Sachsesch Wält
Kristof, der Spaßvogel
Info Katharina Kessel • 2:42 Minuten • Herunterladen
Der Kristof wår a Musikant,
a Spaßvogel, wai em saln fandt.
Wår evangelesch, riëd gaut sochsesch,
a låstich Kärl, am konnt vil låche.
Der Kristof, diër wår a Zegu,
for Spaß wår hië gaut zem beku.
Der Gruiße huet hië amol gesoot:
„Walt Ihr hirn, wai em Eich kloot?“
Det wår Wanter, nåss och kålt,
ånd och dånkel iwerål.
Det Elektresch wår noch nast,
der Lotiërn wår åf der Hast.
Nat a jeder hått uch diën,
derfu wann mir gläich riën.
Bai’n Zeguin huet e gefählt,
Nat det änzich an der Wält.
Der Kristof holt aran de Letter,
zäicht er u der Gruiß ihre Zwetter,
dai liëcht hië nau an Gruiß ihr Bat,
mat der Dak hesch zaugedakt.
De Gruiße såz rauhich hander dem Omm,
det Riën och Weggeln wårn vebonn.
Se wår mat viel Gräd zaugedakt,
maußt nur noch hirn, wåt hai geschaiht.
Der Kristof as gång vor u’ Haus
ånd huet gekrasche:
„Ale, Karlincha, ale, Mitzi, muljal e Mámi! –
Zehalf, Karlintche, zehalf, Mitzi, de Gruiße as gestorem!“
Durtäos – stockdonkel, wai am Såck!
Ånd de Zeguin säi äosgeråckt,
durich Schnie och Wåsser iwern Gruem,
ålt ender huet och maiße buen.
Nau wårn sai nåss och voller Muer,
zem Kristof stirm sai ålle duer.
A gruiß Gejoomer och Gekloo,
bas sai båld häser säi geworn.
Baim Bat måcht sich der Kristof breet,
naimest konnt saih, wai et dou steht.
Geklout huet hië nur ånne Zährn,
de Åndern konn nammi berän.
Åf ämol hirt hië platzlich åf:
„Laiw Gruiße, stoht nau wider åf!
Det huet gelångt, det Kräische och Kloo:
Asu as et, wunn Ihr maißt goh.“
Wai et dem Kristof as argång,
måcht Ich nau salwest de Gedång!
Dat wår dau an besånder Nuecht,
a Spaß vu Kristof sänder Uert.
Anmerkungen zum Text, Worterklärungen
1. Strophe: saln – selten2. Strophe: Gruiße – Großmutter; Eich kloot – Euch (rituell) klagt
3. Strophe: det wår – es war; wår noch nast – gab es noch nicht; der Lotiërn – die Laterne; Hast – offener Gang am Haus
4. Strophe: wann – wollen; riën – reden
5. Strophe: Letter – Leiter (wird mit der Strickjacke bekleidet)
6. Strophe: såz – saß; Omm – Ofen; det Riën – das Reden; det Weggeln – das Bewegen; verbonn – verboten; Gräd – Kleider
7. Strophe: vor u’t – vors
8. Strophe: ålt ender – manch einer; buen – baden
9. Strophe: stirm – stürmen; häser – heiser
10. Strophe: nammi berän – nimmer aufhören
12. Strophe: de Gedång – Gedanken; sänder – Seiner
Zusätzliche Informationen
Kristof, von dem im nebenstehenden Gedicht berichtet wird, gehörte einer Personengruppe im nordsiebenbürgischen Ort Weilau an, deren Existenz nicht allen Lesern bekannt sein dürfte: Sie sind Roma, sind evangelisch und haben, als die Sachsen vor dem Krieg noch in jenen Dörfern lebten, wie auch andernorts in dem Gebiet, sächsisch gesprochen. Benutzt wurde im Gottesdienst das evangelische Gesangbuch. Ihren Lebensunterhalt haben sie durch Arbeit bei den Bauern bzw. später auf den Staatsfarmen bestritten. Da die meisten von ihnen sehr musikalisch waren, gab es für die Weilauer Geiger ein Zubrot, indem sie als Musikanten zu Hochzeiten und anderen Anlässen gedungen wurden. Durch die Musik waren sie (zusätzlich zu den Turnern, der Blasmusik) eingebunden in das örtliche Brauchtum, begleiteten musikalisch etwa das „Hahnenschießen“ am 2. Ostertag oder an Pfingsten das „Kranzabreiten“.Die gebürtige Paßbuscherin Katharina Kessel hat als Grundschullehrerin von 1964 bis 1984 mit ihrem Mann und den Schwiegereltern in Weilau gelebt. Kristof, der Spaßvogel, und seine Frau haben den Schwiegereltern bei den Feldarbeiten oft geholfen, es waren fleißige Leute. Und wo der Kristof war, da ging es auch bei der Arbeit heiter und lustig zu. Er konnte ungemein viel und sehr anschaulich erzählen.
Kristof und seine Frau sind inzwischen verstorben. Die heutige Generation bildet nach dem Wegzug der Sachsen die evangelische Kirchengemeinde. Ihr Leitbild ist die Ordnung und Disziplin der Siebenbürger Sachsen. Deshalb ist auch die Kirche ordentlich und gepflegt.
Zur gegenwärtigen Situation wurde uns vom zuständigen Pfarramt in Sächsisch Regen berichtet: Eine evangelische Romagemeinde gibt es nur in Weilau. Vereinzelte Gemeindeglieder leben auch in Botsch. Die älteren Gemeindeglieder sprechen noch sächsisch. Die Jüngeren können das nicht mehr. Die Predigt im Gottesdienst ist deshalb rumänisch.
Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 10. August 2016, Seite 6
Ortsmundart: Paßbusch