Sachsesch Wält

Hans Otto Tittes

Stress um Telefon

Info Hans Otto Tittes • 2:11 Minuten • Herunterladen

Äs em krinklij hetzedåch
und derza zem Fåchoorzt mess,
nå, me Läwer, låss der son,
bäs em dor kitt, äs’t e Stress!

Denn, wä jo e jeder wieß,
ohnen en Termin lieft näst,
mehr wonn ta uch sälwest gliewst,
dått te schär um Leetzte bäst!

Wonn em endlich dro emol
durchkunn äs um Telefon,
hiërt em iërscht vum åndern Ånjd
en zoort Stämm dett „Värschke“ son:

„Se’ Sä Kassepatient,
dräcke Se åf 1 emol.
Wonn Är Fåll en Nietfåll äs,
Äs de 2 de richtij Zohl.

Se’ Sä åwwer P-Patient,
äs de wichtij Ziffer 3.“
(Wässt Er, angder aas gesot,
äs dess Liedung miestens frå.)

Dräckt em naa iefåch åf 1,
äs em åf der Ställ entsåtzt,
denn em hiërt norr ennen Ton,
(wä em ahne kån): Besåtzt!

No dem zwinzijste Versack
äs em echt genärvt dervun
und refft voler Hofnung en
åndern Fåchkollejen un,

wo em wedder voler Wat
ålles mätmåcht wä zevuer:
Klingeln, woorden, dro – Besåtzt!
Scherrle keent em se naa guer!

Wonn em dett hot mätgemåcht,
dinkt em un dä frährij Zet,
wo em nichen Telefon
fuer Terminer brocht wä het.

Em geng norr zem Dorfoorzt zwor,
såß do vill mih wä en Stangd;
gåw’t de richtij Medizin,
woord em miestens uch gesangd!

Erschienen erstmals im Dezember 2020 in „Der Medwescher Tramiter. Det Saksesch Bliet der Medwescher Himetgeminschuft“.

Stress am Telefon - Hochdeutsche Übertragung

Ist man kränklich heutzutage,
wird das meistens eine Plage
und dazu der Kopf noch raucht,
wenn man einen Facharzt braucht.

Denn zuerst, wie jeder weiß,
ob man jung ist oder Greis,
braucht man halt einen Termin,
ohne kommt man gar nicht hin.

Ruft man an per Apparat,
sagt ’ne Stimme ganz apart:
Falls man sei von einer Kasse,
also aus der großen Masse,

drücke man die 1 einmal.
Wenn man Notfall oder Wahl-
leistungswünschender gar sei,
Taste 2 oder die 3.

Drückt man nun auf 1 normal,
geht es los zur nächsten Qual,
denn jetzt hört man ganz entsetzt
einen Ton, und zwar – „Besetzt“!

Nach dem zwanzigsten Versuch
hat man davon echt genug
und peilt voller Hoffnung dann
einen Fachkollegen an,

wo man alles voller Zorn
wieder mitmacht ganz von vorn:
Klingeln, warten, dann „Besetzt“!
Jeden von uns das anätzt!

Um nicht dazustehn bei drei,
wie man grad bei Nummer zwei
und davor bei eins schon stand,
und sich sehr veralbert fand,

fasst man stöhnend den Entschluss,
dass man’s nicht mitmachen muss
und denkt: „Schluss! Dies ist Absurdes!

Morgen bin ich weg – nach Lourdes!“

Lourdes – Wallfahrtsort in Frankreich. Der dortigen Quelle werden Heilkräfte zugeschrieben. Der Ortsname wird hier so gelesen wie geschrieben, auch wenn das nicht die eigentliche französische Aussprache ist.

Übersetzt von Hans Otto Tittes

Zusätzliche Informationen

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zurzeit alle im Gespräch. Haben Sie einen Augenblick Geduld. Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden.“ Musik. „Bitte legen Sie nicht auf…“ Musik. Wer kennt sie nicht, diese nervigen Telefonschleifen? Und das soll dann der technische Fortschritt sein, der unser Leben angeblich leichter und bequemer macht? Da kann man leicht nostalgisch werden: Wie war das früher doch ganz anders! Doch bevor wir nun beginnen, das Lied von der „guten alten Zeit“ anzustimmen, sollten wir, die wir noch in der Sozialistischen Republik Rumänien zum Arzt gegangen sind, uns daran erinnern, wie es damals war: das Herumlaufen, bis die Stange KENT besorgt war und das nötige Kleingeld im „plic“ (Briefumschlag) lag…

Ist es da nicht wesentlich angenehmer, wenn man bequem im Sessel sitzt und das „Haben Sie einen Augenblick Geduld“ einige Male ertragen hat, bis dann doch eine freundliche Stimme ertönt: „Was können wir für Sie tun?“

Noch besser ist natürlich: Gesund bleiben!

Quelle: Siebenbürgische Zeitung vom 28. September 2021, Seite 6