Eintrag Nr. 7723

18.08.2007, 21:17 Uhr

Lukas Geddert [info[ät]zrs-geddert.de]

Vergangenheit und Gegenwart
Wiedereinweihungsfest des Evangelischen Kirchenbaus in Pruden,
Seine Großmutter hatte ihm das Samtkissen gezeigt, auf dem der Schlüssel gelegen hatte, mit dem der Bischof (der Evangelischen Kirche A.B., damals in Siebenbürgen) 1906 die neugebaute Kirche aufgeschlossen hat, erzählt Michael Dengel. Er ist in Pruden geboren und wanderte von dort 1969 nach Deutschland aus. Michael Dengel gehörte zu den über vierzig Prudnern, die am Peter¬und Pauls-Tag (am 29. Juni) in ihr Heimatdorf gekommen waren, um 100 Jahre nach der Einweihung des Kirchengebäudes, an dessen Wiedereinweihung teilzunehmen. Das Samtkissen ist verloren gegangen, die Kirche steht offen. Die Weihung wurde wiederum vom Bischof (der Evangelischen Kirche A.B., nun in Rumänien), D. Dr. Christoph Klein, vorgenommen. In einer Feier, in der Tradition und Gegenwart ineinander flossen.
Pruden/Prod liegt 6 Kilometer unasphaltierte Straße von Halvelagen/Hoghilag entfernt (das sich zwischen Schäßburg/Sighişoara und Elisabethstadt/Dumbrăveni befindet), in einem von schönen Laubwäldern umgebenen Seitental der Großen Kokel/Târnava Mare. Es war stets ein kleines Dorf. 148 Hausnummern und rund 600 Einwohner hatte es in guten Zeiten, denn die Prudner waren kinderreich, fand Horst Leutner, der HOG-Vorsitzende heraus. Es war ein „sächsisches" Dorf, d.h.. hier wohnten mehrheitlich Siebenbürger Sachsen, und die paar Rumänen und Zigeuner, die es vor dem Zweiten Weltkrieg da gab, sprachen ebenfalls Sächsisch. Eine siebenbürgisch-sächsische-evangelische Gemeinde gibt es heute in Pruden nicht mehr. Das letzte Mitglied wurde Anfang der Neunzigerjahre ins Altenheim in Hetzeldorf/Aţel gebracht. Dem Ort hat sich jedoch eine evangelische Gemeinschaft aus dem Bundesland Sachsen angenommen. Als „Neu¬-Prudnern" bezeichnen die „Alt-Prudnern" die Sachsen aus Sachsen.

Im Mai 1998 haben die „Neu-Prudner" das evangelische Pfarrhaus - es diente bis 1972 als Pfarrerwohnung und wurde bis 1990 als Pfarrhaus genutzt - vertraglich übernommen, im Hof Kastanien gepflanzt und mit dem Renovieren begonnen, erzählte uns Caroline Friedrich. Die Familien Friedrich - Caroline und Hartmut - und Nötzold - Ute und Harald - sind die Initiatoren und Hauptträger des Projekts (würde man im heutigen Jargon sagen). Ihnen dankte Pfarrer Gottfried Vogel im Rahmen des Gottesdienstes stellvertretend für alle, die zur Umgestaltung des Pfarrhauses in ein Rüstzeiten-Heim und zur Renovierung der Kirche beigetragen haben. Dank richtete Pfarrer Vogel desgleichen an den orthodoxen Pfarrer von Pruden, Ioan. Adrian Cioca, und das Presbyterium der orthodoxen Gemeinde sowie den Bürgermeister und Vizebürger von Halvelagen (wohin Pruden verwaltungsmäßig gehört).

