Rückblick auf zwanzig Treffen

27. Dezember 2022

Mitteilungen der HOG

Ansprache beim 20. Petersdorfer Treffen in Bad Kissingen | 16. – 18. September 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste, Nachbarn, Freunde, liebe Petersdorfer,
ein herzliches Grüß Gott, Servus, Gandoch, schön, dass Ihr da seid.

Es ist sicher jedem, auch anhand der ausgestellten Bildercollagen, aufgefallen, dass wir uns heute, in dieser Form, zum 20. Mal wiedersehen. Das bedeutet 20-mal Erinnerungen aufleben lassen, 20-mal feststellen, wie schnell die Zeit vergeht und genau so oft wie viel sich von einem zum anderen Mal verändert hat. Vor 38 Jahren, Ende April 1984, fand unser erstes Treffen in Heidenheim statt. Eine lange Zeit. Zur Feier des Tages möchte ich einiges, von dem was war und wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat, Revue passieren lassen.

Zum ersten Mal trafen sich viele Petersdorfer in ihrer neuen Heimat, der Bundesrepublik Deutschland, beim ersten Mühlbacher Treffen, 1981 in Dinkelsbühl.

Dem folgten sechs Petersdorfer Treffen in Heidenheim, drei in Oberschleißheim, drei in Ulrichstein, drei in Petersdorf und heute sind wir zum fünften Mal hier im Heiligenhof, in Bad Kissingen.

Beim ersten Mühlbacher Treffen, im September 1981 in Dinkelsbühl, waren für Egon Altenburger zwei Dinge klar: zum Ersten, dass er, zusammen mit seiner Ehefrau, in der Bundesrepublik Deutschland bleiben und nicht mehr nach Petersdorf zurückkehren wird und zum Zweiten, dass er dafür sorgen wird, dass sich die Petersdorfer regelmäßig wiedersehen. Den Start hierfür organisierte er zeitnah. Der zweite Tag des Mühlbacher Treffens, der Sonntag, war der unsere. Alle anwesenden Petersdorfer trafen sich mittags in einer Gaststätte, wo wir zusammen aßen und die letzten Stunden des Wiedersehens verbrachten und genossen. Für dieses Vorhaben war Egon Altenburger kein Aufwand zu groß. Ein kleiner Beweis dafür ist die handgeschriebene Einladung zu unserem ersten Treffen.



Ohne Internet und die heute bekannten technischen Möglichkeiten, „nur“ mit sehr viel Zeit und großem persönlichen Einsatz. Zusammen mit den damals Aktiven, Mathias Pfaff aus München, Mathias Dengel, Johann Buchner und später Mathias Probsdorfer, um nur einige zu nennen, ist ihm das sehr gut gelungen.

Der Ablauf und das Programm unserer Wiedersehen waren ihm, dem ehemaligen Direktor des Kulturhauses in Petersdorf, ein großes Anliegen. Er versuchte, soweit es sich einrichten ließ, Gewesenes und Aktuelles zu verbinden, Veränderungen anzunehmen, denn sie sind, in den meisten Fällen, eine Bereicherung, bis heute. Nichts bleibt wie es war, das Leben geht seine eigenen Wege. Flexibilität war auch damals kein Fremdwort. Sich hier einzubringen und das was war nicht zu vergessen, die Daheimgebliebenen so gut es ging zu unterstützen, war ihm wichtig.

Fast jede größere persönliche Feier in Petersdorf begann mit einem Gottesdienst. Unsere Kirche und der christliche Glaube waren immer schon unser Mittelpunkt, unser zu Hause. Darauf wollten und wollen wir auch bei unseren Wiedersehen bauen. Auch heute durften wir zusammen Gottesdienst feiern.

Bei den ersten Treffen gestalteten diese die örtlichen Pfarrer, in den evangelischen Kirchen vor Ort. Danach übernahm viele davon Pfarrer Gerhard Thomke, zum ersten Mal als Gast 1992 in Oberschleißheim:

„De Legd pessperten sich nor:
Hust ta gehuiert, hegd pradicht as Harr Forr!”


