FAZ: Claus Stephani und die Securitate

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alma_si
schrieb am 21.11.2010, 21:37 Uhr
@BieneX:

Genau darum sind wir hier. Es muss erst alles gesagt werden und erst danach wird ausgewertet. Und manch einer wird besser davonkommen, als es im Moment zu erahnen ist. Auch ich wünsche mir das, für Oskar Pastior. Bis dann müssen wir aber alle in Kauf nehmen, dass es chaotisch wird.
B-29
schrieb am 22.11.2010, 01:11 Uhr
Ist Oskar Pastior durch sein literarisches Werk etwas Besseres? Ist er durch sein Ableben etwa ein Heiliger, an dessen Integrität nicht gezweifelt werden darf/kann?

Klar soll man die Toten ruhen lassen, aber auf der Suche nach Wahrheit, auf der Suche nach Tätern werden doch auch Opfer obduziert oder etwa nicht? Wenn es der Wahrheitsfindung dient sollte man nicht Halt machen, weil das Opfer/Täter ein preisgekrönter Literat und ehem. Russlanddeportierter ist.

Es gibt Leute die wollen/müssen für ihren eigenen Frieden die Wahrheit kennen, wer hat mich bespitzelt, wer hat mich verpfiffen. Man kann nur vergeben wenn man weiss wem man vergibt und was er genau getan hat.

Es ist zu einfach jemandem zu sagen, lass die Vergangenheit ruhen, wenn dessen Wunden noch schwären und er das ungute Gefühl nicht loswerden kann, dass die Verantwortlichen unter Umständen immer noch im Freundeskreis weilen und mit ihm lachen und vielleicht über ihn lachen.

So sehe ich das jedenfalls... und jetzt stürzt euch auf mich und zerfleischt mich...
Gernamus
schrieb am 22.11.2010, 08:57 Uhr
Der Diskussionsbeitrag des "B-29" ist meiner Meinung nach logisch und lesenswert, wird aber der Lobby des verstorbenen Literaten nicht passen.
Friedrich K
schrieb am 22.11.2010, 19:03 Uhr
So sehe ich das jedenfalls...
Ich teile Ihre Sichtweise.
cäsar
schrieb am 22.11.2010, 19:37 Uhr
Hallo,
B-29 hat 100% Recht.
Lassen wir mal die Toten(über die entscheidet das jüngste Gericht)in Ruhe und widmen wir uns den Lebenden.

Niemand hat das Recht über andere zu urteilen!Richtig.
Securitate- Akten dürfen nicht 1 zu 1 gelesen werden! Richtig.
Aber:
Fakt ist, dass einige Akteure Verpflichtungserklärungen unterschrieben haben.
Mit ihrer Tätigkeit haben sie anderen Leuten Schaden zugefügt. Die Ausrede "dass ich nichts gesagt habe" gilt nicht. Es reicht schon wenn man meldet, dass man sich dem x oder dem y getroffen hat, um Schaden anzurichten.
Claus Stephani hat sogar die elegante Geste(à la Horst Weber)vermissen lassen sich bei seinen Opfern zu entschuldigen. Statt dessen argumentiert er sehr subtil sowie das alle Rechtfertigungsrethoriker tun. 2 Beispiele: in den Jahren irgendwo zwischen 1938 und 1945folgende wurde er von einer antisemitischen "Nazifrau" in den Keller gesteckt.Schon damals wusste er was Antisemitismus und Nationalismus ist- er stand und steht heute noch auf der "richtigen" Seite!
Perfide ist jedoch die Tatsache- obwohl er zugegeben hat,dass er eine Verpflichtung unterschrieben hatte- sich mit der Akte Cristina und damit Herta Müller auf gleiche Ebene stellen zu wollen. Manchmal schützt Alter vor Torheit nicht.

Ave
Cäsar
getkiss
schrieb am 22.11.2010, 22:28 Uhr
@cäsar:"Perfide ist jedoch die Tatsache- obwohl er zugegeben hat,dass er eine Verpflichtung unterschrieben hatte- sich mit der Akte Cristina und damit Herta Müller auf gleiche Ebene stellen zu wollen."

