeckt sie den Faden, der nach oben führt. In ihrer betriebsamen Geschäftigkeit hatte sie ihn ganz vergessen. Und sie weiß auch nicht mehr, wozu er dienen soll, denn das Netz, das sie geschaffen hat, gibt ihr doch alles was sie im Leben braucht. Sie hält den Faden für überflüssig und beißt ihn ab. Das Netz fällt über ihr zusammen, wickelt sie ein und macht sie zur Gefangenen ihres eigenen Werkes. In diesem Netz, -es ist ein Sinnbild für unsere Schaffenskraft- , finde ich all unsere Möglichkeiten zum Leben. Jeder Faden steht für die vielfältigen Dinge, die wir geschaffen haben und die erst zusammen zu einem guten, gelingenden und erfüllten Leben gehören. Es enthält die Freiheiten unseres Lebens, die uns geschenkt sind, die wir uns erarbeitet haben. Natürlich gibt es auch Mängel und Einschränkungen. Es ist nicht vollkommen, und doch können wir gut darin leben .. Ich kehre zu der anfangs gestellten Frage zurück. Was macht es aber, dass wir, trotz dieser Möglichkeiten, die wir uns geschaffen haben und der Freiheiten, die damit einher gehen, oft so unzufrieden sind, uns unfrei fühlen und uns oft der Sinn fehlt, fUr all das, was wir tun? Warum erleben wir uns oft als Gefangene eines Lebens, das wir eigentlich anders leben wollten und über das wir dann letzten Endes so wenig verfügen können? Kann es sein, dass es an dem Faden liegt? Ist er noch vorhanden, oder haben wir ihn in unserer Geschäftigkeit durchgeschnitten? Die Geschichte lehrt uns: Wo der Faden nach oben gekappt wird, da sind wir verstrickt im eigenen Netz. Was eigentlich gut ist und dem Leben dienen soll, nimmt uns ganz gefangen. Daher sagt Jesus denen, die ihm begegnen: "Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen". Die aber antworteten ihm: "Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: "Ihr sollt frei sein?" Die Gesprächspartner Jesu berufen sich auf ihre Unabhängigkeit, auf Abraham, ihr Abstammung und Tradition. Doch sie werden eines Besseren belehrt. Mit der Abstammung allein ist es nicht getan. Es kommt auf den gegenwärtigen Faden nach oben an, die fortwährende Verbindung zu Gott. Tradition allein macht noch nicht frei. Auch wenn wir Siebenbürger sind, aus dem Gebiet, wo es heißt: "Da keiner Herr und keiner Knecht", auch dann haben wir keinen Freibrief. Frei sind wir erst, wenn der Faden nach oben erhalten wird, die lebendige Beziehung zum Geber des Lebens aufrechterhalten wird. Unsere Vorfahren haben es uns vorgelebt. Ihr Leben und seine Gaben haben sie aus Gottes Hand angenommen. Wirklich frei hat sie, auch unter den widrigen Umständen der wechselvollen Geschichte, der Glaube gemacht. Die Kirchenburgen zeugen auch davon. Oder haben Sie, im Rückblick, Bilder vor Augen, welche diejenigen, die ihre letzte Ruhestatt auf dem Tekeser Friedhof gefunden haben, als unfreie Menschen erscheinen lassen? "Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei." Glauben heißt zu wissen, dass ich mit meinem Leben und all seinen Bemühungen von Gott gehalten bin, unabhängig von dem Ort oder dem Land, in dem ich lebe. Glauben heißt zu erfahren: Auch wenn meine Liebe, mit der ich meinen Mitmenschen begegne, nicht ausreicht, Gott liebt mich! Wenn ich versage und Menschen mit vielleicht ihre Vergebung verweigern, Gott vergibt mir! Auch wenn ich ganz auf Hilfe angewiesen bin und alles aus meiner Hand legen muss, mit meinem Leben bin ich in Gottes Händen gut aufgehoben. An diesem Faden hängt unser Leben, in diesem Halt liegt unsere wahre Freiheit! Amen.
<p align="right"> Pfarrer Johann Stefani (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 11, Januar 2006)

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