Deportationsausstellung in Gundelsheim: Lagergrafik
Vom 18. Januar bis 18. Mai präsentiert das Siebenbürgische Museum in seinem Grafikkabinett auf Schloss Horneck Zeichnungen, die während der Deportation von Rumäniendeutschen in die Sowjetunion 1945-1949 entstanden sind.
Die Ausstellung „Lagergrafik. Emerich Amberg, Friedrich von Bömches, Karl Brandsch“ ist ein Beitrag zum Projektverbund „1945 – 2025. 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Erinnerung und Gegenwart in Deutschland und im östlichen Europa“ des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte des östlichen Europa (BKGE) Oldenburg. Das Projekt beleuchtet das Ende des Zweiten Weltkriegs und dessen Folgen mit zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen.
Die aus Siebenbürgen stammenden Maler und Grafiker Friedrich von Bömches und Karl Brandsch sowie der aus dem Banat stammende Emerich Amberg waren als Folge des Zweiten Weltkriegs 1945 zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden. In den Lagern mussten sie einerseits Propaganda-Bilder der sowjetischen Nomenklatura oder der sog. „Bestarbeiter“ produzieren, andererseits konnten sie aber auch auf kleinen Zetteln mit teils improvisierten Mitteln den Lageralltag dokumentieren und ihre Mitinsassen porträtieren.
Die Werke vermitteln ein beispielgebendes Bild der Zeit und der Kunstproduktion in den Arbeitslagern zwischen Propaganda und künstlerischer Selbstentfaltung. Es ist eine Kunst, die sich auf die innere Struktur der Dinge und des Lebens in der Unwürdigkeit des Lagerlebens konzentriert und, wie Friedrich von Bömches es formuliert, von der „Banalität des Unmenschlichen“ unberührt bleibt, um beim Überleben zu helfen.
Ganz wenige solcher Werke haben die Lagerzeit überdauert oder sind auf uns gekommen. Vieles von dem, was aus der Deportationszeit erhalten geblieben ist, gehört in den Bereich der Auftrags-, nennen wir sie auch ‚Überlebenskunst‘ im wahrsten Sinne des Wortes. Friedrich von Bömches hat einmal von der Grausamkeit der „künstlerischen Entmündigung“ gesprochen, die den Verlust der Selbstbestimmung durch die Gefangenschaft und Erniedrigungen im Lageralltag zusätzlich potenzierte. Die Künstler litten unter der Sinnlosigkeit nervtötender Anfertigung von Stalinporträts und „Marschallköpfen nach der Fotografie“ in Serie, zu denen sie gezwungen wurden. Karl Brandsch resümierte später einmal über das künstlerische ‚Niveau‘ solcher Auftragsarbeiten: „Ich hatte viele feine Wasserfarben [in die Deportation] mitgebracht. […] Leider musste ich sie auf Holz und auf Wände verschwenden und konnte sie nur ausnahmsweise auf Papier benützen. […] Wiederholt wurde ich auch als Anstreicher verwandt und habe als solcher eiserne Bettgestelle mit blauer Ölfarbe gestrichen und dergleichen mehr.“
Zugleich nutzten die meisten Maler im Lager jeden noch so geringen Freiraum gerade auch bei Aufträgen, um ihre schöpferische Kraft einzusetzen und aus dem Gewordenen Lebensfreude zu schöpfen: „Zu meiner bisherigen Tätigkeit als [Propaganda-] Zeichner war noch eine getreten“, bekennt der Maler Karl Brandsch in seinen Erinnerungen, „die mich mehr befriedigte als jene, nämlich das Zeichnen der Köpfe guter Grubenarbeiter n[ach] d[er] N[atur]. Der Kommissar wollte diese Arbeiten schneller haben, als es gut möglich war, später aber konnte ich es gemütlicher nehmen und hatte Freude an dieser Betätigung“. Einen Teil dieser sogenannten „Bestarbeiter“-Porträts für die Wandzeitung hat Karl Brandsch nach Hause mitbringen können. Es sind klassische Porträtskizzen, die die geschulte Malerhand verraten, gekonnt individualisiert und konzentriert auf die charakteristischen unverwechselbaren physiognomischen Merkmale des Einzelnen ausgerichtet.
