Dê "Biaschhiënkëln" ( Die " Waldküken" )

Der Zächel war im Dorf ein Außenseiter. Schuld daran waren keinesfalls die Mitbewohner, sondern er selber. Bei jeder Gelegenheit wusste er alles und besser als alle Anderen und sparte auch mit Ratschlägen nicht, kaum merkend, dass jeder auf solchen Rat liebend gerne verzichtete, denn er war fast immer falsch. So entwickelte sich im Laufe der Jahre eine tiefe Kluft zwischen ihm und allen Anderen. Wurde er z.B. auf der Straße gesichtet, so wechselte man eilig auf die andere Seite, um keine "neuen Tipps" zu erhalten. Zum Glück zeigte er sich sehr selten in der Gesellschaft, denn auch er hielt nicht viel von den anderen Mitmenschen. In seinen Augen waren es Dummköpfe, die es nicht verdienten, dass man hinter ihnen auch nur spuckte. So lebte er in seiner eigenen Welt, mit seiner eigenen Philosophie und seinen eigenen Plänen.

Seine Frau ging auch kaum unter`s Volk, weil sie sich seiner schämte. Abwechselung fand sie bei ihren Tieren und Blumen. Mit denen führte sie endlose "Dialoge" und schüttete bei ihnen ihr Herz aus. Manche waren sogar überzeugt, dass z.B. ihre Rosen deshalb so schön waren, weil sie von ihrer Herrin immer ein gutes Wort bekamen sowie Streicheleinheiten. Ich selber glaube nicht an solchen Hokuspokus, aber etwas könnte daran vielleicht doch wahr sein. Soll doch jeder glauben, was er will, schließlich kommen wir ja doch alle in die Hölle!

An einem Frühlingstag befand sich der Zächel auf einem seiner Grundstücke, um es umzuackern. Dabei fiel ihm auf, dass es in dem Jahr übermäßig viele Balutschen (Regenwürmer) gab, die bei diesem Vorgang an die Oberfläche kamen und die zählten bei seinen Hühnern zu den Delikatessen. Sie einzusammeln und dem Federvieh vorzuwerfen, hätte viel Zeit in Anspruch genommen und die hatte der Sonderling nicht. Nach langem Nachdenken - zu den Hellsten zählte er bestimmt nicht, obwohl er es von sich dachte - kam die leuchtende Idee: Man könne doch die Hühnergesellschaft aufs Feld transoprtieren und sie hinter dem Pflug freilassen. So würden sie selber in den Genuss dieser Leckerli kommen und er würde sich einen Haufen Körner sparen. Auch würde bestimmt nach einer so kräftigen Mahlzeit die Eierproduktion steigen und er den Überfluss in der Kooperative gegen bare Münze verkaufen und sich so einige Stamperl Pali im Lechiff (Dorfwirtschaft) gönnen können.

Zu Hause angelangt, stellte er eine voluminöse Kiste auf den Wagen, in die er am folgenden Morgen die ganze Hühnerbande samt Hahn verfrachtete. Die Lis sträubte sich zwar vehement hinsichtlich dieses neuen Schildbürgerstreichs, doch sie wusste, dass sie bei dem Grobian keine Chancen hatte und verließ die Stelle ihrer Beschwerde mit kullernden Tränen.

Auf dem Weg zum Zächelhattert ging es eine Weile durchs Dorf. Das eingekerkerte Federvieh machte dabei einen Riesenlärm, der so manchen Bewohner zum Zaungast verhalf. Sogar die Kinder trommelten laut Ihresgleichen zusammen, indem sie schrien: `Kommt schnell, der Zächel ist los!` Einige klatschten "anerkennend" Beifall, worauf der Urheber dieses neuen Hußarenstücks hämisch fluchte und sie alle in ihre wilde Bualë`grieß (Uroma)schickte. Die Kinderschar begleitete den Rohling bis zur Dorfgrenze, wobei auf beiden Seiten recht viele "Komplimente" fielen. Man kannte sich eben...

Erst nach dem Betreten von "außerterritorialem Gebiet" fand der so Beschimpfte seine innere Ruhe wieder und besann sich des Vorhabens, das noch böse enden sollte, und das kam so:

Am Ziel angelangt, wurden erstmals einige Pflugscharen aus dem Boden geholt, die tatsächlich eine Menge Balutschen zum Vorschein brachten. Nun war der/das Moment gekommen. Der "Inventator" kutschierte die Kiste auf den Acker und öffnete sie. Wie geplant, flog das Hühnervolk unter lautem Geschrei - wie nun mal Hühner sind - heraus, doch herrje: Anstatt sich an die Balutschen herzumachen, flog es orientierungslos in alle Richtungen auseinander, weil man die neue Umgebung nicht kannte. Schließlich wurde der nahe Ritschtechbiasch (Wald) erreicht, in dem sich die gefederten Zweibeiner verirrten und niemehr gesichtet wurden.

Der Zächel war bedient. Dass seine Mitbewohner blöd waren, stellte aus seiner Sicht keine Neuigkeit dar, dass jedoch auch die Hühner ihn so enttäuschen würden... Das gab es doch nicht! Schließlich wollte er ihnen doch nur etwas Gutes antun und nun das.

In der Hoffnung, dass sie in ihr "Quartier" - sprich Kiste - zurückkehren würden, stellte er dieses an den Waldesrand und wartete ab. Als nichts mehr geschah, ging er durchs Dickicht, um nachzusehen, doch von den Suppenlieferanten war weit und breit nichts zu sehen. Das Einzige, was er noch hier und da antraf, waren gerupfte Federn, die auf einen grausamen Abschied seiner Lieblinge hindeuteten. Niedergeschlagen fuhr er nach Hause, ging in den Keller, holte sich eine Kanne Wein, mit der er sich ans Kokelufer begab und irgendwann einschlief. So fand eine neue Robinsonate a la Zächel ihr Ende und die Lis konnte nun einige Mäuler weniger stopfen, also kann man das Ganze auch positiv sehen...

Aufgezeichnet von W.G. Kauntz

Erzählt vom Gogeschmisch

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