Sachsesch Wält
Typesch Åålder
Info Hans Otto Tittes • 1:37 Minuten • Herunterladen
Der älder Mänjsch, uch wonn’t net wäll,
äs äbegräffen än diëm Späll,
dått hie noo iërend äster set,
wåt hie versårjt hot vuer er Zet;
norr hot e nichen blooen Donst,
wo dåt keent sen, et äs ämsonst.
E säckt und fånjd uch zemlich vill,
norr dåt net, wåt hie gäre wiël,
uch wonn de Kästen åll sen ofen,
hot hie det Richtij net untrofen;
et wäll em het wedder net gläcken
mät desem elendije Säcken.
Noo desem ållem dinkt hie drun:
„Mech kån em norr bestuehlen hun.“
Um neechsten Dåch, wä endje stur,
säckt hie noo glecher Prozedur
äst ånderet, en ånder Stäck
und fånjd et net. – Doch hot hie Gläck,
e fånjd, uch wonn et leicht verstuuwt,
wåt geestern hie hält ååls geruuwt.
Dåt mät dem Stiëhlen nitt hie naa
Uch nemmi grod esi genaa.
E fråt sich, dått hie’t dennich fangden.
Und dro vergohn nooch en poor Stangden,
bäs e versårjt dett hiër, genjt dor,
und neechstens sächer – net wieß wor!
Typisch Alter - Hochdeutsche Übertragung
Der alte Mensch, zumindest viele,
ist oft beschäftigt mit dem Spiele,
dass er heut meist nach jenem schaut,
was er vor kurzer Zeit verstaut;
das Dumme doch liegt grad darin,
er weiß nicht mehr genau wohin!
Er sucht und findet, arg geschlaucht,
das, was er sowieso nicht braucht,
obwohl Kommoden, Schränke offen,
nur hat er das nicht angetroffen,
was er verzweifelt hat gesucht.
Es hilft nicht, wenn er sogar flucht.
Er kommt zum Schluss ganz unverhohlen:
„Das hat man mir bestimmt gestohlen.“
Am nächsten Tag, wie immer stur,
sucht er nach gleicher Prozedur
nach einem andern alten Stück
und findet’s nicht. – Doch da, zum Glück
entdeckt er, auch wenn leicht verstaubt,
was gestern hielt er für geraubt.
Das mit dem Stehlen lässt er nun
vorerst als falsch auf sich beruhn.
Er freut sich, dass er’s hat gefunden.
Und so vergehen manche Stunden,
bis er nach diesem, jenem schaut
und alles wieder schön verstaut,
und nächstens dann, um jeden Preis,
wohin er’s tat, wie heut nicht weiß.
Übersetzt von Hans Otto Tittes
Zusätzliche Informationen
Gelegentliches Vergessen ist ein allgemein menschliches Phänomen. Allerdings: Mit zunehmendem Alter tritt es oftmals verstärkt in Erscheinung. Das ist meist schon an sich ärgerlich, erstrecht, wenn man bedenkt, dass ein Teil der wohlverdienten Ruhestandszeit von der Suche nach unauffindbaren Dingen in Anspruch genommen wird. Anstatt sich zu ärgern, schlägt Hans Otto Tittes vor, das kleine Gebrechen mit Gelassenheit und einer Prise Humor hinzunehmen. Das dürfte umso eher gelingen, wenn man bedenkt, dass Altersvergesslichkeit in der Regel nicht Vorbote einer ernsthaften Erkrankung ist.Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 10. August 2020, Seite 6