Ich bin mir nicht sicher, wer auf welcher Ebene ist.
Dazu ist die Sache zu nebulös.
Cristina und .... sind Alter Ego´s oder von der Secu erfundene Gestalten?
Genau wissen wir es nicht. Wir haben nur Erklärungen, bzw, Versuche.
Der Fall Pastior beweist: Literarisches Genie schützt vor (möglicherweise) gemeinem Verhalten nicht.
Wir müssen abwarten. So schnell geht es nicht, als manche von uns es wünschen. Da hat alma_si recht. Sie hat aber auch versucht, literarisches Genie mit Unschuld gleich zu setzen.
Errare humanum est....
Das gilt für Täter, für Opfer und für Unbeteiligte(?) auch.
getkiss
schrieb am 22.11.2010, 23:13 Uhr
Halbjahresschrift:"06.01.2010
Securitatedokumente

Originale und Abschriften

In letzter Zeit sind mehrere Artikel erschienen, in denen die Verfasser das Problem der Authentizität von Securitatedokumenten thematisieren. In einigen dieser Beiträge wird auch das Problem des Wahrheitsgehaltes solcher Dokumente angesprochen, ob diese exklusiv den Vorstellungen der politischen Polizei entsprechen oder ob man diese schriftlichen Materialien nicht als Produkte geheimpolizeilicher Manipulationen einschätzen und somit ignorieren sollte.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Vermutung geäußert, maschinengeschriebenen Abschriften von Berichten inoffizieller Mitarbeiter dürfe man nicht trauen, denn bei der Anfertigung solcher Kopien habe man die Urfassung des Textes verfälscht, um den Inhalten eine andere, von der Behörde gewünschte Aussagerichtung zu geben."

Die daraus folgenden Schlussfolgerungen sind nicht neu. Siehe die Gegenüberstellung der Handschriftlichen Mitteilung von "Gruia" mit der maschinengeschriebenen Kopie die an andere Abteilungen versandt wurde, in:
halbjahresschrift.blogspot.com/2010/01/securitatedokumente.html
alma_si
schrieb am 23.11.2010, 00:00 Uhr (am 23.11.2010, 00:19 Uhr geändert).
@getkiss: "Sie hat aber auch versucht, literarisches Genie mit Unschuld gleich zu setzen."

Wo habe ich das versucht zu tun, getkiss? Oder ist es für Sie schon bewiesene Tatsache, dass Pastior einer war, der aus dem Schatten Menschen mutwillig in den Selbstmord getrieben hat? Ich habe gesagt und ich bleibe dabei, dass ich noch hoffe, dass das nicht so war. Nicht, dass es wichtig wäre, was ich denke und hoffe, aber ich will diese meine Tätigkeiten nicht auch noch von Anderen verdreht sehen.
Christian Schoger (Moderator)
schrieb am 23.11.2010, 10:54 Uhr (am 23.11.2010, 11:11 Uhr geändert).
Aus unserem heutigen SbZ-Online-Pressespiegel:

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23.11.2010 reagiert Herta Müller scharf auf Claus Stephanis F.A.Z.-Beitrag vom Wochenende. U. a. schreibt die Nobelpreisträgerin: "Stephani, mir bekannt als einer der eifrigsten Spitzel der Securitate". Dass Herta Müller dabei auch auf "das Diskussionsforum der Siebenbürgischen Zeitung" Bezug nimmt, ist schon bemerkenswert.
Carl Gibson
schrieb am 23.11.2010, 16:12 Uhr
Ja, Herr Schoger, Herta Müller liest hier fleißig mit - nicht erst seit Wochen.
Sie rudert auch kräftig zurück, selbst in Sachen Freundschaft Oskar Pastior.
In der undifferenzieretn Diskussion (u.a. DIE ZEIT, Die Securiate ist noch im Dienst) wurden viele Fehler gemacht - jetzt kommt alles hoch. Und es wird noch viel Aufklärungsbedarf geben.
Es kann nicht sein, dass alles, was einzelne Personen belastet, einfach als "gefälscht" ausgegeben wird. Dazu machte Herta Müller den Auftakt und schuf eine Matrix, die nun von anderen widerholt wird ... Sehr einfach diese Art, jede Schuld und Verstrickung der schon "toten" und erledigten Securitate in die Schuhe zu schieben und diejenigen, die nach Differenziertheit rufen, als Sprecher und Helfershelfer der Securitate anzuprangern wie jüngst erst auf der Achse des Guten geschehen.

