Der Trudenreigen

Der Kokinte Misch war einmal in Großschergied unterwegs, wo er verschiedene Geschäfte zu tätigen hatte. Nach deren Abwicklung ging er mit einem einheimischen Händler in die Dorfkneipe, um den Kaufabschluss zu begießen.
Die beiden Halsabschneider kannten sich schon seit vielen Jahren, hatten sich jedoch in letzter Zeit kaum noch gesehen. Aus diesem Grund hatten sie sich Vieles zu erzählen, sodass sich der Gauneraustausch bis in die späten Abendstunden hinauszog. Dann verabschiedeten sie sich; der Schergieder ging nach Hause, während sich der Kokinte auf den mühseligen Heimweg machte. Er musste über den Berg und das war in seinem Zustand nicht einfach. Dazu gesellte sich noch die stockdunkle Nacht.

Auf dem Weg zur Wasserscheide zwischen dem Sachsenbach und der Großen Kokel vernahm der angetrunkene Donnersmarkter wiederholt zwielichtige Gestalten. Sie schienen ihn zu umkreisen. Das merkte er am leisen Säuseln, das ihn wiederholte Male umgab. Es schien, als würden die Gestalten an ihm vorbeischweben. In ihm entstand sogar der Eindruck, als wären sie in einen Schleier gehüllt, der den Heimkehrenden leise berührte. Sehen konnte er jedenfalls nichts.

Als der Misch den Bergpass passiert hatte, legte er sich auf einer Waldlichtung ins Gras, um auszuschnaufen. Nach einer Weile lichteten sich die Wolken und der Vollmond zeigte sich in seiner ganzen Pracht.
Kurz danach schwebten aus dem Gehölz rätselhafte Gestalten heraus. Sie trugen lange, weiße Gewänder, die aus Federn zu sein schienen. Es müssen viele gewesen sein, denn sie besetzten fast die ganze Waldlichtung.
Ihre Bewegungen waren ganz rythmisch und aufeinander abgestimmt. Es schien ein edler Tanz zu sein, der da vollzogen wurde. Sowas hatte der arme Kerl noch nie gesehen. Er versuchte sich zusammenzukauern, so gut es nur ging, da ihn eine noch nie da gewesene Angst überkam.
Aufzustehen traute er sich nicht, also wurde seinerseits abgewartet. Die graziösen Wesen vollzogen ihren Reigen noch eine ganze Weile. Dann entschwanden sie genauso mysteriös, wie sie aufgetaucht waren.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis der Misch wieder vernünftig denken konnte. Er versuchte das Ganze in seinen Gedanken zurückzudrehen und kam endlich zum Schluss, dass das Truden gewesen sein mussten. Von denen hatte er schon allerhand gehört, nicht nur Gutes, also dankte er Gott, dass er diesmal heil davongekommen war. Seit diesem Zeitpunkt war er nachts niemehr unterwegs.

Aufgezeichnet von Walter Georg Kauntz

Erzählt von der Mariar Gritzemaun

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