Sachsesch Wält

Elisabeth Kessler

Aldiest ...

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Aldiest
wor ich gläcklich äm Härwest,
da vir Froad de farwich Blädder dunzten,
der Wängd mät mengem Hoor spillt
und deng Lache mir entkeekum.

Aldiest
broingt e mer e Lied, der Härwest,
dåt mir gesangen hun af ase Wiëjen.
Mer gengen durch den Härwest,
und de Zekt bliw stohn.

Aldiest
klappt e un de Dirr, der Härwest,
und brängt en Gross vun dir.
Ta bäst iwwer de Bräck gegongen,
und ech bliw äm Niëwel ellien.

Aldiest
bän ich gläcklich äm Härwest,
wonn der Bäsch äm Wängd sich wäjjt,
der Sie mät bloem Uģ mer zwänkelt
und ta, meng Säster, mät mir gihst
durch desen Härwest.

Herbst 2012

Zusätzliche Informationen

In dem Gedicht „Aldiest ...“ von Elisabeth Kessler ist der Herbst mehr als eine Jahreszeit, auch mehr als die beliebte Metapher für den Lebensabend. Hier steht das Wort Herbst für das Wissen um mögliche Vereinsamung. Man fühlt sich an die Zeile in Rainer Maria Rilkes Gedicht „Herbsttag“ erinnert: „Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben ...“. Es war nicht die Farbenpracht der Blätter allein, die die Dichterin erfreute, sondern noch mehr die Gegenwart eines lieben Menschen. Und es war weniger der nahende Winter, der sie ängstigte, als vielmehr der befürchtete Verlust des vertrauten Du. Deshalb schließt das Gedicht auch nicht mit der melancholischen Rückschau auf Vergangenes, sondern mit einem in der Gegenwart erlebten Beglücktsein durch das Geschenk einer schwesterlich verwandten Seele.

Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 20. Oktober 2015, Seite 8