Deutlicher kommt die künstlerische Persönlichkeit von Brandsch in seinen zart aquarellierten Landschaftszeichnungen zum Ausdruck, die die Gegend im Umfeld des Lagers festhalten. Der Landschaftsmaler Brandsch, der in seinem Werk ursprünglich spätimpressionistische Ansätze zeigt, um sich später einem expressiven Realismus zuzuwenden, muss auch bei einem solchen Sujet im Lager auf Kompromisse eingehen. Auch bei den im Lager gemalten Landschaften, die sich von vornherein an das Naturvorbild halten, lassen sich die Zwänge der Auftragssituation nicht ignorieren: Zum einen hatte das Lager nicht zu erscheinen, was der Maler mit der Silhouette eines Wachturms, versteckt in der Umgebung, zu umgehen weiß; zum anderen musste er dem Geschmack des Lagerkommissars Rechnung tragen, der ihm dieses Privileg, außerhalb des Stacheldrahts zu malen, ermöglicht hatte. Karl Brandsch erinnerte sich dazu: „Den Kommissar ließ ich bitten, die zuerst gemalte Landschaft, die mir die wertvollste war, mir zurückzugeben und dafür die zweite mit der Ansicht von Osten, schön eingerahmt, für sich zu behalten.“
Die künstlerische Betätigung im Lager blieb nicht ausschließlich den ausgebildeten Künstlern vorbehalten. Auch Laien, junge Frauen wie Männer, hielten Erlebnisse des Lagerlebens in mehr oder weniger gelungenen Werken szenisch fest: Diese zwischen Kunst und Dokumentation anzusiedelnden Werke reichen von linkisch-grob geführten Bleistiftskizzen über naiv-expressive Bilder, die hin und wieder über die Dimension des rein Abbildenden hinausgehen, schließlich bis zu den karikierenden Porträtskizzen des Banaters Emerich Amberg.
Als bedeutende Zeitdokumente sind eine Anzahl dieser Werke der drei Künstler aus der Deportationszeit im Zuge des 75-jährigen Gedenkens in den Jahren 2020 bis 2022 als Schenkungen in die Sammlung des Siebenbürgischen Museums gelangt. Damit besitzt das Siebenbürgische Museum Gundelsheim die bedeutendste, wissenschaftlich bearbeitete Sammlung zum Thema Deportation in Deutschland, wenn nicht sogar überhaupt. Das Museum ist weiterhin dankbar daran interessiert, Sammlungsobjekte zum Themenschwerpunkt der Deportation in die Sowjetunion 1945-1949 als Schenkung zu erhalten.
Ein Teil des Konvoluts der kleinformatigen Porträtzeichnungen Emerich Ambergs kann mit der Ausstellung im Grafikkabinett des Siebenbürgischen Museums erstmals im Original der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Der 2022 erschienene Katalog „,Das Laub gesammelt aus fünf Herbsten‘. Kunst und Deportation“ von Dr. Irmgard Sedler, in dem die meisten der ausgestellten Werke farbig abgebildet und einzeln beschrieben sind, kann während der Kabinettausstellung im Museumsshop zum Sonderpreis von 20 Euro erworben werden.
Während der Ausstellungsdauer finden mehrere Begleitveranstaltungen bzw. öffentliche Führungen zur Kabinettausstellung statt, die Termine werden auf der Museumshomepage in der Rubrik „Aktuelle Termine“ bekanntgegeben: www.siebenbuergisches-museum.de/de/aktuelle-termine.
Am Internationalen Museumstag, dem 18. Mai, ist die Deportationsausstellung zum Abschluss sogar kostenfrei für alle Interessierten zu besuchen. Mitglieder des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums haben jederzeit freien Eintritt, ebenso Inhaber des Museums-PASS-Musées, der auch im Museum erworben werden kann.
