Josef Barth: Vom Autodidakt zum Nestor der siebenbürgischen Botaniker

Josef Barth:
Vom Autodidakt zum Nestor der siebenbürgischen Botaniker
Josef Barth, geboren vor 175 Jahren, am 19. Oktober 1833 in Tobsdorf, gehört zu den bedeutenden Botanikern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Siebenbürgen. Ohne fachliche Vorbildung begann er sich ab 1860 als Autodidakt der Erforschung der heimischen Pflanzenwelt zu widmen. Aus eigener Kraft und durch außergewöhnlichen Fleiß gelang es ihm, sich so umfassende Kenntnisse über die Flora Siebenbürgens zu erwerben, dass er schließlich zum Nestor der siebenbürgischen Botaniker wurde. Durch seinen regen Pflanzenaustausch mit ausländischen Pflanzentauschvereinen und namhaften europäischen Botanikern erreichte er als solcher internationalen Ruf.
Im weinberühmten Tobsdorf bei Birthälm wurde Josef Barth am 19. Oktober 1833 als Bauernsohn geboren. Nach Abschluss der Ortsvolksschule verließ er mit 13 Jahren sein Heimatdorf, um sich als Subalterner (Lehrergehilfe) in den Volksschulen von Baaßen, Großprobstdorf und Hetzeldorf für den Besuch eines Seminars vorzubereiten. Mit nur geringen wissenschaftlichen Kenntnissen bezog er im September 1850 das Prediger- und Lehrerseminar in Mediasch. Mit viel Fleiß und Willenskraft eignete er sich die fehlenden Kenntnisse an und legte 1854 die Matura mit besten Ergebnissen ab. Im September dieses Jahres wurde Barth Schulrektor in Meschen und 1856 zum Volksschullehrer nach Mediasch berufen. 1861 erfolgte seine Wahl als Pfarrer nach Kleinprobstdorf und 1864 schließlich nach Langenthal bei Blasendorf, wo er als solcher bis zu seiner Pensionierung (1905) verdienstvoll wirkte. 1866 wurde Barth Mitglied des „Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt“.
Pfarrer und Botaniker in Langenthal
Bereits als Lehrer in Mediasch begann Barth, vor allem aus gesundheitlichen Gründen, regelmäßig Wanderungen in die Umgebung seines Wohnortes durchzuführen und dabei auch Pflanzen zu sammeln. Diese Leidenschaft verstärkte sich wesentlich in Langenthal, nachdem ihn der in Wien lebende Botaniker Dr. Ferdinand Schur, der Verfasser der „Enumeratio plantarum Transsilvaniae“ (Wien 1866), immer wieder um bestimmte siebenbürgische Pflanzenbelege zur Nachbestimmung bat. Schur war es dann, der Barth durch seine schön präparierten siebenbürgischen Pflanzenbelege zunächst in Wien und danach auch bei Botanikern und Pflanzentauschvereinen in Deutschland und anderen Ländern Europas bekannt machte. Mit diesen begann Barth alsbald einen regen Pflanzentausch und lernte eine Reihe von namhaften europäischen Botanikern kennen. Durch diesen intensiven Pflanzentausch erhielt er nicht nur viele europäische Pflanzenbelege aus diesen Ländern als Vergleichsmaterial, sondern bekam von seinen Tauschpartnern für seine Pflanzenbelege auch die notwendige botanische Fachliteratur, die er sich aus finanziellen Gründen nicht kaufen konnte. So wuchs sein „Herbarium normale“ zusehends, bestand schon 1880 aus etwa 20 000 Pflanzenbelegen und gehörte somit schon damals zu den wertvollsten Pflanzensammlungen Siebenbürgens.
