AUS ALTEN ZEITEN

28. März 2007

Sonstiges

Tekeser Räubergeschichten
Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist einmalig, denn kein Volksstamm hat als Minderheit seine Identität, in diesem Falle sein Deutschtum, über acht Jahrhunderte bewahrt. Leider neigen einige unserer Siebenbürger Sachsen dazu, unsere Vergangenheit zu verherrlichen, so, als gäbe es nicht auch Schattenseiten in der Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen.
Bleiben wir aber bei unserem Tekes. Oft sprechen, vor allem die älteren Tekeser von den "guten, alten Zeiten", wo Zucht und Ordnung herrschte. Auch in Tekes konnten unsere Sachsen sich aus den frühesten Zeiten nur so behaupten, indem sie ein geregeltes Gemeinschaftsleben führten, sowohl im Rahmen des öffentlichen, als auch des kirchlichen Lebens wo bestimmte Regeln und Verordnungen eingehalten werden mussten. Viele der Verordnungen sollten dafür sorgen, dass nicht gestohlen wurde, denn gerade unsere Bauern arbeiteten schwer und es dauerte lange bis jemand sich ein halbwegs ansehnliches Vermögen erwerben konnte. Es hat aber auch in Tekes aus frühesten Jahren, bis in das verflossene Jahrhundert Menschen gegeben, die sich auf unredliche Art bereichert haben. Hier geht es nicht darum Namen zu nennen, und dadurch jemanden zu kränken, dessen Vorfahren vor mehr als hundert Jahren zu denen gehörten, die man "Räuber" nannte. Auch in frühester Zeit gab es Gesetze gegen das Räubertum, aber die Strafverfolgung steckte noch in den Kinderschuhen. So ist auch in Tekes früher nicht nur von Zigeunern oder Rumänen, die ärmer waren als unsere Sachsen, gestohlen worden, sondern auch von Sachsen, die einzeln oder in kleinen Gruppen ihr Wesen trieben. Meist wurde Vieh, hauptsächlich Pferde gestohlen und in einer entfernten Ortschaft verkauft, oder irgendwo versteckt gehalten, und manchmal dem Eigentümer gegen einen Finderlohn oder ein Lösegeld zurückgegeben. Meist wurden Pferde gestohlen, weil man diese viel schneller vom Ort des Diebstahls entfernen konnte, ohne erwischt zu werden. Menschen, die sich damit beschäftigten, waren im Dorfe und auch in Nachbargemeinden meist bekannt, aber ihre Methoden zu stehlen waren so raffiniert, dass man ihnen nichts nachweisen konnte. Aber nicht nur Vieh wurde gestohlen, sondern auch in die Wohnungen eingebrochen. Dabei ging es um Geld. In den meisten Fällen wurde im Sommer eingebrochen, wenn die Menschen, müde von der schweren Feldarbeit, tief schliefen, und oft bei Leuten, die in letzter Zeit Vieh verkauft hatten und die Räuber hofften, an das Geld zu kommen.
Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen wurde bis heute viel erzählt, und es ist schwer wahre Tatsachen von Fantasie zu trennen. Nun, wie schon erwähnt, um niemanden zu kränken, soll hier doch eine wahre Räubergeschichte erzählt werden, wo der Räuber diesmal nicht ein Tekeser Sachse, sondern ein Rumäne aus Rumänisch Tekes war. Niedergeschrieben hat diese Geschichte ein Rumäne, loan CTrlan aus Rumänisch Tekes, in einem Büchlein, das im Jahre 1931 gedruckt wurde. Die Geschichte ist auch älteren Tekesern bekannt.
