Zu Hause - nach Hause (Ein Besuch in Tekes)

15. Februar 2008

Nachrichten aus dem Heimatort

Nach 10 Jahren fuhren mein Mann, unser ältester Sohn Johann und ich, im vergangenen Sommer 2004, wieder einmal in unsere Heimat, in unser geliebtes, unvergessliches Tekes.
Schon all die Jahre zuvor, nahmen wir uns vor, noch einmal hin zu fahren, um uns von allem, was uns einst so lieb und vertraut war, ein Bild zu machen, oder sogar Abschied zu nehmen von Haus und Hof, vom Dorf, wo man geboren wurde, später seine Familie gegründet und mehr als 26 Jahre gelebt und gearbeitet hat. Als unsere Eltern noch lebten und unsere Geschwister und alle anderen noch in der Heimat waren, war es für uns klar, wohin es im Urlaub ging. Wenn wir gefragt wurden: „Wohin fahrt ihr in diesem Jahr?", war unsere Antwort: „Nach Hause, wohin denn sonst?" Und wenn der Urlaub dann vorbei war, kamen wir nach Hause. Wir fuhren nach Hause und wir kamen nach Hause, wir hatten also zwei Zuhause. Dieses Mal war alles anders, als wir den Tekeser Turm sahen. Schon die Felder und Wiesen zu beiden Seiten unseres Weges boten einen traurigen Anblick. Der Wald, der einen auf der linken Seite mit seinen einst so schönen und stolzen Eichen begleitet, sobald man über die Hattertgrenze von Deutsch Tekes kommt, sah krank aus. Die Blätter hingen welk an den Bäumen. Ja, es hatte sich sehr viel verändert. Als wir die schöne, breite Niedergasse hochfuhren, war alles fast menschenleer, nur hier und da sah man ein Paar unbekannte Gesichter. Wir fuhren auf den Hof unseres Schwagers. Dort blieben wir 3 Tage und 3 Nächte. Zu dem Zeitpunkt waren noch nicht viele Tekeser Urlauber im Dorf, es war erst gegen Ende Juni. Unser Sohn machte uns den Vorschlag, einmal über die Felder, oder wenigstens rings um das Dorf zu gehen. So machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg und gingen durch die Hintergasse in den Niederwinkel. Wir versuchten in unseren einmaligen Hof hinein zu schauen, aber das Tor war verschlossen. Enttäuscht gingen wir die Straße weiter. Im Niederwinkel bot sich uns ein trauriges Bild. Viele Häuser, die früher einmal da gestanden hatten, waren wie vom Erdboden verschwunden. Wir mussten oft stehen bleiben, und nachdenken, wessen Haus da wohl einmal stand. Unser Sohn machte uns den Vorschlag aus dem Niederwinkel über den Erdbeerhügel und über den Kleinwiesenbach hinüber in den Oberwinkel zu gehen. Er meinte, er kenne alle Schleichwege und Abkürzungen aus der Zeit, wo er als Junge nach Schulschluss mir die Zeitungen und die Post verteilen half. Aber es klappte nicht, denn es gab keinen Gehweg mehr. Alles war zugewachsen, Unkraut, Schilf und Gestrüpp versperrten uns den Weg. Mit Mühe kamen wir wieder an den Dorfrand zurück, gingen bis zum Katzengraben und von da aus in den Oberwinkel. Dort bot sich uns das gleiche Bild des Verfalls, nur in der oberen Hälfte der Straße gab es noch gepflegte Häuser. Da wollten wir es nochmals versuchen, ein wenig weiter ins Feld hinein zu gehen, aber auch da gab es kein Durchkommen. Es war sehr warm an dem Tag und wir hatten großen Durst. Da fiel uns ein, dass am Dorfende noch Michael Faff wohnt. Unser Sohn meinte Herr Faff habe gutes Wasser in seinem Brunnen. Doch so einfach war es nicht, denn das Tor war verschlossen. Wir klopften und gleich sprangen bellend zwei große Hunde an das Tor und Türchen. Da stellten wir fest, dass es eine Klingel gab und da öffnete uns Herr Faff. Die Freude war groß, endlich einen bekannten Menschen zu treffen, mit dem man sprechen konnte. Er holte uns auch gleich eine Flasche frisches Wasser vom Brunnen und wir konnten unseren Durst mit Genuss stillen. Nachher gingen wir noch durch das Winkelchen, aber auch da stand nur noch ein einziges Haus, die anderen Häuser waren wie vom Erdboden verschwunden. Am anderen Tag gingen wir in die Weihergasse, um auch mein Elternhaus noch einmal zu sehen, aber auch dort war das Tor abgeschlossen. So gingen wir weiter, in die Richtung wo die Rumänen wohnen. Dort hatten wir Glück. Vor dem Haus, wo früher das Entbindungshaus war, saßen ein Paar rumänische Frauen und Männer, die alle in unserem Alter sind. Sie waren alle schwarz gekleidet, sahen alt aus und sagten uns, dass sie am Tag zuvor die Frau vom Cirlan beerdigt hätten. Sie umarmten uns alle und sagten: "Ihr sollt wissen, das Dorf und das Feld weint um Euch Sachsen". -Ja, sagte ich, nicht nur das Feld und das Dorf, auch der Wald steht da, als würde er Tränen weinen! Von dort aus gingen wir den Zöllnergraben hoch, um von da aus auf den Friedhof zu gelangen. Auf diesem Weg wollten wir nun endlich auch das Feld näher betrachten, aber auch hier trauten wir unseren Augen nicht. Fast überall wuchs nur Gras und Unkraut. Da fragten wir uns, brauchen denn die Leute nichts zu essen? Früher haben wir doch fast ausschließlich nur von diesem Grund und Boden gelebt. In den Jahren nach der Enteignung haben wir doch den Zigeunern unseren eigenen Boden um die Hälfte der Ernte bearbeitet. Nun sitzen sie alle vor den Häusern auf der Bank oder auf der Erde und einige halten sogar die Hände auf, wenn wir an ihnen vorbei gehen. Vom Feld gingen wir dann auf den Friedhof, an den Ort wo nur noch die Grabsteine von unseren Lieben, als stumme Zeugen, dastehen. Es war sehr schön und sonnig an dem Tag, wir hatten von dort aus einer schönen Aussicht, bis hinüber zur Flachsau, in den Grundgraben, in die Alte Au, und auf die Föhren auf dem Zigeunerberg. Alles schien so klar und so nah, und auf einmal doch so weit, denn auf einmal reihten sich die vielen Jahre aneinander, die vergangen waren seit wir von zu Hause fort sind. Wie doch alles so vergänglich ist, wie schnell die Zeit vergeht, und mit der Zeit auch wir. Wir kamen nach Hause, aber nicht mehr von „zu Hause".

Katharina Filippi, geb. Melchior (Lengende) (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 10, Januar 2005)

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