Die Ausstellung „Lagergrafik. Emerich Amberg, Friedrich von Bömches, Karl Brandsch“ ist ein Beitrag zum Projektverbund „1945 – 2025. 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Erinnerung und Gegenwart in Deutschland und im östlichen Europa“ des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte des östlichen Europa (BKGE) Oldenburg. Das Projekt beleuchtet das Ende des Zweiten Weltkriegs und dessen Folgen mit zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen.
Die aus Siebenbürgen stammenden Maler und Grafiker Friedrich von Bömches und Karl Brandsch sowie der aus dem Banat stammende Emerich Amberg waren als Folge des Zweiten Weltkriegs 1945 zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden. In den Lagern mussten sie einerseits Propaganda-Bilder der sowjetischen Nomenklatura oder der sog. „Bestarbeiter“ produzieren, andererseits konnten sie aber auch auf kleinen Zetteln mit teils improvisierten Mitteln den Lageralltag dokumentieren und ihre Mitinsassen porträtieren.
Die Werke vermitteln ein beispielgebendes Bild der Zeit und der Kunstproduktion in den Arbeitslagern zwischen Propaganda und künstlerischer Selbstentfaltung. Es ist eine Kunst, die sich auf die innere Struktur der Dinge und des Lebens in der Unwürdigkeit des Lagerlebens konzentriert und, wie Friedrich von Bömches es formuliert, von der „Banalität des Unmenschlichen“ unberührt bleibt, um beim Überleben zu helfen.
Ganz wenige solcher Werke haben die Lagerzeit überdauert oder sind auf uns gekommen. Vieles von dem, was aus der Deportationszeit erhalten geblieben ist, gehört in den Bereich der Auftrags-, nennen wir sie auch ‚Überlebenskunst‘ im wahrsten Sinne des Wortes. Friedrich von Bömches hat einmal von der Grausamkeit der „künstlerischen Entmündigung“ gesprochen, die den Verlust der Selbstbestimmung durch die Gefangenschaft und Erniedrigungen im Lageralltag zusätzlich potenzierte. Die Künstler litten unter der Sinnlosigkeit nervtötender Anfertigung von Stalinporträts und „Marschallköpfen nach der Fotografie“ in Serie, zu denen sie gezwungen wurden. Karl Brandsch resümierte später einmal über das künstlerische ‚Niveau‘ solcher Auftragsarbeiten: „Ich hatte viele feine Wasserfarben [in die Deportation] mitgebracht. […] Leider musste ich sie auf Holz und auf Wände verschwenden und konnte sie nur ausnahmsweise auf Papier benützen. […] Wiederholt wurde ich auch als Anstreicher verwandt und habe als solcher eiserne Bettgestelle mit blauer Ölfarbe gestrichen und dergleichen mehr.“
Zugleich nutzten die meisten Maler im Lager jeden noch so geringen Freiraum gerade auch bei Aufträgen, um ihre schöpferische Kraft einzusetzen und aus dem Gewordenen Lebensfreude zu schöpfen: „Zu meiner bisherigen Tätigkeit als [Propaganda-] Zeichner war noch eine getreten“, bekennt der Maler Karl Brandsch in seinen Erinnerungen, „die mich mehr befriedigte als jene, nämlich das Zeichnen der Köpfe guter Grubenarbeiter n[ach] d[er] N[atur]. Der Kommissar wollte diese Arbeiten schneller haben, als es gut möglich war, später aber konnte ich es gemütlicher nehmen und hatte Freude an dieser Betätigung“. Einen Teil dieser sogenannten „Bestarbeiter“-Porträts für die Wandzeitung hat Karl Brandsch nach Hause mitbringen können. Es sind klassische Porträtskizzen, die die geschulte Malerhand verraten, gekonnt individualisiert und konzentriert auf die charakteristischen unverwechselbaren physiognomischen Merkmale des Einzelnen ausgerichtet.