Immer mal wieder bot sich die Gelegenheit beide Petersdorfer Pfarrer gemeinsam zu erleben, sowohl den aktuellen, Dr. Dr. Wolfgang Wünsch, als auch den ehemaligen, Gerhard Thomke.

2013 hatten wir die Freude Pfarrer Hans Fink aus Uttenreuth in unserer Mitte zu begrüßen. Auch er war Ende der 1990-er Jahre, bis 2001 Pfarrer in Petersdorf.

Eine weitere Wohltat war die Orgelbegleitung mit Pfarrer Hans Binder, ist jene mit Gundula Kellinger oder Dietmar Dengel. Ein großes Stück Vertrautheit kehrt(e) zurück. Die vertraute Stimme „unseres“ Pfarrers und der gemächlich-siebenbürgische Gesang der Lieder waren Balsam für die Seele. Viele Anwesende sangen und verfolgten die Predigt mit geschlossenen Augen. Ich behaupte zu wissen, woran sie dachten und wo sie in Gedanken gerade waren.

Einiges aus unseren Erinnerungen ist bis heute so geblieben, vieles hat sich verändert. Heute sind wir dankbar den Gottesdienst in den Räumen des Heiligenhofes zu feiern, der Weg zur Kirche wäre für einige Gäste beschwerlich und sie könnten nicht am Gottesdienst teilnehmen. Auch ohne Glockengeläut, so schön es auch ist, gelten die Worte: „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen!“

Hier, in diesen Räumen, begleitete uns heute zum wiederholten Mal, Pfarrer Wolfgang Lahoda auf unserem Glaubensweg.

Mittlerweile, lieber Wolfgang, ist uns Deine Stimme fast genau so vertraut wie jene von Pfarrer Gerhard Thomke. Ob das auf Deinen persönlichen Bezug zu Petersdorf zurückzuführen ist? Ich glaube nicht, denn schließlich sind wir offen für Neues und uns Regensburgern bist Du mittlerweile mehr als vertraut. Es ist schön Dich in unserer Mitte zu haben.

Ein weiteres besonderes Anliegen, für die Organisatoren unserer Treffen, und im Besonderen für Egon Altenburger, war die Musik, die bei den Treffen für Tanz und gute Unterhaltung sorgte. Schließlich hatte er einen besonderen Bezug zur Blasmusikkapelle unseres Dorfes. Seine Petersdorfer kannte er zu gut und wusste, dass wir gute Stimmung, das Tanzen und Singen mögen und die Geselligkeit in Gemeinschaft lieben und schätzen. Vertrautes sollte auch hier einfließen und für einige Stunden aufleben. Demzufolge waren die Musikanten bei den Treffen, seiner Tradition folgend, bisher fast ausschließlich aus Siebenbürgen und dem Banat. Damit wollte er auch ein Zeichen setzen, das Engagement der Musiker unterstützen, hier in Deutschland neu Fuß zu fassen und weiterzumachen.

Für mich nicht zu vergessen ist das strahlende Gesicht und die herzliche Umarmung von Egon Altenburger, als er Herbert Kellinger und seine Band begrüßen durfte. Schließlich kannte er diese Jungs von klein auf. Mehr, als erfreut waren er und wir alle über ihre Auftritte in Ulrichstein. Heimischer und vertrauter ging‘s fast nicht. Auch Walter Kellinger und Hans Pfaff Senior erfreuten uns oft mit ihrem Akkordeonspiel, ebenso Hans Pfaff Junior, als Teil der Band „The Poor Boys“, die bei den ersten Treffen aufspielte.

Michael Winkler, ein begeisterter Petersdorfer und Musikant, trat in Ulrichstein mit seinen hiesigen Musiker Kollegen aus Michelau und Umgebung auf.

Unsere Musikanten ließen sich nicht davon abbringen nach vorne zu schauen, sich hier und dort einzubringen und weiterzumachen.

Denn wie heißt es so schön:
„Musik verbindet“ oder „Mit der richtigen Musik kannst du alles vergessen oder dich an alles erinnern“.

