Der Fürstenbrunnen

Zwischen Pruden und Zendersch liegt unterhalb des Waldes ein entlegener Winkel - „Klesdaul“ (Kiestal) genannt -, wo sich eine fliessende Quelle befindet, die von den Prudenern als Fürstenbrunnen bezeichnet wird. Hier hielt sich früher viel Wild auf, und oft kamen hierher Jäger, um zu jagen. Einmal veranstaltete hier ein Fürst eine grosse Jagd, zu der er viele Adlige einlud, darunter auch einen armen Grafen, der seiner schönen Tochter den Hof machte. Das Mädchen hatte sich gleichfalls in den jungen Mann verliebt und wollte unter keinen Umständen von ihm lassen, wiewohl ihr Vater alles in Bewegung gesetzt hatte, um das Liebesglück der beiden zu zerstören. Als sein Bemühen ohne Erfolg blieb, warb er Mörder, die den Grafen während der Jagd meuchlings ums Leben bringen sollten. Als der Graf allein zur Quelle im „Klesdaul“ ritt, vom Pferd stieg und sich bückte, um Wasser zu trinken. trat einer der gedungenen Mordgesellen aus dem Busch hervor und stiess dem Trinkenden einen Dolch in den Rücken: Der Mann blieb tot an der Quelle liegen. Der Mörder bekam nach vollendeter Tat sein Blutgeld vom Fürsten, der überaus froh war, den nicht standesgemässen Liebhaber seiner Tochter aus der Welt geschafft zu haben. Nach der Jagd fragte das Mädchen seinen Vater, wo der junge Graf denn geblieben sei, da er noch immer nicht komme. Der Fürst erklärte ihr, dass er nichts über seinen Verbleib wüsste. Doch das Mädchen erfuhr, was draussen im Wald geschehen war. Sie eilte rasch zum Brunnen und fand dort ihren toten Geliebten. Vom Schmerz überwältigt, legte sie sich neben den Toten, zog den Dolch aus dessen Leib und stiess sich ihn ins Herz. Als der Fürst das Verschwinden seiner Tochter entdeckte, liess er sie, sofort überall suchen. Endlich brachte man ihm die Nachricht, dass sie tot neben dem ermordeten Grafen liege. Da wurde der Fürst traurig. Nach einigen Tagen liess der vom Schmerz über den Tod seiner Tochter gebrochene Fürst alle Väter von erwachsenen Kindern zu sich rufen und erzählte ihnen die Geschichte seiner Tochter und das von ihm an ihr begangene Verbrechen. „Begreifet, ihr Männer, was aus Liebe und Liebesschmerz entstehen kann“ sprach er abschliessend. „Lasset daher euren Kindern die Wahl, sich ihre Lebenspartner selbst auszusuchen und zwinget sie nicht, unglücklich zu sein!“ Seit dieser traurigen Begebenheit heisst jene Quelle zwischen Pruden und Zendersch Fürstenbrunnen.
Aus: „Neuer Weg“, vom 4. Juli 1987

Bearbeitet: Lukas Geddert

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