Die „Neu-Prudner" kommen aus der Gegend von Zwickau und sind in keinem Verein organisiert. Der Vorteil: Jede Spende wird direkt eingesetzt und es gibt keine Bürokratie. Sie seien der „Freundeskreis Pfarrhaus Pruden" unter dem Dach der evangelischen Kirche, sagten sie uns. Sie wollen hier was tun, was Neues ausprobieren. Und das geschieht so: Seit 8 Jahren kommen 3 bis 4 mal im Jahr Gruppen aus Sachsen für 1-2 Wochen nach Pruden, nehmen dafür Urlaub, zahlen Fahrt und Kost, und arbeiten unentgeltlich. Was sie geleistet haben ist erstaunlich. Zu Pfingsten 1999 wurde das Rüstzeiten-Heim vom damaligen Dechanten Johannes Friese als „Lutherhaus Pruden" geweiht. Friese kam selbst aus Sachsen, war 12 Jahre lang Pfarrer in Rauthal/Roandola und hatte den Brüdern das Pfarrhaus im August 1991 gezeigt. Die hatten es sofort ins Herz geschlossen und die Spendenaktion gestartet. Die lief so gut, dass sie 2000 und 2001 das Dachgeschoss ausgebaut haben, wodurch das Haus geräumiger geworden ist. Im August 1998 aber feierten die Aufbau¬ Rüster erstmals in der Kirche, die seit Juni 1990 nicht mehr genutzt wurde, Gottesdienst. Zu Ostern 2000 begann man dann die Kirchenreparatur und zwar mit der Turmsanierung. Die Instandsetzung umfasste außer der Erneuerung der Innen- und Außenfassade den Einbau der elektrischen Leitung, die Restaurierung des Altars und zuletzt der Orgel. Letzteres geschah in der Orgelwerkstatt von Hermann Binder in Hermannstadt, unter maßgeblichem Mitwirken von Peter Sandor und Szabolcz Balint. Die Kirche sei nicht wiederzuerkennen, sagten viele, die ihren desolaten Zustand Mitte der 90er Jahre gesehen hatten.
In der 1906 eingeweihte Kirchen, so wusste Pfarrer i.R. Wolfgang Rehner und Bibliothekar im Teutschhaus zu berichten, sei zu Weihnachten 1903 der erste Gottesdienst gefeiert worden. Warum zweieinhalb Jahre verstrichen bis zur Einweihung? Es war nicht die einzige unbeantwortete Frage aus der Geschichte des Dorfes und seiner Gemeinschaft. Die Geschichte stellte Pfarrer Rehner vor anhand des 1868 beginnenden Gedenkbuches von Pruden und der von Archivarin Liliana Popa und Dr. Wolfram Theilemann, dem Leiter des Kultur- und Begegnungszentrums Friedrich Teutsch (in dem sich bekanntlich das Zentralarchiv der Evangelischen Landeskirche befindet) herausgesuchten Archivalien. Zusammenfassend hier nur: Pruden wurde urkundlich erstmals 1348 erwähnt, wird 1500 als freies sächsisches Dorf geführt und erhielt 1508 einen Steuernachlass wegen Kirchenbau - vermutlich wurde damals die Kirche zu einer Kirchenburg befestigt.
Mitte des 19. Jahrhunderts befanden die Prudner die Kirche als zu klein, gründeten 1859 einen Kirchenbaufond, aus dem dann jedoch Kredite vergeben wurden für die auf der Suche nach Arbeit nach Amerika Reisenden, bis schließlich Pfarrer Friedrich Ernst 1902 den Kirchen- und im Jahr danach den Turmbau fertig brachte.

An Stelle der alten Kirchenburg steht also seit 100 Jahren eine neue Kirche und die war letzten Donnerstag zu klein für die zahlreichen Gottesdienstteilnehmer. Der Gottesdienst wurde weitgehend zweisprachig gehalten, denn teilgenommen haben außer den Alt- und den Neu¬ Prudnern auch zahlreiche Mitglieder der orthodoxen Gemeinde. Zur musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes hatten Mitglieder des Kirchenchors aus Schäßburg und Malmkrog/Mălancrav unter der Leitung von Theo Halmen, Hans Wolff und Christiane Lorenz, die Organisten Erhard Franke (Deutschland) und Theo Halmen (Schäßburg), der Trompeter Tobias Laub (Zwickau) und der von Heidi Eilzer und Dorothea Hultsch - ursprünglich Deutschland - geleitete Kinderchor aus Malmkrog beigetragen. Wohlklang beim gemeinsamen Musizieren wundert niemanden, schön aber ist es, wenn „Harmonie, wie man sie sich nur wünschen kann", so Caroline Friedrich, auch im Dorf herrscht. Zu Ostern hatten sie mit der orthodoxen Gemeinde besprochen, den 100 Jahren seit der Einweihung der Kirche mit einem Wiedereinweihungsfest zu gedenken und alles hat geklappt: Die orthodoxe Gemeinde hat das Dorf für den Festtag hergerichtet und das Essen vorbereitet. Nach dem Gottesdienst hatte es den mittlerweile auch hier eingeführten .,Kirchenkaffee" gegeben mit Fassbrause aus Sachsen und Striezel aus Siebenbürgen, und neben den „Rostern" aus Sachsen gab es „mici" aus Mediasch. Ebenso erfreulich ist, dass zwischen den Alt- und den Neu-Prudnern Harmonie herrscht. Die lose organisierte Heimatortsgemeinschaft unterstützt die Neu-Prudner bei den Restaurierungsmaßnahmen so gut sie kann und man lädt einander ein zu Vorstellungen des Projektes.
Warum erhalten wir unsere Gotteshäuser auch dort, wo keine Gemeinde derer mehr vorhanden ist, die einmal dort waren, hatte Bischof D. Dr. Christoph Klein in seiner Predigt einleitend gefragt. Gotteshäuser müssen nicht mehr Versammlungsorte, sondern sie können auch Herbergen sein, in die man zurückkommt zu bestimmten Gelegenheiten. Insbesondere zu Begegnungen, wie an diesem Peter- und Paulstag.
Text Hannelore Baier / Schäßburg

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