Die Ziegen des Teufels

Laut Aussage meiner Gries (Großmutter) sollen sich in frühen Zeiten im Hof vom Guales Misch nachts ganz außergewöhnliche Ereignisse zugetragen haben. Du sollst dir bei der Wiedergabe dieser Schauergeschichten nicht in die Hosen machen. Das musst du mir heilig versprechen!

Der Misch war - wie seine Frau auch - ein gottesfürchtiger Mensch. Man betete bei Tisch, vor dem Schlafengehen und besuchte regelmäßig den sonntäglichen Gottesdienst. So ist es bis heute unerklärlich, dass das nun Folgende sich gerade auf seinem Anwesen zugetragen haben soll.
Die fromme Bauernfamilie nannte mehrere Ziegen, einen Bock und eine Menge Zicklein ihr eigen. Die wurden jeden Morgen vor`s Tor geführt, wo sie sich den anderen Artgenossen - im Nachhinein nannten wir sie `Stalinkühe`, weil sie auch mit Wenig auskamen und keine besonderen Ansprüche ans Futter stellten - anschlossen und auf die Weide geführt wurden. Laut Aussagen des Hirten, einem Sohn vom Njicanjica, verhielt sich die Horde vom Misch ganz normal, nicht aber in der Nacht!

Immer, wenn die Turmuhr zwölf Mal schlug, ging der Krach los: Der Geißbock öffnete die Stalltür und sprang mit Riesenschritten in die Mitte des geräumigen Hofes. Dort wurde er von einem gehörnten Zweibeiner erwartet. Die Beiden lieferten sich durch das wiederholte Aufprallen ihrer Kopfauswüchse derartige Schlachten, dass alle Nachbarn wach wurden. Die näherten sich dann dem Geschehen, trauten sich jedoch nicht in dessen Nähe, weil der Anblick der Kampfszenen sie fast lähmte. Die dauerten immer eine halbe Stunde, wonach der Zweibeinige im Nichts verschwand und sein Kampfpartner wieder zur Ruhestätte marschierte.

Natürlich sprach sich dieser Spuk herum, doch niemand traute sich, dagegen etwas zu unternehmen. Man brachte sogar ältere Rumäninnen herbei, die sich auf diesem Gebiet des Überirdischen spezialisiert hatten, doch auch sie konnten nicht weiter helfen. Ihre Verfluchungen und anderer Hokuspokus verstummten in der Dunkelheit.

Irgendwann beschloss der Misch den Bock zu schlachten, obwohl er hätte wissen müssen, dass der im Bund mit dem Unreinen stand. Wie sollte man sich sonst erklären, dass dieser Ziegenpascha tagsüber überhaupt keine Zeichen von Ermüdung zeigte. Er stank genau so, wie vorher - vielleicht noch stärker... - und kamen seinen Pflichten der Zeugung neuer Generationen gewissenhaft - oder aus Spaß... - weiter in gewohntem Rhythmus nach.
Trotzdem stank es auch dem Misch bis zum Teufel, denn seine Nachbarn beschwerten sich immer häufiger und lauter über seinen Teufelsbock. So ging er eines Tages in den Keller, trank sich Mut an und marschierte dann in den Ziegenstall. Dort packte er seinen Unheilbringer an den Hörnern, beförderte ihn an den sich in der hinteren Ecke des Hofes befindlichen Maulbeerbaum und band ihn mit einem Tau an, weil er Angst hatte, ein normales Seil könnte reißen. Dann holte er das schon zuvor bereitgestellte Messer und durchtrennte ihm die Kehle.
Aus dem herausfließenden Blut wollte er Wurst machen, doch das war schwarz!!! In seinem Schrecken ließ er den Auffangtopf sausen und rannte mit bei ihm noch nie dagewesenem Tempo ins Haus.
Erst am nächsten Morgen traute sich der "Metzger" aus dem Haus. Der Ziegenbock war verschwunden. In der vorausgegangenen Nacht war immer wieder ein unheimliches Poltern zu vernehmen. Der Misch stand nun vor dem Ruin: Der Stall war bis auf die Grundmauern zerstört, der Garten verwüstet, auch die anderen Ziegen weg. Aus Scham und Verzweiflung packte er seine Siebensachen und verließ Donnersmarkt für immer. Man hat von ihm und seiner Familie nie mehr etwas gehört.

Erzählt von der Riede Gries, aufgezeichnet von W.G. Kauntz

Erzählt von der Riedegries

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