Inzwischen habe einen eigenen Blog eröffnet, kommentiere aber weiter hier und dort.
Heute:

Unter
www.carl-gibson.blogspot.com
habe ich gerade folgendes publiziert:


Die Debatte geht weiter.

Auf der Plattform FAZ Net meldeten sich nach Dieter Schlesaks Enthüllungen mehrere Autoren zu Wort, Ernest Wichner, vom Literaturinstitut in Berlin, Mitglied der Pastior Gesellschaft zum Thema IM Pastior und den Anschuldigungen Schlesaks unter:

Dann der als IM ausgemachte Claus Stephani mit einem Dementi und einer Pseudo-Rechtfertigung
http://www.faz.net/s/RubBE163169B4324E24BA92AAEB5BDEF0DA/Doc~EA2E368E8C7084DB09CD29064B86817FD~ATpl~Ecommon~Scontent.html
( Den FAZ-Bericht, wo ich mich mehrfach ohne Namensnennung zitiert finde, werde ich noch kommentieren.)

Schließlich heute, 23 November, Herta Müller selbst mit einer Antwort auf die angebliche Unterstellung Stephanis, die Akte "Cristina" und seine eigene IM-Akte repräsentierten das gleich Niveau.
Im Prinzip schon?

Die Materie, die ich seit Jahren öffentlich aufwerfe, habe ich gerade kommentiert:


http://www.faz.net/s/RubD3A1C56FC2F14794AA21336F72054101/Doc~EAEB44FB206FB4C88BCBCBE355BDEBE21~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Insider wissen es seit Jahren: Es war abzusehen, dass sich jeder IM seine Version zurechtschustert, wenn er auffliegt.
Welche "Akte" belastet? Welche entlastet? Was ist wahr, echt, authentisch an den CNSAS-Dokumenten, Protokollen etc. Was wurde von der Securitate gefälscht, um Andersdenkende zu diffamieren? Nur wer das "Securitate"-Phänomen aus eigener Erfahrung kennt, wer darüber hinaus seine Akte eingesehen hat und andere Akten als Forscher studiert hat, kann hier mitreden. Als Herta Müllers Akte "Cristina" öffentlich diskutiert wurde, verlief die Debatte sehr einseitig, ja unkritisch. Jetzt haben wir den Salat. Jeder IM der Securitate gibt das, was ihn belastet, als Fälschung aus - Herta Müller hat das in dem ZEIT-Artikel "Die Securitate ist noch im Dienst" so vorgemacht, eine Matrix geschaffen, die jetzt Kopien erzeugt Es darf nun nicht verwundern, wenn "echte" IMs nun gleichziehen und mit der gleichen Logik als Unschuldslämmer gelten wollen. Das Gegenrezept zu Verleumdung und Diskreditierung: totale Aufklärung, dann differenzierte Erörterung - die rumänische Gauck-Behörde CNSAS legt nur das vor, was sie hat. Die Aufarbeitung muss hier erfolgen, kritisch. Carl Gibson, Historiker, ehemaliger Bürgerrechtler, Bad Mergentheim."

Es steht oft in der Sternen, ob die FAZ-Redaktion solche "Leserbriefe" frei schaltet oder nicht. Ob sie kürzt oder nicht. Heute wurde folgendes weggelassen:

Als Herta Müllers Akte "Cristina" öffentlich diskutiert wurde, verlief die Debatte sehr einseitig, ja unkritisch. Jetzt haben wir den Salat. Jeder IM der Securitate gibt das, was ihn belastet, als Fälschung aus - Herta Müller hat das in dem ZEIT-Artikel "Die Securitate ist noch im Dienst" so vorgemacht, eine Matrix geschaffen, die jetzt Kopien erzeugt Es darf nun nicht verwundern, wenn "echte" IMs nun gleichziehen und mit der gleichen Logik als Unschuldslämmer gelten wollen.

