Sachsesch Wält
Ufung
Info Oswald Kessler • 1:41 Minuten • Herunterladen
Hetj setj et mer esi ois,
wai wunn ändlich det Fraihgohr hai wer.
Der Dooch äs lenker,
et äs nämmih esi dånkel,
wunn ich ois der Årbet hiemekunn.
Na fåindjen ich mich zwäschen Zäjjen
uch Bahnhiefen beßer zeriëcht.
Än der nuëien „Hiemetstådt“ stoh Biem,
dai mer fremd sen: Dånnen, Erlen, Båchen.
Ierest, äm Abekunten, giht de Sånn uëwen,
wiëhrend det blolächtich Miërteshüiren de Nuëcht erbairefft.
Speter soot et ålle Stångden un.
Derhiem sätzen ich mich un den Mättochdäsch.
Ois enem Uģwänkel
sahn ich schreech kem Telefon.
Dot åwer schwecht iejesännich.
Ålle as Frängd kennen as Nummer;
wunn ändlich emmest urefft, äs et en Fremder,
die folsch gewiëhlt hot;
Zetj hu mer füir näst,
und dennich äs se guunz läddich.
Hoffentlich vergiht se uch esi.
Landsberg um Lech, 1990
Zusätzliche Informationen
Der Autor erlebt den Beginn des Frühjahrs mit befremdlicher Nüchternheit: Aus der Nachtschicht nach Hause gehend, empfindet er das heller werdende Morgenlicht als Erleichterung. Doch es schwingt eine weitere Ernüchterung mit. Dem Nachhause gelingt es nicht, ein Daheim zu werden. Zu vieles steht dem entgegen: Ja, auch das Fehlen der geliebten heimatlichen Natur. Schwerer wiegt jedoch der Verlust jener Wärme, die uns als gewachsene Zwischenmenschlichkeit das Gefühl von Heimat vermitteln kann. Ausgerechnet diese heimatliche Wärme ist abhandengekommen. Nicht so sehr durch geographische Trennung, schließlich verfügen wir ja über ausgezeichnete Kommunikationsmöglichkeiten. Schuld ist vor allem die Vereinnahmung durch einen vordergründig auf Profitmaximierung und äußeren Erfolg ausgerichteten Zeitgeist, in dem menschliche Werte immer mehr an Bedeutung zu verlieren scheinen. Dies empfindet der Autor als soziale Kälte. Manchem Spätaussiedler, vor allem der älteren Generation, dürfte eine derartige Erfahrung nicht unbekannt sein.Das Gedichte wurde entnommen dem Band von Oswald Kessler, Elisabeth Kessler, Wilhelm Meitert: „Af deser Ierd als Gast derhiem. Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart“. München: Selbstverlag, 1996
Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 31. März 2012, Seite 7
Ortsmundart: Kerz