Der geheimnisvolle Mann vom Berg

Unser Dorf ist auf eine Art gut plaziert, auf die andere schlecht. Sehr schlecht. Darum will ich mit der zweiten Äußerung anfangen: Im Süden leben keine Sachsen mehr, im Norden trennt uns das Tutner Reech von Gleichstämmigen, im Westen sind die okojischen (hochnäsigen) Blasendörfer, ein Salat von Völkern, und im Osten leben die Langenthaler. Na, ja, die sind zwar auch Sachsen, aber anders. Die haben sich in einem kleinen Seitental der Kokel verkrochen, damit sie nicht gegen die vielen Eindringlinge kämpfen müssen. Die haben es so gemacht, wie der Vogel Strauß: Wenn dem nämlich eine Gefahr droht, dann steckt er den Kopf in den Sand und denkt, er sei gerettet. Nun will ich damit nicht sagen, dass die Langenthaler feige sind, aber Tatsache ist, dass sie sich mit uns nie und nimmer messen können. Dabei liegt alles am Berg, und das kam so:

Etwas abseits von Donnersmarkt befindet sich das Weisiardreech (Berg de weißen Erde). Oben genannte Erhebung war für uns schon immer geheimnissvoll. Wie auch der Name besagt, unterscheidet sich diese Gegend durch auffällig hellen Boden. Der Legende nach soll hier mal ein Mann gewirtschaftet haben, dessen Haare nicht nur blond, sondern schneeweiß waren, und das schon seit seiner Geburt. Da aber zu der Zeit niemand mit ihm zutun haben wollte, weil er eben diese Haarfarbe hatte, wandte er sich an alle umliegenden Dörfer, um um Akzeptanz zu bitten. Alle lehnten ab, da sie der Meinung waren, er sei mit dem Teufel im Bund, obwohl die Haaresfarbe ganz entgegengesetzt war, aber er war nun mal anders.

Im Laufe der Jahre verbreitete sich die Mähr, der Mann - der übrigens offiziell nie einen Namen trug - sei steinreich. Ob dem so war, ist bis heute nicht bekannt, aber es ... könnte ja sein. Aus diesem Grund ergriff bei einer der vielen Auseinandersetzungen über den "weißen Mann vom Reech" einer unserer Vorfahren das Wort:

`Liebe Brüder` - die `Schwestern` hatten zu der Zeit offiziell noch nichts zu melden -, `wir befinden uns in einer schweren Lage. Es mag sein, dass der Weiße ein Mann des Teufels ist, obwohl die Farbe nicht ganz stimmt... Es könnte jedoch sein, dass er uns irgendwie Glück bringt, denn schließlich und endlich ist er ja auch ein Geschöpf Gottes. Bedenkt, dass unser Heiland alle Menschen willkommen geheißen hat!"

Das saß! Der Fremde vom Berg wurde endlich in die Gemeinschaft unseres Dorfes aufgenommen. Vorbei die vielen Jahre der Einsamkeit, des Verzweifelns, des Eremitentums. Als Dank wandte er sich zu den Hausherren und lüftete sein Geheimnis. Dabei kam hervor, dass der Berg nicht wegen der Haarfarbe des Eigentümers seine Farbe verdankte, sondern des Silbers, das sich darunter befand. Mit ihm sollen unsere Vorfahren sehr lukrative Geschäfte gemacht haben. Bedingung war jedoch immer: Das erworbene Geld nur für Waffen auszugeben und auch die nur in dem Fall zu verwenden, wenn das Sachsentum in Gefahr ist...
` Überprüfe unsere Vorfahren: Die Meinigen sind nie zu Wohlstand gekommen, die Deinigen auch nicht und die ... Seinigen auch nicht. Dafür haben wir die Langenthaler, Abstorfer und andere Randgemeinden - aus unserer Sicht - vor dem Untergang bewahrt. Das kannst du auch deinen von dir so geliebten Kleinschelkern mitteilen, die auf uns mittlerweile hochnäsig herunterschauen. Du weißt doch: `Undank ist der Welten Lohn.`

Erzählt von der Machlanger Maimaun, aufgezeichnet von W.G.Kauntz

Erzählt von der Machlangermaimaun

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