Arme, aber schöne Kindheit

Arme, aber schöne Kindheit
Meine Großeltern bauten in Tobsdorf
ein Familienhaus. Es war klein, aber wir waren zufrieden.
Erst wurde mein Bruder Heinz geboren, der zweite
war ich Hartmut, dann kam Katharina zur Welt, und bald bekamen wir noch eine Schwester, Christa.
Jetzt war das Haus voll. Da lebten Großvater Johan und Oma Susanna.
Vater Heinrich, Mutter Katharina und wir vier Kinder. Wir hatten auf dem Hof ein bis zwei Schweine
eine Kuh und die Hühner. Einen Nutzgarten hatten wir auch. Hinter der Scheune hatten wir einen alten Apfelbaum, Wahlnussbaum und ein paar junge Bäume. Auf dem Hof mussten alle mithelfen. Weil man eine Kuh hatte, war die Scheune auch voll mit Heu. Unten war der Stall, wo die Kuh lebte. Auch Holz wurde gelagert, für dass Beheizen des Backofens und des Küchenherdes. Zwischen dem Holz auf der rechten Seite und dem hoch gelagertem Heu war ein schmaler Gang, der zum Garten führte. Dort unter der Decke, an einem Balken, hatte mein Vater eine Schaukel angebracht, eine Kette mit einem Brett als Sitz. Dort schaukelten wir und sangen. Unser besonderer Ehrgeiz war es, mit den Schuhen den Balken oberhalb der Scheune und Dach zu berühren. Wir hatten eine Küche und ein Schlafzimmer, das war zugleich die gute Stube. Die Betten standen, ringsum. In der Mitte ein Tisch, links neben der
Eingangstüre stand der Ofen. Auf dem Boden lagen Läufer, die man im Winter selbst Gewebt hatte. Wenn der Herbst um war und der Winter stand vor der Tür, war die Arbeit auf dem Feld zu ende. Dann bereitete man sich vor und stellte den Wirkstuhl in die gute Stube. Da war natürlich unser bester Spielplatz. Da kamen die Geschwister von meiner Mutter, das war Tante Ziri und Regina. Die hatten auch Kinder, das waren ja unsere Kusinen und Vettern, die wurden natürlich auch mit gebracht. Die Großmutter, Mutter und ihre Geschwister, jeder hatte seine Arbeit und wir spielten. Dass war eine sehr schöne Zeit. Während der Arbeit sangen die Frauen alte Lieder die über Generationen weitergegeben wurden, denn Radio war uns noch Fremd. Aber die Lieder waren sehr schön. Im Zimmer befand sich alles, was zu der Zeit ein Kinderherz höher schlagen ließ: Eine Puppenstube, eine Holzwiege mit einer Puppe, die jedes Jahr ein neues Kleidchen, Schuhe und Mützchen bekam. Sie wurde jeweils an Weihnachten von einer Schwester zur anderen vererbt. Ich denke das die Puppe so alt wie die Groß- mutter war, oder noch älter. So wurde sie immer neu eingekleidet und wurde immer zur neuen Puppe. Man freute sich immer wieder. Besonders wenn die Großmutter sagte! Mit der Puppe habe ich schon als Kind gespielt. Ein Puppenwagen aus Korbgeflecht mit Holzrädern war auch da, darin lag ein Püppchen mit einem rosa Strampelhöschen, es war unser Lieblingsspielzeug. „Auf dem Speicher in der Rumpelkiste sind noch mehr schöne Dinge, “ sagte Großmutter: „ Da hole ich euch im Winter noch was Schönes raus!“ Die Neugier war so groß das wir sagten: „Aber Großmutter, können wir nicht jetzt schon daraus was haben?“ Die Großmutter aber sagte:“ Der Winter kommt ja bald, ihr müsst euch noch ein bisschen gedulden.“ Das war, die schönste Kindheitserinnerung! „Arm aber schön!“

Hartmut Gross

Eigene

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