Der Thomasaltar, der in der evangelischen Großschenker Kirche A.B. im Harbachtal/Siebenbürgen/Rumänien im Chor steht......

„Der kaiserliche Reuter von der Bildhauerprofession ist….desertieret“

Wie der Großschenker Altar samt Madonna vor fast 300 Jahren eingeweiht wurde

Im April 2014 zeigte der Namenskalender von Martin Eichlers siebenbürgischem Bilderdienst eine in warmen Farben leuchtende Aufnahme des Altars der Großschenker Kirchenburg. Dazu gibt es eine historische Novelle des unvergessenen Dr. Erhard Antoni „DAS THOMASBILD“. Der Inhalt dieser Novelle wird im Folgenden u.a. kurz wiedergegeben. Die Kirchenburg von Großschenk im Harbachtal ist eine uralte riesige Marienbasilika, errichtet im Laufe des 13. Jahrhunderts, nachdem Mongolensturm 1241, die bereits bestehende Marienkirche zerstört hatte. Unser Ortspfarrer Peter Barth sagte etwa 1978, es sei ein Rätsel, wieso diese groß angelegte Kirchenburg einige Jahrzehnte nach dem Mongolensturm größer und gewaltiger als vorher dastand, wo doch sowohl in Schenk als auch in allen umliegenden Ortschaften die Zahl der Wirte, der wehrfähigen Männer, stark reduziert war und jede Ortschaft um den eigenen Wiederaufbau zu ringen hatte. Bis 1722 stand im Chor ein Altarschrein und darin eine schöne holzgeschnitzte Madonna, auf die am 2. Februar, dem Marientag, die Morgensonnenstrahlen fielen. Madonna und Jesuskind tragen goldene Kronen, und das Kind hält etwas wie einen Apfel- oder den Erdball – in der rechten Hand. Diese Madonnenfigur, diesen Altarschrein wollte Graf Kornis, der österreichisch-ungarische Gubernator aus Klausenburg haben. Und weil der Marktflecken Großschenk im Harbachtal, die Madonna erst nicht hergeben wollte, belegte er die Ortschaft mit sieben kaiserlichen Reiterkompanien. Diese bedrängten die Einwohner hart. Ihre Pferde zehrten das Heu auf, die Offiziere requirierten alle Lebensmittel und die Reiter stellten den Frauen und Mädchen nach. Einer nur, der Österreicher Veit Gruber, ein Maler und Bildschnitzer, zeigte im Hause des Stuhls-Chirurgen (hinter der Kirche) Johannes Georgii rücksichtsvolles Benehmen. Auch freundete er sich mit dem Sohn, mit Daniel Georgii an, der Colaborateur (Lehrer) an der Großschenker Stuhls-Lateinschule war. Diese Schule hatte der Königsrichter Martin Sutoris ins Leben gerufen. Die Bedrückung, verursacht durch die sieben Reiterkompanien, wuchs für die Großschenker, die sowohl Handwerker als auch Bauern waren, ins Unerträgliche. So rieten denn der Lateinschulrektor Stefan Kessler und sein Freund, der Königsrichter, die Madonna herzugeben. Pfarrer Petrus Hermann war dagegen, die Gemeinde somit gespalten. Mitte Juni wurde dann – vor 292 Jahren – die Madonna mitsamt dem Schrein sorgfältig in Leinen und Stroh verpackt und in einer Fünftagesreise von Rektor Kessler und dem Königsrichter Sutoris im Pferdegespann nach Klausenburg gebracht. Der Gubernator Kornis versprach nun den Abzug der Reiterkompanien. Auf der Rückfahrt hielten die beiden befreundeten Großschenker in Meschen an, um das Altarbild aus einer bereits abgetragenen katholischen Kapelle zu betrachten. Das Bildwerk gefiel beiden sehr. Es zeigte den Jünger Thomas, der neben Christus kniet und seine rechte Hand in Christi Seitenwunde legt, während die anderen Jünger rundum stehen. Im oberen halbrunden Teil sieht man Christophorus mit dem göttlichen Kind auf den Schultern vor gebirgiger Landschaft, wo rechts im Hintergrund anscheinend ein rumänischer Hirte in weißem Schafspelzmantel sitzt. Zwischen Mittenbild und Predella auf schmaler Leiste, die vierzehn Nothelfer, in deren Bereich noch in Meschen eine Hand „1524 fuerunt locustes“ eingeritzt hatte. Der Hann von Meschen wollte das Bild nicht verkaufen. Somit stand in Schenk der Altartisch bereits zwei Wochen lang leer da. Plötzlich geschah Erfreuliches: das Militär wurde bis auf eine Kompanie abgezogen. Und Johann Binder, der Meschner Ortsrichter, schickte die wohl verpackte Bildtafel nach Schenk nebst einem zornigen Brief, wo er über die Mediascher Herren herzog, weil die ihn wegen eigenmächtigem Kapellenabbau bestrafen wollten. 32 fl. (Floren) waren zu zahlen. Man trug das Bildwerk auf den Altartisch und Veit Gruber, der in Schenk bleiben durfte, sah, dass es für die geräumige, mit Pfeilern, Netzgewölbe und Seitenschiffen versehene Hallenkirche zu klein war. Der Bildschnitzer erbot sich, einen zusätzlichen Rahmen zu schaffen, fünf Medallions, Blumen, Rankenwerk und ein Bild für die Predella zu machen, nämlich Christi Geburt. (Dieses Bild muss später ausgetauscht worden sein, denn als man 1977 die braune Farbschicht über die Predella entfernte, entdeckte man die Brustbilder Christi, Marias und des Jüngers Johannes.) 100 fl. (Floren) stellte der Königsrichter dafür zur Verfügung, richtete in seinem Haus am Markt ein Zimmer als Werkstatt her und so kam seine sechzehnjährige Tochter Maria immer öfter dahin, um die Malerei und die Schnitzarbeiten zu betrachten oder mit Zeichnen dabei mitzuhelfen. Das schöne Mädchen mit blauen Augen und langen blonden Zöpfen war schon mit Daniel Georgii verlobt. Veit Gruber und Maria Sutoris fanden gefallen aneinander. Bei einem Nachbarschaftsausflug zur „Mänästire Sämbäta de sus“ – Kloster Sämbäta des Sus fiel Daniel in den Bach, musste seine Kleidung im Gebüsch trocknen lassen und die beiden, Veit und Maria, gingen Hand in Hand eigene Wege, bis man abends heimfuhr; der Lehrer Daniel Georgii tief verstimmt, der Königsrichter verdrießlich. Wenige Tage danach sollte der Altar übergeben und eingeweiht werden. Am Sonntagmorgen malte Veit Gruber ganz früh in Freud und Leid das Marienantlitz auf die Predella. Es waren die Züge der Königsrichtertochter Maria Sutoris. Er wusste, dass er als einfacher Soldat dieses Mädchen nie zur Frau bekommen könnte. Bei der Einweihungsfeier des neuen Altars war der Bildschnitzer verschwunden. Für immer . – Dr. Erhard Antoni schließt seine Novelle „Das Thomasbild“ folgendermaßen: „In der alten Matrikel heißt es: „Der kaiserliche Reuter von der Bildhauerprofession, so das Umwerk um den Altar verfestigt, ist noch denselbigen Tages, da er das Werk beendet, desertieret.“
Lilli Pelger

Abgeschrieben aus der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 14, vom 15.09.2014 Seite 11 – Kulturspiegel - von Dietmar Melzer

Frau Lilli Pelger

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