Der Misch, die Schuhe und der Pali

Der Mariarmisch war in Donnersmarkt ein angesehener und recht wohlhabender Bauer und demzufolge bei allen geschätzt. Sein Alltag verlief, wie der der anderen Landwirte auch, in ziemlich eingeschränkten Grenzen: Morgens hinaus auf die Felder, abends zurück, Versorgung des Viehes, dann ein kräftiges Abendbrot - gefolgt von einer Kanne Wein- und dann ab in die Federn.
Da unser lieber Misch nichts anderes wusste, war er mit dem eintönigen Tagesablauf alles andere als unzufrieden. Seine Frau, die Lis, war bekannt als sehr streitsüchtig - ein Mund, wie eine Scheune - und so war der Misch immer froh, wenn er dem Haustyrannen los wurde. War er außerhalb ihrer Reichweite, so fing er munter an zu pfeifen oder ein Liedlein anzustimmen. Er sang laut und falsch. So laut und so falsch, dass beim Vernehmen solcher "Arien" sogar die in un-, aber sogar mittelbarer Nähe befindlichen "Zwitscherer" schleunigst das Weite suchten. Doch das störte den Misch nicht Hauptsache, der weibliche Drachen war weit weg.

Wie alle anderen Dörfler auch, besaß der Misch nur zwei Paar Schuhe; eines für den Alltag, das andere für Festtage. Im Laufe der Zeit brachte er Erstere wiederholt zum Gualesjirko, dem Schuster, um sie toppeln zu lassen, doch irgendwann konnte auch der "singende Schuhflicker" nicht mehr weiter helfen, also musste ein neues Paar her.

Am folgenden Donnerstag lud er seinen fettesten Eber auf den Wagen und begab sich zum Markt nach Blasendorf. Dort verkaufte er seinen Liebling sehr günstig, da es an diesem Tag kaum Borstenvieh im Angebot gab und marschierte stracks in Richtung des erstbesten Schuhladens.

Auf dem Weg dorthin überkam den Donnersmarkter plötzlich ein riesiger Durst, nicht nach Wasser, wie man meinen könnte, sondern nach Pali. Von dem durfte er zu Hause immer nur einen Stamperl trinken, denn er schmeckte in gesüßter Form auch der Lis, also achtete sie strikt darauf, dass er die Tagesration nicht überschritt. Jetzt aber war ja der "General" nicht dabei, also dachte der Misch nicht lange nach und betrat die nächstbeste Kneipe, wo er sich volllaufen ließ.
Nun war er das Geld los - und die neuen Schuhe auch -, doch das war jetzt Nebensache. Er legte sich in den Wagen, gab den Kühen das Startsignal - die kannten den Weg auswendig - und fing an noch lauter zu "jodeln", so laut, dass sogar die am Ortsrand des Städtchens herum streunenden Hunde aufgeschreckt in den Hinterhöfen verschwanden.

Vor der Haustür hielten die Kühe an, konnten jedoch den Hof nicht betreten, da der Misch nach seinem Solo so erschöpft war, dass er nun schnarchte. Erst das laute Muhen der Rinder machte die Lis neugierig, sodass alles seinen normalen Lauf nehmen konnte.
Sie stöberte im ganzen Wagen herum, fand jedoch keine Schuhe. Erst am nächsten Morgen, als der "Hausherr" wieder ansprechbar war, konnte das "Geheimnis" aufgeklärt werden:

"Stell dir vor", sagte der Misch, "ich habe nach dem Verkauf des Grunzers einen Schuhladen betreten und die Füße gefragt, ob sie denn Schuhe haben möchten, doch die haben nichts gesagt. Dann bin ich ins Lechiff (Wirtshaus) gegangen und habe den Hals gefragt, ob er Pali (Korn) haben möchte und der hat laut und mehr als überzeugend `ja` gesagt. Du weißt doch, wie das ist: Wer sich lauter meldet, der bekommt auch schneller Recht. Nichts anderes habe ich getan!"

Die Lis verstand die Ironie, stand auf und verließ den Ort des unrühmlichen Dialoges vor sich hin fluchend. Allerdings bestand sie darauf, beim nächsten Schuhkauf dabei zu sein, eine derart rechthaberisch ausgesprochene "Bitte", der der Misch nichts entgegenzusetzen hatte.

Aus "Zwischendrei Welten" von Walter Georg Kauntz

Erzählt von der Puschkegriiß

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