Später bereicherten die „Siebenbürger Adjuvanten“, unter der Leitung von Peter Dengel unsere Treffen. Krankheitsbedingt mussten sie den heutigen Auftritt kurzfristig absagen. Erwähnen möchte ich auch Werner Roth und die „Akustik-Band“, die ebenfalls für gute Stimmung sorgte und das Duo „ol-raund“ mit Rick und Sim. Alle haben unsere Wiedersehen zu musikalisch-unterhaltsamen Stunden werden lassen. Heute, jetzt dann, freuen wir uns ein weiteres Mal auf ein musikalisches Feuerwerk und „Schlagerzeit“ mit Jakob, Sigmund und Dietmar. Es wird sicher wieder ein stimmungsvoller Abend.

Leider musste sich Egon Altenburger viel zu früh, im September 1995, ein Jahr nach unserem sechsten Treffen, für immer aus unserer Mitte verabschieden.

Pfarrer Gerhard Thomke wurde sein Nachfolger.

Einmal mehr bestätigte sich, wie nahe sich Kirche und Kultur stehen.

Der Vorstand der HOG Petersdorf wurde zeitnah mit Brigitte Stenger, Konrad Kirr und einigen der heute Aktiven erweitert. Weitere Vorstandsmitglieder kamen in den folgenden Jahren hinzu und sind bis heute eine Bereicherung für uns alle.

An dieser Stelle möchte ich auch an die vielen freiwilligen Helfer unserer Treffen vor Ort erinnern. Ohne diese fleißigen, hilfsbereiten Hände wäre einiges nicht so glatt gelaufen. Das sind die Petersdorfer in und um Heidenheim, jene in Oberschleißheim, Obermenzing und Münchens Umkreis, jene in Michelau, Kefenrod, Feldatal, Büdingen und Umgebung und die vielen helfenden Hände in Petersdorf.

Erwähnenswert sind die drei Wiedersehen in unserem Heimatort Petersdorf, sie waren was Besonderes. Hautnah und deutlich durften wir erleben wie sehr sich, nicht nur unser Leben hier, sondern auch jenes in unserem Heimatort, in nur knapp zwanzig Jahren verändert hatte. Gott sei Dank positiv. Auch Petersdorfs Weg ist ein neuer. Die Petersdorfer vor Ort, Deutsche und Rumänen, sind ein einheitliches Ganzes. Ohne dieses optimale Zusammenleben hätten diese besonderen Treffen nicht zustande kommen können. Dabei denke ich an unsere Kirche, deren Renovierung und Wiedereinweihung wir 2005 gefeiert haben, das gemeinsame Denkmal, zur Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege, der Revolution 1989 und der Russland-Deportation, vor der orthodoxen Kirche in Petersdorf und schließlich das schöne Fest 2009, als wir Petersdorf feierten, 700 Jahre seit seiner ersten urkundlichen Erwähnung.

Nicht zu vergessen ist die Blasmusikkapelle, die nach wie vor die musikalische Tradition Petersdorfs weiterführt.

Leben ist Veränderung. Das war so, ist so und wird es auch bleiben.

Erinnerung ist das eine, die Jahre in Siebenbürgen haben uns geprägt, bleiben ein Teil von uns. Neues kommt hinzu, bereichert uns, lässt uns das Leben auf eine andere Art genießen, bewältigen und daran teilhaben. Treffend finde ich das Motto des heurigen Heimattages in Dinkelsbühl: „Wurzeln suchen, Wege finden!“ Schließlich haben wir uns von Siebenbürgen, auf eigenen Wunsch „entwurzelt“, um hier neu Fuß zu fassen. Auf die vertraute Gemeinschaft, Freunde, Nachbarn, Verwandte zu verzichten fiel uns allen nicht leicht, vor allem zu Beginn des neuen Weges. Ein neues zu Hause zu finden war eine große Aufgabe. Einige Male sind viele von uns umgezogen, bis wir schließlich angekommen sind, da wo wir heute, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Hause sind.

Der deutsche Staat und viele Menschen, Bekannte, Verwandte, Freunde aber auch fremde, neue Menschen standen uns zur Seite, nahmen uns bei der Hand und haben geholfen. Sie sind Teil unseres persönlichen, neuen Weges. Auch daran erinnern wir uns, gemeinsam oder jeder für sich.

