Sachsesch Wält
Der ADMW-Krånk
Info Hans Otto Tittes • 1:12 Minuten • Herunterladen
E Mån äs ADMW-krånk
und sätzt zem Dokter åf der Bånk.
(ADMW list em esi:
„Härr Dokter, ålles dit mer wih!“)
Wä naa der Mån endlich derun,
frooģt än der Oorzt, woräm e kunn
za äm wer, wel hie näst wed fånjden,
wädder vu vuerhär nooch vun hånjden.
Der Oorzt schäckt en uch za’m Kollejen,
die siël sich uch äst iwwerliëjen.
Der Mån giht sihr besårjt dro wetter,
erfiëhrt vun åndern Äärzte wedder,
dått sä bä äm näst känne fånjden.
Noo’r Zet lat mät gefaald’nen Hanjden
der Mån äm Bat gåånz kåålt uch – diet.
Und åf dem Grawstien nohiër stiht
lånjst senjem Nummen nooch derza:
„Nå, gliewt er mer et meernoor naa?“
Der ATMW-Kranke - Hochdeutsche Übertragung
Ein Mann mit ATMW-Syndrom,
der geht zum Arzt. Wohin denn schon?
(Als ATMW-Syndrom versteh:
„Herr Doktor, alles tut mir weh!“)
Der Arzt legt los mit Untersuchung,
befragt, gerät fast in Versuchung,
nachdem er nichts gefunden hat,
ihm ins Gesicht zu sagen glatt,
dass er ein Hypochonder sei.
Doch denkt er sich so nebenbei,
ich schick’ ihn lieber zum Kollegen,
der soll sich auch was überlegen.
Gesagt, getan, der Mann geht weiter
zu Ärzten, gilt als Außenseiter,
weil’s fehlt an einer Diagnose.
Er sieht ganz schwarz seine Prognose.
Nachdem das Arzt-Hopping nichts bringt,
der Kranke tot im Grab versinkt.
Dann auf dem Grabstein steht zuletzt:
Nun, glaubt ihr mir zumindest jetzt?
Übersetzt von Hans Otto Tittes
Zusätzliche Informationen
Wörter, die aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammengesetzt sind, heißen Akronyme. Sie begegnen uns im Alltag häufig, so auch im Gesundheitswesen z. B. Aids, ADHS oder PTS. Das Akronym freilich, mit dem der Autor das Leiden seines fiktiven Patienten benennt, bezeichnet keine spezielle Krankheit, sondern einen Allgemeinzustand des Organismus, für den es früher den Ausdruck Altersgebrechen gab. Weil dies Wort in der modernen Diagnostik aber nicht vorkommt, beginnt für unsern Patienten die sogenannte „Odyssee von Arzt zu Arzt“ ohne Feststellung einer namhaften Krankheit. So entsteht bei ihm das Gefühl, mit seinem Leiden nicht ernst genommen zu werden, ein Gefühl, das auch manchen realen Patientinnen und Patienten nicht unbekannt sein dürfte. Das Gedicht Der ADMW-Krånk entnahmen wir dem Bändchen von Hans Otto Tittes „Zem Låchen uch Nodinken. Drabenderhöhe 2009“. Dort findet man auf Seite 49 auch eine hochdeutsche Version des Gedichtes.Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 5. Juli 2021, Seite 8