"Was gesagt werden muss"

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seberg
schrieb am 13.04.2012, 21:25 Uhr (am 13.04.2012, 21:45 Uhr geändert).
Wittl, vielleicht das? :

das gedicht kann, da es ja eine erscheinungsform der sprache und damit seinem wesen nach dialogisch ist, eine flaschenpost sein, aufgegeben in dem – gewiß nicht immer hoffnungsstarken – glauben, sie könnte irgendwo und irgendwann an land gespült werden, an herzland vielleicht. gedichte sind auch in dieser weise unterwegs: sie halten auf etwas zu.
Paul Celan

Na so was, schon wieder ein "Gedicht" in Prosaform!


Am bekanntesten ist wohl das hier:

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Todesfuge
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
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Weiß jemand, ob Richard Wagner und Thea Dorn es in ihr schönes Buch "Die deutsche Seele" aufgenommen haben?
Ist deutsche Kultur ohne diese Gedicht in Zukunft überhaupt noch denkbar?

bankban
schrieb am 13.04.2012, 21:41 Uhr (am 13.04.2012, 21:41 Uhr geändert).
Unwahrscheinlich. Würde mich wundern.

Wittl, meinst du nicht eher Celans Meridian-Rede von 1960:
http://users.luzern.phz.ch/~msteinbrenner/docs/texte/celan_meridian_auszuege.pdf
orbo
schrieb am 13.04.2012, 21:44 Uhr (am 13.04.2012, 22:02 Uhr geändert).
Gute Besserung Merlen...

Wittl, kann es sein, dass das Gedicht auf den Briefwechsel zwischen dem Dichter Paul Celan und seiner Frau Gisèle Celan-Lestrange zurückzuführen ist? Kann leider nicht viel dazu sagen, bin eher ein Favorit seiner "Schwellengedichte" mal gewesen...

Interessanter Gedanke: Was wäre, wenn ein Günther Grass einen Paul Antschel interviewen würde...?

Ergänzung:
Mensch seberg, wusste gar nicht, dass Du auf "bleiernes" Zeug à la Bacovia stehst... Zu welchem Schlagwort sollten Dorn & Wagner das Gedicht in ihrem Seelenband denn aufgenommen haben...?
Lee Berta
schrieb am 13.04.2012, 21:57 Uhr (am 13.04.2012, 22:01 Uhr geändert).
Ich möchte die relaxte Runde nicht weiter stören, bin auch gleich weg, wollte nur mal kurz noch ein paar Hintergrundinformationen ins Gedächtnis zurückrufen.

Der Staat Israel existiert seit 1948. Ben Gurion verlas die Unabhängigkeitserklärung. Die Gründung Israels basierte auf der UN-Resolution 181 (II). Der Teilungsplan sah vor, dass die etwa 600000 Juden, die damals nur etwa 10% des palästinensischen Bodens besaßen, 56 Prozent des bisherigen britischen Mandatsgebiets erhalten sollte, während die 1,3 Millionen Araber, welchen fast die Hälfte des Landes gehörte, sollten 44 Prozent des Landes bekommen. Im UN-Teilungsplan ging man von 2 Staaten aus, miteinander verbunden in einer Wirtschaftsunion. Jerusalem sollte als selbständige Einheit von den Vereinten Nationen verwaltet werden. Die Palästinenser lehnten den Plan ab. Diese Entscheidung zog eine Blutspur bis zur heutigen Zeit. Der israelische Unabhängigkeitskrieg endete mit dem Sieg Israels, wobei die Israelis rund die Hälfte des Territoriums eroberten, welches den Palästinensern zugesprochen wurde. Das Restterritorium, im Wesentlichen der heutige Gazastreifen und das Westjordanland, blieben unter der Herrschaft Ägyptens und Jordaniens, bis Israel diese Gebiete im Sechs-Tage-Krieg von 1967 ebenfalls eroberte. Der Unabhängigkeitskrieg forderte Millionen von palästinensischen Flüchtlingen, die systematisch aus ihren Häusern vertrieben wurden und bis heute teilweise noch in Flüchtlingslagern leben. Das Trauma, welches durch die Staatsgründung Israels ausgelöst wurde, ist als „Nakba“(Katastrophe) in das kollektive Gedächtnis der Palästinenser eingegangen.
Zur Debatte um einen eigenen Staat stehen nur noch die 1967 besetzten Gebiete. Die Grundlage hierfür ist die UN-Resolution 242 vom 22. November 1967. Diese „ fordert den Rückzug Israels „aus (den) besetzten Gebieten, die während des jüngsten Konfliktes besetzt wurden” im Gegenzug für eine Anerkennung Israels und die Respektierung seiner Sicherheit „frei von Bedrohung und Gewalt”.“
Inzwischen aber wurde eine massive Besiedlungspolitik vorangetrieben, die Gebiete wurden von den neuen jüdischen Siedlungen zersetzt, im Westjordanland wurde eine Mauer errichtet, die tief ins palästinensische Gebiet eindringt, so dass das Territorium der Palästinenser weiter verkleinert wurde. Das trotz mehreren UN-Resolutionen und Rückzugsversprechen und Friedensverhandlungen.
bankban
schrieb am 13.04.2012, 22:00 Uhr (am 13.04.2012, 22:02 Uhr geändert).
Vielleicht zählt mal jemand - als Hintergrundinformation - ein paar hinterhältige palästinensische Selbstmordattentate auf Unschuldige auf, die trotz Friedensverhandlungen verübt wurden.
Mircea32
schrieb am 13.04.2012, 22:04 Uhr


Die Juden sind kein Volk


Ich wusste nicht woher mir das bekannt war.
Es wurde schon mal hier diskutiert.

