Bericht über das Urzellaufen in Großschenk/Harbachtal/Siebenbürgen 2018

Urzellauf 2018 in Großschenk/Harbachtal/Siebenbürgen/Rumänien

Fabian in Schenk ...
Fabian in Schenk
Vor einem halben Jahr wusste ich noch nicht von der Existenz der Siebenbürger-Sachsen, geschweige denn von ihren Sitten und Bräuchen. Ich war also voller Begeisterung als ich zum diesjährigen Urzellauf in Großschenk eingeladen wurde und gleich noch als Urzel bei dem Umzug mitzulaufen durfte. Nach einer kurzen Einführung in die jahrhundertealte Tradition von Wieland aus Großschenk fühlte ich mich bereit für das Event.
Beim Versammlungstreff bei den Gottschlings war mir aufgefallen, dass ich nicht der einzige nicht-Sachse oder nicht Großschenker war. Da waren ebenfalls Sachsen, Rumänen und Deutsche aus allen Ecken Deutschlands anwesend. Das hat mich als Neuling irgendwie erleichtert. Der Lauf startete Samstag morgens um neun Uhr und bereits von Anfang an herrschte eine fröhliche Stimmung in der kalten Winterluft. Bei den zahlreichen Krapfen- und Schnappsbewirtung auf der Straßen von den Großschenk, hat sich meine „Außenseiter-Schale“ schnell aufgelöst und schon fühlte ich mich recht wohl in meiner neuen Rolle als Urzel. Nur das Peitschenknallen in meiner Nähe machte mich nervös, aber ich dachte mir, wenn schon kleine Kinder mitmachen und rumpeitschen, kann es gar nicht so gefährlich sein. Dass auch Kinder und Jugendliche so rege mitgemacht haben hat mich positiv überrascht, da ich eigentlich nur Urzeln aus älteren Generationen erwartet hatte.
Als Sprachbegeisterter fand ich den Wechsel zwischen Rumänisch, Hochdeutsch und siebenbürgisch-sächsischer Mundart amüsant und beeindruckend, gleichermassen bei den Ansprachen des Narrengerichts, der Begrüßung des Bürgermeisters und des deutschen Botschafters in Rumänien. Der hohe Besuch machte mir klar wie wichtig und geschätzt diese Veranstaltung sein muss. Selbst das „Aussingen“ des Narrengerichts wurde zweisprachig gehalten. Für mich spiegelt diese sprachliche Koexistenz das erfolgreiche Zusammenleben der Siebenbürger-Sachsen in ihrer kulturell unterschiedlichen Umgebung wider. Als ich unter den Urzeln mitlief, dachte ich über das Aufrechterhalten der eigenen Sprache und Traditionen nach. In meiner Heimat Costa Rica, wie auch vielerorts auf der Welt, sind leider viele Traditionen der Globalisierung bzw. Modernisierung zum Opfer gefallen. Ich finde es also sehr bewundernswert, dass die Siebenbürger-Sachsen ihre Identität, Sprache und Bräuche über Jahrhunderte hinweg fast intakt bewahren konnten. Aber erstaunlicher ist für mich die Tatsache, dass sie heutzutage diese Traditionen durch Anpassung an neue Verhältnisse immer noch versuchen lebendig zu halten. Das Überleben einer Art bedarf der Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen, heißt es in der Evolutionslehre. Hier ist es auch nicht anders. Ich hoffe, dass der Urzellauf noch weiterhin stattfindet kann und jedes Jahr noch mehr neue Leute hinzukommen. Es war für mich eine große Ehre, beim Urzellauf 2018 teilnehmen zu dürfen und ich danke und gratuliere an dieser Stelle allen, die dieses gelungene Fest möglich gemacht haben.
Muchas gracias und auf ein nächstes Mal.

Fabián Monge Solano

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