Ist das Protektion? Ich habe es dort so und anders erlebt.

Werden so gewissen Positionen bevorzugt behandelt, protegiert, andere einfach abgewürgt?

Auf www.siebenbuerger.de
ist eine gute Zusammenfassung der CNSAS-IM Debatte erschienen unter:
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/10577-schlesaks-enthuellungen-ueber-oskar.html

FAZ Kommentar zu :


Zu Claus Stephanis Gegendarstellung habe ich folgenden Kommentar auf FAZ Net eingereicht:

"Audiatur et altera pars"? Der Schwarze Peter bei der Securiate


Es ist erfreulich, dass die FAZ den öffentlich Beschuldigten eine Stimme einräumt, eine Möglichkeit zur Gegendarstellung. In dem Bericht oben fühle ich mich mehrfach zitiert(ohne Namensnennung). Bis zur Gegenprobe bleibt auch ein potenzieller Securitate- oder Stasi-IM "unschuldig". Claus Stephani schiebt den "Schwarzen Peter" für IM Moga der Securitate zu; nicht anders als Dieter Schlesak in Sachen IM "Ehrlich" und die Nobelpreisträgerin in Sachen "Attrappe" Cristina" .Was aus den CNSAS-Beständen belastet, ist also immer ein Machwerk der Securitate, was entlastet, ist authentisch?
Machen wir uns es da nicht zu einfach? Da es wohl hier in der BRD nie ein Rechtsverfahren gegen potenzielle IMs geben wird, können alle "Voicus", "Sorins", "Walters", "Mateis", "Mogas" etc. wacker dementieren. Die BRD toleriert auch alte Zuträger, genauso wie sie tausende Wendehälse und manchen aktiven Schreibtischtäter aus totalitärer Zeit toleriert. Moral - wozu? Ethos wozu? Gerechtigkeit für Opfer? Wozu. Der Ungeist der Lüge wird weiter walten, wenn keine Aufklärung und Aufarbeitung erfolgt. Unsere Gesellschaft muss endlich ethische Maßstäbe anlegen. Carl Gibson, Historiker, ehemaliger Bürgerrechtler, Bad Mergentheim."

Was mich seit Monaten wundert: Diese Kommentare werden nicht im Internet gefunden.

Carl Gibson



BieneX
schrieb am 23.11.2010, 18:10 Uhr
In Rumänien wurden sowohl Täter- als auch Opferakten unter einem Decknamen geführt.
Stimmt das, was Herta Müller sagte?
cäsar
schrieb am 23.11.2010, 19:48 Uhr
Sehr geehrter Herr Georg Kiss,

ich bin auf diesen Seiten eher der Beobachter. Aktivsein, sowie jetzt zieht Aktivität nach sich. Dafür habe ich wenig Zeit. Sie sind mir als ein moderater Zeitgenosse bekannt, immer um Ausgleich bemüht. Ihre unnachgiebige, sogar harte Haltung zur Causa Herta Müller(alias Cristina) kann ich nicht nachvolziehen.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass die securitate- Akten nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Trotzdem deuten Sie unterschwellig an, dass für Sie die Causa Moga identisch mit der Causa Cristina ist.Das ist unfair. Sollte Frau Müller tatsächlich eine Verpflichtungserklärung unterschrieben haben würde dass ihr öffentliches Erscheinungsbild, ja ihre ganze Literatur pervertieren. Das steht ein Mensch nicht durch bzw. muss er ein sehr "dickes Fell" haben. Deswegen ist es im hohen Masse unverschämt wenn Claus Stephani(ich wiederhole:laut seiner eigenen Aussage hat er ein "Angajament" unterschrieben) auch nur im Entferntesten sich mit dem "Fall Cristina" vergleicht.

