Nach 54 Jahren

17. Februar 2008

Nachrichten aus dem Heimatort

Im Dezember 1951 habe ich, gemeinsam mit meinen Brüdern, damals 12 und 19 Jahre alt, Deutsch Tekes verlassen.
Im Zuge einer vom Roten Kreuz organisierten Familienzusammenführung konnten wir nach Deutschland ausreisen. Weil unser Vater nach Kriegsende in Sachsen lebte, fuhren wir dorthin. Von Rumänien und Siebenbürgen hatte ich bis dahin nur mein Heimatdorf und seine weitere Umgebung kennengelernt. Reisen nach Rumänien in den sechziger Jahren hatten mich nur in mein Heimatdorf geführt. Erst 2005 konnte ich, gemeinsam mit meinem Ehemann, eine Rundreise durch große Teile Rumäniens machen und meinen Wunsch, mehr vom Land kennenzulernen, erfüllen. Ich konnte etwas von dem sehen, was ich in Geschichte und Erdkunde gelernt hatte. Die Schönheit meines einstigen Vaterlandes hat mich tief beeindruckt. Als erste größere Stadt lernten wir Klausenburg kennen. Von dort ging es über Bistritz nach Gura Humorului. In der Umgebung besichtigten wir die berühmten Moldauklöster, die uns durch ihre architektonische und farbliche Gestaltung sehr beeindruckten. Bis heute kennt niemand die Zusammensetzung der 500 Jahre alten Farben auf den Klostermauern. Nur auf der Wetterseite sind sie etwas ausgeblichen. Danach besichtigten wir die Städte Hermannstadt und Kronstadt. Von Kronstadt aus fand ein Ausflug nach Tartau statt. Dort stand im Mittelpunkt unseres Interesses die Besichtigung der größten und besterhaltenen Wehr- und Kirchenburg Osteuropas. Die dortige Kirche wird nur noch von wenigen, älteren Sachsen besucht. Der Pfarrer holt sie mit seinem eigenen Auto aus den Dörfern der Umgebung zum Gottesdienst. Sächsische Jugendliche und Kinder gibt es dort nicht mehr. Erwähnenswert ist auch die dortige Ausstellung siebenbürgischer Bauern- und Handwerkergerätschaften. Bei der Fahrt durch sächsische Dörfer habe ich schmerzlich feststellen müssen, wie viele Häuser, die einst von Wohlstand zeugten, dem Verfall ausgesetzt sind. Die Städte Klausenburg, Kronstadt und Hermannstadt machten einen sehr gepflegten Eindruck. Besonderen Eindruck machte Hermannstadt durch seine kulturellen Aktivitäten, wie das internationale Theaterfestival. In Kronstadt war es leider nicht möglich, die Schwarze Kirche zu besichtigen, die als größte gotische Kirche Südosteuropas bekannt ist. Nach all diesen schönen Erlebnissen in Siebenbürgen fand unsere Reise ihren krönenden Abschluss in Michelsberg, bekannt durch die Kirchenburg auf dem Michelsberg, mit der Michaelskirche, dem ältesten romanischen Sakralbau Siebenbürgens. Auf dem Weg zu den Wirtsleuten in Michelsberg kam uns eine Kuh- und Ziegenherde mit 2 Hirten entgegen, was mich so sehr an Tekes erinnerte. Nach einer bäuerlichen Mahlzeit, mit der typisch sächsischen Suppe, dem "Brüdelavend" und anderen Köstlichkeiten, darunter auch der selbstgebrannte Schnaps, "Zuika", schlossen Siebenbüirgisch-sächsische Lieder den Abend ab. Das Leben in Rumänien ist nach wie vor nicht einfach. Schon der Grenzübergang von Ungarn nach Rumänien war für uns, die wir kaum noch Grenzen kennen, ungewöhnlich. Alle Ausweise und Pässe der Mitreisenden musste der Reiseleiter einsammeln und den Grenzbehörden vorlegen. In Städten waren die Bettler nicht zu Übersehen, obwohl die Wochenmärkte mit großem Angebot auf sich aufmerksam machten. Wir waren erstaunt über die Vielfalt des Warenangebotes. Ein besonderes Lob gebührt unserem Siebenbürgisch-sächsischen Reiseleiter Horst Schuller, aus Zeiden, der durch gediegene Kenntnisse und freundliche Art sehr zum Erfolg der Rundreise beigetragen hat. Ich habe mich sehr gefreut, dass meinem Mann mein Heimatland mit seinen Sehenswürdigkeiten sehr gefallen hat. Vielleicht machen wir noch einmal eine Reise dorthin, um auch mein einstiges Heimatdorf Tekes zu besuchen.

Anna Gunkel, geb. Melchior (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 11, Januar 2006)

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