Der Botaniker Josef Barth (1833-1915)Jedoch nicht nur sein Herbarium, sondern auch seine Familie war beständig gewachsen und zählte schließlich 14 Kinder. Da gab es für den Familienvater immer wieder auch Sorgen finanzieller Art zu bewältigen, die das Einkommen des Pfarrers einer mittelgroßen Gemeinde nicht abdecken konnte. Da war Abhilfe notwendig. Diese meisterte Barth teilweise durch den Verkauf von Herbarbelegen, andererseits konnte er in guten Lesejahren auch durch den Weinhandel ein Zubrot verdienen. Über manches Ungemach – auch in der Familie –, half ihm seine Liebe zur Natur und ihrer Pflanzenwelt hinweg. Zufrieden und glücklich kehrte er von seinen Ausflügen und größeren Exkursionen, die er in alle Teile Siebenbürgens durchführte, in sein Heimatdorf zurück und widmete sich mit viel Freude dem Bestimmen und Präparieren der gesammelten Pflanzenschätze.
Erwähnenswert ist, dass auch andere siebenbürgische Naturwissenschaftler, wie Julius Römer und Karl Ungar, ihr beständiges Interesse an der Erforschung der Pflanzenwelt Siebenbürgens Barth verdanken. Diesbezüglich schreibt Römer in seinem Beitrag „Mein Weg zur Botanik“ (1926): „Während eines gemeinsamen Ausfluges (1877) in das Zaizontal nordöstlich von Kronstadt machte mich Barth mit zahlreichen, mir noch unbekannten Gebirgspflanzen bekannt und erweckte durch seine Begeisterung für die Schönheit und Besonderheit unserer heimischen Flora in mir von neuen die fast völlig erstickte Freude an der Botanik. Auch das Versprechen, ihm von der Zinne und dem Kleinen Hangestein Material für seinen botanischen Austausch zu schicken, hielt ich gerne. […] Von Barth hierzu angeregt, fasste ich schließlich den Vorsatz, die nur zum Teile erforschte Flora der Burzenländer Berge zu studieren und bekannt zu machen. […] Das Beispiel Barths hatte mich auch zur Anlage eines eigenen Herbariums und zum Pflanzenaustausch veranlasst, der zuletzt bis nach Nordamerika reichte.“
Zu den Pflanzenarten, die Barth erstmals für Siebenbürgen festgestellt hat, gehören die Nabelnuss (Omphalodes scorpioides, 1861), die für Siebenbürgen seltene Sibirische Kreuzblume (Polygala sibirica, 1866) und Haynalds Fingerkraut (Potentilla haynaldiana, 1882, nur im Parâng-Gebirge). Als neue Pflanzenart beschrieb er den Siebenbürgischen Tragant (Astragalus transsilvanicus, 1887), der jedoch heute als Abart dem Stegellosen Tragant (Astragalus exscapus var. transsilvanicus) zugeordnet wird. – 1866 begann er auch Pflanzenbelege für das „Herbarium normale Transsilvanicum“, die erste Exsiccatensammlung Siebenbürgens, zu sammeln, die der Hermannstädter Botaniker Michael Fuss (1814-1883) ab 1862 herausgab.
Aus finanziellen Gründen hat Barth wiederholt Teile seines großen Herbariums verkauft. Eines von diesen Herbarien mit 17 000 Belegen kaufte Ludwig Richter in Budapest, wo dieses auch heute aufbewahrt wird. Ein weiteres Barth-Herbarium mit 16 000 Belegen befindet sich im Botanischen Institut der Universität in Bukarest.
Seine botanischen Forschungen hat Barth nicht auf die Blütenpflanzen beschränkt, sondern bezog in diese stets auch die Moose, Flechten und Pilze ein. Demgemäß brachte er unter dem Namen „Herbarium Transsilvanicum“ eine Sammlung von 100 Moos- und 50 Flechtenarten heraus. Weitere Lieferungen zu diesem Herbarium blieben leider aus.