Ave
Cäsar

PS:Weil hier immer wieder Beweise im rechtstaatlichen Sinne gefordert werden,was im Falle der securitate sehr schwierig ist, habe ich nichts schreiben wollen. Wer jedoch bei der "HM-Ausstellung" in München dabei war, und sich einigermassen in der Materie auskennt, hätte erkennen müssen, dass Stephani Spitzel war.
Carl Gibson
schrieb am 23.11.2010, 20:40 Uhr
Ist Herta Müller sakrosankt? Darf man immer noch keine kritischen Fragen stellen?
Ich habe - wie oben zitiert - heute auf FAZ Net zwei Kommentare zur Thematik abgegeben. In beiden Fällen wurden die kritischen Passagen zu Herta Müller entfernt.

Das ist wie bei Ceausescu und Honecker - dies in der FAZ!?
Weshalb wird Herta Müller immer noch protegiert?
Im zweiten Kommentar zu Claus Stephanis Pseudo-Rechtfertigung verwies ich auf die Linie: Müller, Schlesak, Stephani - jeder der drei Namen gab die Täter-Seite von "Cristina", "Ehrlich" und "Moga" als Machwerk der Securitate aus.
Also: Jeder Beschuldigte darf sagen; Ich war es nicht, es war die Securitate, die mir alles untergeschoben hat.

Durch das Streichen des Namens "Herta Müller" neben den Namen Stefani und Schlesak wurde mein gesamter Kommentar sinnentstellt.
Ist das noch verantwortbarer Journalismus?

@BieneX - Meine Securitate-Akte bei der CNSAS lautet schlicht "Gibson Karol" - ohne jeden Decknamen!

Auf der Akte ist ein Vermerk ( Kästchen ) zum Kooperations- und Täteraspekt: "Nu exista".
Das ist eindeutig.

Es ist denkbar und sogar wahrscheinlich, dass sich das Securitate- Erfassungssystem nach der Stalinismus-Zeit geändert hat.
Wer wissen will, wer sich hinter einem bestimmten konspirativen Namen ( Decknamen)versteckt, kann bei der CNSAS via Antragstellung nachfragen und die Identität klären lassen. Dabei gab es schon manche Überraschung.

(Zur Abklärung solcher Details hatte ich hier einen eigenen Strang eingerichtet, der übersehen wurde. )
CG
bankban
schrieb am 23.11.2010, 21:19 Uhr
"Deswegen ist es im hohen Masse unverschämt wenn Claus Stephani(ich wiederhole:laut seiner eigenen Aussage hat er ein "Angajament" unterschrieben) auch nur im Entferntesten sich mit dem "Fall Cristina" vergleicht."
Cäsar
seberg
schrieb am 23.11.2010, 22:00 Uhr (am 23.11.2010, 22:01 Uhr geändert).
@cäsar: Ich kenne die HM-Ausstellung in München nicht, habe auch keine Securitate-Akten oder sonstigen „Beweisstücke“ gelesen, nur was in der Presse steht. Oskar Pastior ist für mich wesentlich glaubwürdiger als Claus Stephani, beiden bin ich vor Jahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten persönlich begegnet, dass sie IM’s waren wusste ich damals nicht, bei Pastior war es auch gar kein Thema.
Angesprochen auf den für das Leser-Publikum schwierigen Zugang zu seinen Gedichten, sagte Pastior, er wisse, dass er für einen sehr kleinen Leserkreis schreibe.
Nachdem seit ein paar Tagen bekannt ist, wie radikal er sich 1968 entschlossen hatte, zu dem ganzen „Ekelkomplex“ Securitate zu schweigen (s. FAZ vom 19.11.10 – Die späte Entdeckung des IM Otto Stein) und ihn zu „verdrängen“ – ein wohl eher krankmachender als „heilsamer“ Prozess – kommt mir seine Art zu Schreiben und zu Dichten vor wie eine ebenso radikale Entscheidung zur Einsamkeit und gegen Öffentlichkeit, wie eine Art Buße, aber keineswegs wie Flucht, Entlastung und Rechtfertigung. Sein Werk hat für mich ästhetisch und moralisch Bestand. In seiner Gegenwart spürte ich so etwas wie tiefe Trauer, in Gegenwart von Stephani nicht.

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