Ein gewisser Gherlanu aus Rumänisch Tekes, der mehrere Jahre in Tekes gedient hatte und die Leute und Verhältnisse in Deutsch Tekes gut kannte, wurde mit der Zeit zum bekanntesten Pferdedieb in seinem Heimatdorf und dessen Umgebung. Auf dem Hof Nr. 68/102 wohnte Ende des 19. Jahrhunderts, also um 1890 ein gewisser Michael Melchior, der von den Rumänen "Cäräusu" (der Fuhrmann) und den Sachsen der "rech Ondjersgarch" genannt wurde. Er war sehr reich und sein Hof glich fast einer kleinen Festung, in die man kaum eindringen konnte. Gherlanu setzte es sich zum Ziel, Melchior seine 4 schönen Pferde zu stehlen. Als Melchior, gemeinsam mit seinem Dienstknecht Bucur eines Abends mit einer Fuhre Heu nach Hause kam, lauerte der Räuber in einer dunklen Ecke. Als Melchior vom Wagen stieg um das Tor zu öffnen, schlüpfte der Räuber unbemerkt unter den Wagen, klammerte sich an die Längsachse des Wagens, und gelangte so in die Scheune, wo der Heuwagen untergebracht wurde.
Bevor Melchior zu Bett ging, kontrollierte er, wie jeden Abend, ob Tor, Türchen und die Viehställe verschlossen waren, denn zu der Zeit wurde immer wieder Vieh gestohlen. Gherlanu hatte aus der Scheune beobachtet, wohin Melchior die Schlüssel gehängt hatte. Als alle im tiefsten Schlaf lagen, machte sich Gherlanu an die Arbeit. Er nahm die Laterne und die Schlüssel, sperrte den Stall wo die Pferde waren auf. Den Dienstknecht Bucur band er mit zwei Halftern fest ans Bett und als dieser aufwachte, legte er ihm sogar einen Knebel in den Mund und bedrohte diesen so, dass er sich ruhig verhielt. Damit ja keine Gräusche durch die Hufeisen der Pferde entstehen konnten, wickelte er diesen die Hufe in Fetzen ein, holte sie aus dem Stall, schloss den Stall wieder ab, öffnete das Gassentürchen, legte Schlüssel und Laterne wieder an ihren Platz und verschwand mit den Pferden in Richtung Großer Wald. Der Nachtwächter war zu dieser Zeit gerade im Niederwinkel, und kein Mensch beobachtete ihn.
Am nächsten Morgen stellte Melchior zu seiner Überraschung fest, dass das Gassentürchen aufgeschlossen war. Misstrauisch ging er zum Stall, sah aber das dieser abgeschlossen war. Zu seiner Verwunderung war der Dienstknecht Bucur noch nicht aufgestanden. Er ging zu ihm und fand ihn gefesselt und mit einem Knebel im Mund. Nachdem er ihn befreit hatte, berichtete dieser ihm, dass ein Rumäne ihn gefesselt und bedroht habe, dann mit einer Laterne in den Stall gegangen sei. Mehr wusste er nicht. Melchior eilte zum Stall, schloss ihn auf und traute seinen Augen nicht, -die 4 Pferde waren weg. Ihm war es ein großes Rätsel, wie aus dem abgeschlossenen Stall die Pferde gestohlen wurden. Er wusste, dass Eile nötig war, wenn er seine Pferde noch finden wollte, bevor sie irgendwo in der Moldau gelandet waren. Er nahm sich seine Flinte, ging zum Pferderäuber Secärea nach Seiburg, erfuhr hier nichts und wurde zum obersten Räuber Graur nach Feimern geschickt. Kein Erfolg auch hier. Er war zu müde, um noch nach Schönau (heute Sona) zu einem gewissen Huzuelazu gehen. In einer schlaflosen Nacht erinnerte er sich an einen Gherlanu aus Rumänisch Tekes, der zu einem der Großen im Pferdediebstahl geworden sei. Am frühen Morgen macht er sich auf und findet Gherlanu, den er von einer Jagd kannte, auf der Viehweide. Er erzählt ihm was