Beginnend mit den 1970-er Jahren und vor allem Anfang den 1990-er Jahre, nach dem Mauerfall, standen die meisten von uns am Anfang dieses neuen Weges. In dieser Zeit waren unsere Heimattreffen ein Segen. Eigene, neue Erfahrungen in persönlichem Austausch zu empfangen und weiterzugeben waren oft eine Hilfe aus erster Hand. Sie konnten einige Schritte des neuen Alltags erleichtern. Was uns geblieben ist und immer noch prägt das ist unsere Tradition und der Sinn für Gemeinschaft, im Kleinen wie im Großen. Nicht selten werden wir geschätzt dafür. Ein Teil des Ganzen zu sein, einander anzunehmen, zu helfen und zu feiern, das tat gut und tut gut. Von solchen Stunden lässt sich zehren, immer wieder. Früher, in den 1980-er und Anfang der 1990-er Jahre beschränkte sich ein solches Zehren, aus Kostengründen, auf kurze Sonntags-Telefonate oder jene nach 18 Uhr während der Woche. Trotzdem ließen wir es uns nicht nehmen. In Verbindung zu bleiben, Freundschaft zu pflegen war uns immer schon ein Anliegen.

Kein Vergleich zu heute. In Bruchteilen von Minuten werden Nachrichten und Fotos geteilt und weitergeleitet, sind aber kein Ersatz für den persönlichen Kontakt.

Auch deswegen sind wir heute hier.
Die Zeit hat vieles verändert.

Die Veränderungen haben wir nicht nur wahrgenommen, sondern auch angenommen. Jeder hat inzwischen sein eigenes soziales Netzwerk, in dem er sich hoffentlich gut aufgehoben fühlt. Viele von uns besuchen Petersdorf regelmäßig, andere ab und zu und einige eher selten.

Es bleibt jedoch für jeden in seinem tiefsten Inneren erhalten. Auch für unsere Kinder und Enkel, die in Deutschland geboren sind, ist es ein Begriff, der zu ihnen gehört.

An dieser Stelle ein DANKE an die junge Generation die unsere „siebenbürgischen“ Werte aufrecht erhält.

Die Erinnerungen an Petersdorf sind für jeden von uns eine Bereicherung, Freude und ein Teil von uns selbst. Oft lauten sie so:

Ech eranneren mich un dai vergongan Johr,
wai et bei den Trefen holdiest wor,
wunn em derloingst stigd uch segt,
wai se sich begehnen de Legd.
Nemest kung sich dai Froden vuirstallen,
wunn sich Komeroten an de Ormen follen,
mat Zehren an Uen sich gestohn:
„Woll hiesch, dot mir as wedder sahn!
Erannerst ta dich un dai Zegd,
da turften as net sahn, de Legd,
wunn mir of dem Kierschenbungm, beim Nober,
schmissen de Kierschen, den Komeroten uewen.
Wai mir bespratzen sen gongen um Uisterdoch,
gebuet hun an der Kluisterboch,
of der Hochzet beim Hans uch beim Sinn
anloden gongen sen an de Geming,
Fußball gespilt hun angderm Sting
Schlitchen gefueren sen, nackest aling!
Et klaingd ollest wai en hiesch Gesang,
cha, damols woren mir nuch jang!
Dot wor dai gat old Zegd
uch wot muchst ta hegd?”
“Ech dunken asem Harrgott fuir den Wiech,
dien hie as uch hai dailich ziecht.
Hie hut as aingden begligd,
am dot digd et mir am guer nast ligd.
Kin Pitersdruf fueren mir holdiest hingmen,
uch Detschlungd, dot as hegd as Hingmet!”

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Dr. Michael Kroner, einem bedeutenden siebenbürgisch-sächsischen Historiker:

„Das aufnahmefreudige und hilfsbereite Mutterland ist für uns zum Vaterland geworden, dem wir uns als dankbare Bürger verbunden fühlen.“

Karin Frühn

Aus: Petersdorfer Nachrichten 2022, erhältlich bei Karin Frühn

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