Der "entlarvende" Spiegel

Vor vielen Jahren soll in der Millguass (Mühlgasse) ein recht durchtriebener Hallodri gehaust haben, der Muazen Tumes. Im Unterschied zu vielen anderen Bauern des Dorfes, die parieren mussten, hatte er bei sich zu Hause die "Arbeitsteilung" eingeführt. Seine Frau, die Treng, musste nach der Feldarbeit noch das Vieh versorgen, während er in den Biërk (ein Auwäldchen) ging und dort ungestört seine Pfeife rauchte und angelte. Muckte Treng manchmal auf, so verwies der Tumes gleich auf seine Schwiegermutter, die auch bei ihnen wohnte und ordnete an, dass sie sich um den Herd kümmern solle, denn schließlich sei sie ja bei ihnen nicht auf Kur und Miete würde sie auch keine zahlen. Bei solchen Argumenten konnte das Weib nicht widersprechen und fand sich im Laufe der Jahre damit ab. Leider muss ich zugeben, dass der Tumes in Donnersmarkt fast der Einzige war, der sich derart durchsetzen konnte. Auch ich gehöre zu denen, die im Haus immer "die zweiten Sieger" sind. Deshalb erzähle ich euch diese Geschichte, damit wenigstens Einer von uns mal "die Hosen anhat". Ich weiß nicht warum, aber hier hat dieses Frauentum anscheinend Tradition. Schon mein Opa musste kuschen, mein Vater sowieso und von mir wisst ihr ja nun auch Bescheid, aber kommen wir zurück zum Tumes:

Eines Tages hatte er in Blasendorf zutun. Da er sich dort des Öftern herumtrieb - mal auf Wochenmärkten mal mit Geschäften anderer Art -, hatte er auch viele Bekannte. Traf man sich, so wurde fröhlich gebechert und während dessen so mancher Handel abgeschlossen. Doch diesmal kam es ganz anders: Der Nicu, ein mit allen Wassern gewaschener Rumäne, führte einen kleinen Spiegel mit sich. Den brauche er, um sich für ein Treffen mit einer neuen Flamme, die Lenuta hieß, schön zu machen - meinte er. Als der Tumes das "Gerät" zu sich nahm, bewunderte er das eigene Antlitz voller Erstaunen, denn bis dato wusste er ja nicht, wie er aussah: "Bin ich doch ein Prachtexemplar!", rutschte es ihm über die Lippen. "Jetzt weiß ich, weshalb mich die Treng trotz `Arbeitsteilung` mag."

Nachdem sich die Geschäftskameraden verabschiedet hatten, begab sich der "nun fesche" Tumes in den ersten Laden und besorgte sich auch so ein "Wundergerät". Auf dem Nachhauseweg zog er den Spiegel wiederholt aus der Hosentasche und ergötzte sich immer mehr am eigenen Aussehen. "Wie kann ein Mann nur so schön sein?", fragte er sich immer wieder und fiel fast in Extase vor Eigenverliebtheit.

Zu Hause praktizierte der "neue Adonis" die schon bekannte Methode so oft, dass es sogar der Treng auffiel. Die wurde natürlich neugierig und wollte das Rätsel umgehend lüften, doch der Tumes blieb hartnäckig: "Jeder Mensch hat so seine Geheimnisse, also wäre es gut, wenn wir es auch dabei belassen." Offiziell musste sich die Frau des Hauses damit abfinden, doch sie schmiedete einen Plan:

Als Tumes eingeschlafen war, schlich sie sich zu dessen Hosen, nahm den Spiegel heraus, ging in die Küche und sah hinein. Kurz danach brach sie in ein Tränenmeer aus und schluchzte vor lauter Verzweiflung.

Das kam ihrer Mutter zu Ohren, die sowieso auch während des Schlafes die Ohren spitzte. Sie eilte herbei und fragte die Tochter nach dem Grund ihrer Niedergeschlagenheit. Die reichte ihr den Spiegel und jammerte noch lauter: "Schau mal hin Mutter, ich hab` es schon immer geahnt, dass mich der Tummes hintergeht. Jetzt gibt`s auch den Beweis. Da siehst du die Schlampe, dass sie der Schlag treffen sollte, dass ihr die Zähne alle ausfallen sollen, dass sie sich auf die eigene Zunge beißt und an eigener Vergiftung stirbt, dass ..., das gemeine Luder. Wenn ich sie treffe, reiße ich ihr alle Haare vom Kopf und auch von wo anders aus, die gemeine Hure! Verführt meinen Thomas, ohne mich zu fragen. Ich werd´ wahnsinnig!!!"

Die Alte nahm das neue Mitbringsel, warf einen Blick hinein und schüttlete nur ratlos den Kopf: "In deiner Lage Kind würde ich mir keine großen Sorgen machen. Dieses Weibsbild mag zwar eine Schlampe und eine Hure sein, aber ihre Zeit ist doch schon längst vorbei. Schau doch nur, wie alt die ist. Ihre Wangen sind schon eingefallen, die Haare wie tot, der Mund wie der einer Hexe, die Ohren wie die eines vierbeinigen Esels, das Kinn wie das einer Besenreiterin. Also, ich muss schon sagen: Von Frauen versteht dein Tumes nicht viel." Damit fand sich die Treng dann auch ab und die Sache war gegessen und vergessen.

Aufgezeichnet von Walter Georg Kauntz

Erzählt vom Schuestermarz

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