Deutlicher kommt die künstlerische Persönlichkeit von Brandsch in seinen zart aquarellierten Landschaftszeichnungen zum Ausdruck, die die Gegend im Umfeld des Lagers festhalten. Der Landschaftsmaler Brandsch, der in seinem Werk ursprünglich spätimpressionistische Ansätze zeigt, um sich später einem expressiven Realismus zuzuwenden, muss auch bei einem solchen Sujet im Lager auf Kompromisse eingehen. Auch bei den im Lager gemalten Landschaften, die sich von vornherein an das Naturvorbild halten, lassen sich die Zwänge der Auftragssituation nicht ignorieren: Zum einen hatte das Lager nicht zu erscheinen, was der Maler mit der Silhouette eines Wachturms, versteckt in der Umgebung, zu umgehen weiß; zum anderen musste er dem Geschmack des Lagerkommissars Rechnung tragen, der ihm dieses Privileg, außerhalb des Stacheldrahts zu malen, ermöglicht hatte. Karl Brandsch erinnerte sich dazu: „Den Kommissar ließ ich bitten, die zuerst gemalte Landschaft, die mir die wertvollste war, mir zurückzugeben und dafür die zweite mit der Ansicht von Osten, schön eingerahmt, für sich zu behalten.“
Die künstlerische Betätigung im Lager blieb nicht ausschließlich den ausgebildeten Künstlern vorbehalten. Auch Laien, junge Frauen wie Männer, hielten Erlebnisse des Lagerlebens in mehr oder weniger gelungenen Werken szenisch fest: Diese zwischen Kunst und Dokumentation anzusiedelnden Werke reichen von linkisch-grob geführten Bleistiftskizzen über naiv-expressive Bilder, die hin und wieder über die Dimension des rein Abbildenden hinausgehen, schließlich bis zu den karikierenden Porträtskizzen des Banaters Emerich Amberg.
Als bedeutende Zeitdokumente sind eine Anzahl dieser Werke der drei Künstler aus der Deportationszeit im Zuge des 75-jährigen Gedenkens in den Jahren 2020 bis 2022 als Schenkungen in die Sammlung des Siebenbürgischen Museums gelangt. Damit besitzt das Siebenbürgische Museum Gundelsheim die bedeutendste, wissenschaftlich bearbeitete Sammlung zum Thema Deportation in Deutschland, wenn nicht sogar überhaupt. Das Museum ist weiterhin dankbar daran interessiert, Sammlungsobjekte zum Themenschwerpunkt der Deportation in die Sowjetunion 1945-1949 als Schenkung zu erhalten.
Ein Teil des Konvoluts der kleinformatigen Porträtzeichnungen Emerich Ambergs kann mit der Ausstellung im Grafikkabinett des Siebenbürgischen Museums erstmals im Original der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Der 2022 erschienene Katalog „,Das Laub gesammelt aus fünf Herbsten‘. Kunst und Deportation“ von Dr. Irmgard Sedler, in dem die meisten der ausgestellten Werke farbig abgebildet und einzeln beschrieben sind, kann während der Kabinettausstellung im Museumsshop zum Sonderpreis von 20 Euro erworben werden.
Während der Ausstellungsdauer finden mehrere Begleitveranstaltungen bzw. öffentliche Führungen zur Kabinettausstellung statt, die Termine werden auf der Museumshomepage in der Rubrik „Aktuelle Termine“ bekanntgegeben: www.siebenbuergisches-museum.de/de/aktuelle-termine.
Am Internationalen Museumstag, dem 18. Mai, ist die Deportationsausstellung zum Abschluss sogar kostenfrei für alle Interessierten zu besuchen. Mitglieder des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums haben jederzeit freien Eintritt, ebenso Inhaber des Museums-PASS-Musées, der auch im Museum erworben werden kann.
Ort: Siebenbürgisches Museum, Gundelsheim
Schlagwörter: Ausstellung, Grafiken, Deportation
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