Sachsesch Wält

Katharina Kessel

De Zäit

Info Katharina Kessel • 1:33 Minuten • Herunterladen

De Zäit kent nichen Gränze,
se huet näst Rast uch Rauh,
sai kent och nichen Åfhåln,
dai rennt nur aine zau.

Se huet nast Komeråtn,
a jeder håsst de Zäit.
Sai nitt åf naimen Racksicht,
de Zäit huet nichen Zäit.

Wunn zwäi Verlaiwtn soo:
„Gelaiwt Zäit, bläiw doch stu!“,
hirt sai nast diss hesch Weerter,
de Zäit maiß wäiter gu.

A jeder huet am Liëm
munch hesche Ongeblack.
Am wanscht sich en mol wider –
de Zäit kitt nast zerack.

Sai hollt nast nur det Gaudes,
och Lichtet as derbäi.
Sai huet bepåckt de Kiffer,
ånd dou as muncherlåi.

Sai let aus nast dran saikn,
sai dellt Paketter äos.
Ånd as amol wåt Lichtet,
måch dau det bast deräos.

Versaik sai nast zem åfhåln,
de streng och hurtij Zäit,
dau wirst dich nur anttäische:
De Zäit huet nichen Zäit.

De Zäit wird aine schniëler,
ånd mir liëm mattndran.
Behål nur de hesch Säiten,
du’ måcht det Liëm och Sann.

2011

Anmerkungen zum Text, Worterklärungen

Das Gedicht ist in der Ortsmundart von Paßbusch mit Weilauer Einschlag (beide Nordsiebenbürgen) geschrieben.
kent – kennt
nast – nicht; nichts
hollt – bringt
saikn – suchen

Zusätzliche Informationen

Dass uns die Zeit wie im Fluge vergeht, ist hinlänglich bekannt. Was die Autorin jedoch bedauert, ist die dadurch bedingte Teilnahmslosigkeit der Zeit uns gegenüber: Stereotyp kehrt im Gedicht der Ausspruch wieder, die Zeit habe keine Zeit (für uns). An ein „werd ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön“ (Goethe, Faust) ist nicht zu denken. Wie im Schnellzug rast die Zeit vorbei und wirft uns dabei unsere Schicksalspakete wahllos zu. Deren Inhalt kennt sie nicht. Erst wir stellen fest, ob Gutes oder Schlechtes drin enthalten ist. Dieser entmutigenden Aussicht wird jedoch eine positive entgegengehalten: Wir Menschen haben die Wahl, aus dem Gegebenen jeweils „das Beste zu machen“.

Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 5. Dezember 2017, Seite 6

Ortsmundart: Paßbusch

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