Barth hat die Ergebnisse seiner botanischen Forschungen in neun Veröffentlichungen mitgeteilt. Zu den umfassenderen gehören seine „Systematische Aufzählung der Pflanzen im Großen Kokeltale zwischen Mediasch und Blasendorf“ (1866 und 1867, in der er aus diesem Gebiet 1005 Pflanzenarten aufzählt), sein „Systematisches Verzeichnis derjenigen Pflanzen, welche der Gefertigte auf mehreren Exkursionen in Siebenbürgen im Jahre 1876 gesammelt hat“ (1879, mit 351 Arten) und „Die Flora des Hargita-Gebirges und seiner nächsten Umgebung“ (1903, mit 534 aufgezählten Pflanzenarten). Durch die genaue Nennung der verschiedenen Fundorte für die hier angeführten Pflanzenarten leistet Barth gleichzeitig auch einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung dieser Arten in Siebenbürgen.
Barth stand mit vielen bedeutenden heimischen und ausländischen Botanikern in einem regen Brief- und Pflanzentauchverkehr. Zu diesen gehörten: Fl. de Porcius/Nassod, A. Kanitz/ Klausenburg, J.v. Csató/Straßburg am Mieresch, L. Simonkai/Budapest, A. v. Degen/Budapest, V. v. Janka/Budapest, D. Grecescu/Bukarest, A. Kerner/Wien, F. Schur/Wien, A. Engler/Berlin, F. Pax/ Breslau u.v.a. In internationalen Botanikerkreisen gut bekannt, wurde er 1892 zum botanischen Kongress in Genua eingeladen. Der Einladung konnte Barth leider nicht Folge leisten.
Als Anerkennung seiner großen Verdienste um die botanische Erforschung Siebenbürgens wählten ihn 1892 die Mitglieder des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt zum korrespondierenden Mitglied ihres Vereins.
Von Langenthal nach Hermannstadt
Am 25. Mai 1905 trat Pfarrer J. Barth in den Ruhestand und übersiedelte anschließend aus Langenthal nach Hermannstadt, wo er sich ein eigenes Heim erwarb. Auch als Pensionist setzte er seine botanische Tätigkeit fort und begann mit der Zusammenstellung seines letzten großen Herbariums, das er 1909 abschließen konnte. Noch in diesem Jahr bot er dieses 9 472 Pflanzenbelege umfassende Herbarium dem Siebenbürgischen Verein für Naturwissenschaften in Hermannstadt zum Ankauf an, das dieser 1910 für seine botanische Abteilung auch kaufte. Lediglich sein Handherbarium von etwa 5 000 Belegen behielt er für sich, um es Botanikern oder anderen Besuchern auf Wunsch vorführen zu können. Somit hat Barth in einem Zeitraum von etwa 40 Jahren weit über 50 000 Pflanzenbelege gesammelt und präpariert, im Pflanzentausch verschickt oder in mehreren Herbarien schließlich verkauft. Auf diese Art gelangten seine „Exsiccatae Barthianae“ in die Herbarien der ganzen Welt. Einen Teil seiner Herbardoubletten hat er an verschiedene Museen verschenkt.
Pfarrer Josef Barth starb in Hermannstadt am 29. Juli 1915 im Alter von 82 Jahren. Julius Römer rühmt Barth in seinem Nachruf (1915) als einen „trefflichen Kenner der siebenbürgischen Pflanzenwelt und einen begeisterten Verkünder ihrer Schönheit“. Der Blasendorfer Gymnasialprofessor Dr. Alexandru Borza, der Barth persönlich kannte, würdigt ihn in seinem Nachruf (1915) als den „Nestor der siebenbürgischen Botaniker, der sich durch seinen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der Flora Siebenbürgens bleibende Verdienste erworben hat.“ Noch 1915 kaufte Borza, der 1920 Direktor des Botanischen Instituts der Universität Klausenburg werden sollte, von Barths Sohn dessen wertvolles Handherbarium.
Dr. Heinz Heltmann

Dr. Heinz Heltmann

Weitere Anekdoten, Geschichten, Erzählungen »