geschehen sei. Dieser tut sehr unschuldig, gibt aber eine etwas verlockende Vermutung zum Besten. Er meint, dass bald in Baraolt und Oderhei Viehmarkt sei. Wenn da Szekler die gestohlenen Pferde kaufen, sind sie in ein paar Tagen in der Moldau weiter verkauft und nicht mehr zu finden. Melchior glaubte den richtigen Mann gefunden zu haben und bot ihn 400 Forint. Gherlanu versprach, die Pferde zu suchen. Sollte er sie nicht finden, wollte er 350 Forint zurückgeben. Die Pferde waren in der Nähe von Rumänisch Tekes gut versteckt, in einem unzugänglichen Gebiet, wo ein Bach in den Alt mündete. Nach zwei Tagen stand Gherlanu mit den 4 Pferden vor Melchiors Tor. Als alter Mann hat er alles dem Autor des Büchleins erzählt. Ob alles was da geschildert wurde den Tatsachen entspricht, werden wir nie erfahren.
Tatsache ist, dass zu den Räuberbanden oft auch Hirten gehörten, die sich genau auskannten, meist auch den Diebstahl ausübten, dabei aber nicht viel verdienten. Der Löwenanteil ging an diejenigen, die sich mit dem raschen Verkauf der Pferde oder anderem Vieh beschäftigten. Oft hatten auch Wirtsleute die Hand im Spiel, wo bei einigen Gläsern Wein oder Schnaps die Pläne geschmiedet wurden. Eine andere Geschichte, wo es sich auch um den Begriff "Räuber" handelt, bezieht sich auf den "Räubergraben" und die sogenannte "Räuberstube" imTekeser Kleinen Wald. Der Räubergraben beginnt im kleinen Wald unterhalb des Buchhorns und mündet nach der Radelnbrücke in den kleinen Wiesenbach. Er führt sehr wenig Wasser, ist aber in seinem oberen Teil von dichtem Gestrüpp umsäumt. Seinen Namen hat er dadurch erhalten, dass in früheren Zeiten Räuberbanden ihr Diebesgut dort vorübergehend versteckten.
Die wahre Geschichte über die "Räuberstube", die es bis zur Zeit kurz nach dem 2. Weltkrieg im Räubergraben gab, werde ich im nächsten Heimatblatt erzählen. Hier sei aber noch eine andere Geschichte zu erwähnen, die bestimmt sehr wenige von unseren Ältesten noch kennen, die aber ein Hinweis ist auf das Räubertum in Tekes. Ein gewisser Mathiä (Hausnr. 179/26) geriet im 1. Weltkrieg in russische Gefangenschaft und arbeitete auf einem Bauernhof. Dort kam er mit ungarisch sprechenden Zigeunern ins Gespräch. Als diese von ihm erfuhren, dass er aus Tekes in Siebenbürgen kam, gaben sie sich als Mitglieder einer einstigen Räuberbande zu erkennen und nannten auch namentlich Tekeser Sachsen, mit denen sie vor dem Krieg zusammengearbeitet hatten. Kurz vor dem Krieg hatten sie 2 schöne Pferde und eine Kutsche aus dem Fogorascher Schloß auf ganz listige Weise gestohlen, diese in der Bahn verladen und bis in die Ukraine geschafft und dort verkauft. Der Krieg hatte sie in Russland überrascht und so konnten sie nicht mehr zurück nach Siebenbürgen, um dort ihr Wesen zu treiben. Mathiä hat diese Geschichte erst als alter Mann erzählt, um nicht in Tekes bei Angehörigen Anstoß zu erregen.
Alle diese Geschichten sollen nicht etwa beweisen, dass unsere Tekeser in der Vergangenheit unehrliche Leute waren. Aber Ausnahmen hat es auch unter ihnen gegeben, und das zu allen Zeiten.

Erwin Thot (Beitrag im „Heimatblatt der HOG“, Ausgabe 7, Februar 2002)

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