Jetzt habe ich es gefunden.
Es ist eigentlich die Hauptargumentation derjenigen die, die Existenz des Staates Israel und implizit die Existenz der Juden nicht akzeptieren.



In den Palästina-Papieren (von Al-Jazira) ist zu finden, dass die PLO bereits 2007 ein Memo schuf, dass gegen das Konzept eines jüdischen Staates gekämpft werden muss. Es werden eine Reihe von Gründen angeführt, aber einer sticht heraus: Die Anerkennung des jüdischen Staates impliziert die Anerkennung des jüdischen Volkes und die Anerkennung seines Rechts auf Selbstbestimmung. Diejenigen, die dieses Recht geltend machen, machen auch geltend, dass das Territorium, das mit diesem Recht auf Selbstbestimmung verbunden ist (d.h. das Bestandteil der Selbstbestimmung) das ganze historische Palästina ist. Daher könnte die Anerkennung des jüdischen Volkes und seines Rechts auf Selbstbestimmung dem Anspruch des jüdischen Volks auf das ganze historische Palästina Glaubwürdigkeit verleihen.

Man beachte den von der PLO hier zur Schau gestellten Zynismus. Die tatsächliche Wahrheit, dass es ein jüdisches Volk gibt, ist ihnen zu unangenehm, denn wenn es ein jüdisches Volk gibt, dann haben sie das Recht auf Selbstbestimmung, das im Widerstreit zur palästinensisch-arabischen Version der Geschichte steht. Also ist es besser vorzugeben, dass es ein solches Volk nicht gibt.


Link
Lee Berta
schrieb am 13.04.2012, 22:10 Uhr
Vielleicht erläuterst du, bankban, die Konditionen, die erfüllt werden müssen, damit die israelische Regierung die angstfreie Sicherheit der Israelis gawährleisten kann.
@ grumpes
schrieb am 13.04.2012, 22:15 Uhr
Mit seinem Gedicht hat Günter Grass schon mehr erreicht, als viele Politiker jeglicher Couleur und Nationalität.

Er hat die Menschen sensibilisiert und aufmerksam gemacht.

Allein dafür sollte man ihm schon danken.
Lee Berta
schrieb am 13.04.2012, 22:17 Uhr
Das Existenzrecht des Staates Israel basiert auf der UN-Resolution 181, der völkerrechtliche Anspruch der Palästinenser ebenso.
Wittl
schrieb am 13.04.2012, 22:19 Uhr (am 13.04.2012, 22:21 Uhr geändert).
Allein dafür sollte man ihm schon danken.

was hält dich davon ab?
Zieh deinen Hut vor ihm oder schick ihm ruhig nen Dankesbrief im DIN A2 Kuvert.

PS; mich stört nicht was er schreibt, sondern die Art WIE er schreibt (und das gewaltig)
Mircea32
schrieb am 13.04.2012, 22:20 Uhr (am 13.04.2012, 22:23 Uhr geändert).

Er hat die Menschen sensibilisiert und aufmerksam gemacht.

Allein dafür sollte man ihm schon danken.


Wenn ich ihn mir mit seinem Tatoo auf dem Arm mit dem er die einfühlsame Feder hält vorstelle, erscheint mir alles als Betrug irgendwie.

Wäre seine Vergangenheit früher bekannt, hätte sein Leben bestimmt eine ganz andere Laufbahn genommen, auf jeden Fall keine so glänzende.
orbo
schrieb am 13.04.2012, 22:20 Uhr (am 13.04.2012, 22:21 Uhr geändert).
Er hat die Menschen sensibilisiert und aufmerksam gemacht.

Worauf aufmerksam gemacht?
Friedrich K
schrieb am 13.04.2012, 22:23 Uhr
Er hat die Menschen sensibilisiert und aufmerksam gemacht.
Aber wie ...

Ich bin der Meinung daß im "Informationszeitalter" ein Großteil der Menschen das weltpolitische Geschehen aufmerksam und "sensibel" verfolgt und keinen Holzhammer benötigen um aus ihren Tagträumen gerissen zu werden.
TAFKA"P_C"
schrieb am 13.04.2012, 22:24 Uhr
... die Existenz des Staates Israel und implizit die Existenz der Juden nicht akzeptieren.

Echt? Impliziert das Nichtakzeptieren des Staates Israel, das Nichtakzeptieren der Existenz der Juden?
TAFKA"P_C"
schrieb am 13.04.2012, 22:28 Uhr
PS; mich stört nicht was er schreibt, sondern die Art WIE er schreibt (und das gewaltig)

er schrieb aber nicht so was wie "neam de neamul lor", "de needucat", "rasişti înnăscuţi" ...., oder ?!

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