Zur Situation der kirchlichen Denkmalpflege in Siebenbürgen

Unter dem Titel "Kirchenburgen - Gemeinschaftsleistung der Siebenbürger Sachsen" veranstaltete das Bundeskulturreferat der Landsmannschaft vom 18. bis 20. Oktober im St.-Pius-Kolleg in München die im zweijährigen Turnus stattfindende Kulturreferententagung.

Vortrag von Dr. Gabriele Mergenthaler:
Preisgabe, Sichern, Konservieren, ... ?
Zur Situation der kirchlichen Denkmalpflege in Siebenbürgen

Sehr geehrte Damen und Herren,
für Ihre Einladung nach München möchte ich Ihnen herzlich danken; auch für die Möglichkeit, Ihnen die gegenwärtige Situation der kirchlichen Denkmalpflege zu beschreiben. Zur kurzen Einführung möchte ich Sie kurz über meine Person informieren, damit sie ungefähr wissen, wer zu Ihnen spricht.
Geboren bin ich in Rheinland-Pfalz, habe mich nach einigen Überlegungen zum Architekturstudium entschlossen und dabei schon recht schnell meine Vorliebe für das Fach Bau- und Architekturgeschichte entdeckt. Nach meinem Diplom in diesem Fach arbeitete ich zunächst in einem Architektur- und Ingenieurbüro, war dort als Bau- bzw. Projektleiterin vorwiegend mit der Abwicklung von Neu- und Altbauvorhaben befasst. Nach der Sanierung einer denkmal- und naturgeschützten Klosteranlage promovierte ich über die mittelalterliche Baugeschichte dieser Anlage. Parallel dazu arbeitete ich in einem Architekturbüro, zumeist im AVA-Bereich (Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung). Nach meinem Rigorosum fuhr ich nach Rumänien, um der ev. Kirche A.B. in Rumänien in der Bauabteilung zu helfen, aber auch um meine Kenntnisse und Erfahrungen einzubringen und auch solche zu machen. Siebenbürgen kann ich von zwei Reisen her, die letzte auf eigene Faust, um über historische Dachstühle zu forschen.
Es entwickelte sich dann anders als gedacht und so bin ich nun seit über einem Jahr für die Bauabteilung des Landeskonsistoriums der ev. Kirche in Rumänien verantwortlich.
In dieser Zeit konnte ich mir einen - wenn auch unvollständigen - Gesamtüberblick der Lage der kirchlichen Bauten und Denkmäler verschaffen.
Als Westdeutsche bzw. Nichtsächsin konnte ich oft feststellen, dass es mir leichter fällt, Probleme objektiver zu erkennen und darzustellen; gewann aber gleichzeitig den Eindruck, dabei gefühllos zu wirken. Andererseits ist es einem von Außen kommenden sehr schwer möglich, sich in die vielen bitteren und traurigen Erlebnisse hineinzuversetzen, die einem Einheimischen Siebenbürger ständig präsent sind - be-sonders im Anblick der vielen verfallenen Höfe, maroden Dörfer und vereinsamten Kirchenburgen.
Der Exodus der deutschen Bevölkerung aus Rumänien hat einen grundlegenden Strukturwandel innerhalb der ev. Kirche hervorgerufen. Zuvor feststehende Traditionen, Verantwortungen und Pflichten gerieten ins Wanken und verschwanden vielerorts mit augenscheinlich nur negativen Folgen. Vor Ort in den Gemeinden spürt man oft eine depressive und aussichtslose Stimmung der deutschen Bevölkerung; ein vor allem in den Städten beginnender Neuanfang kann in den Dörfern nicht in dieser Weise nachvollzogen werden. Man hängt verständlicherweise alten Erinnerungen und Gewohnheiten nach.
Die gegenwärtig oft anzutreffende Situation maroder denkmalgeschützter kirchlicher Bauten hat neben dem Exodus eines Großteils der deutschen Bevölkerung weitere, daraus resultierende Ursachen:

1. Dörfer mit nur wenigen evangelisch Gläubigen haben keinen eigenen Pfarrer mehr, es werden bis zu 11 Kirchengemeinden von einem Pfarrer betreut. Die drastischen Kirchensteuerverluste und die wenig gewordenen, über das Land verteilten Evangelischen machten diese strukturelle Umverteilung der Pfarreien notwendig. In den Städten oder größeren Orten ist die seelsorgliche Betreuung ausreichend, sogar sehr gut und regelmäßig, auf dem Land kann dagegen 14- tägig oder nur 1-mal pro Monat Gottesdienst gehalten werden.
Nach jüngsten Angaben werden in 134 Kirchen regelmäßig, in 22 Kirchen nur gelegentlich (Ostern + Weihnachten) und in 81 Kirchen keine Gottesdienste mehr ge-halten. (ohne Bukovina + Bistritz aber mit dem Banat)

2. Die sparsame Betreuung schlägt sich an den Gebäuden, den Kirchenburgen und Pfarrhäusern nieder. Wo zuvor die Gemeinden ihre Bauten selbstverantwortlich be-treuten, können sich die heute wenigen, überwiegend alten Menschen nicht mehr darum kümmern. Die Verantwortung fällt dann den Bezirkskonsistorien zu, die ihrer-seits aus Kostengründen mit wenig, zumeist fachfremden, Personal ausgestattet und überlastet sind. Das kann bei anstehenden Baumaßnahmen zu Kurzschlusshandlun-gen führen, die dem betreffenden Denkmal mehr schaden als nützen. Eine Kalkulati-on der zu erwartenden Baukosten, die durchgehende Betreuung von Reparaturen und Bauarbeiten, die finanzielle und fachliche Überwachung kann oft nicht ausrei-chend gewährleistet werden.

3. Mit dem Exodus der deutschen Minderheit aus Rumänien blieben die Kulturgüter der einzelnen Gemeinden zurück: wertvolle Altarbilder, Taufbecken, Kanzeln, Teppiche, Skulpturen, Abendmahlsgeräte, Mobiliar, Orgeln und Archivgut. Schon sehr bald wurden die ungesicherten Kirchen Opfer von Einbrüchen und Diebstählen.

Dabei ist festzustellen, dass sich die Diebstahlqualität geändert hat: In den Jahren von 1990 bis 1992 sind bei etwa 36 % der Einbrüche Kunstwerke gestohlen worden, in der Zeitspanne von 1999 bis 2000 sind bereits 80 % als reine Kunstdiebstähle zu bezeichnen! Wo zunächst Altarleuchter aus Messing, Zinn oder Silber entwendet wurden, sind heute überwiegend Altarbilder und -skulpturen, sogar Fresken für die Räuber interessant. Offenbar hat es sich in den entsprechenden Kreisen herumgesprochen, dass sich in den siebenbürgischen Kirchen wertvolles Kulturgut befindet und dass dieses mit relativ geringem Aufwand zu beschaffen ist.
Für mafiaähnlich organisierte Kunsträuber ist es ein leichtes, die oft ungesicherten und zumeist nicht bewachten Kirchen auskundschafteten und auszurauben.
Den Gemeinden, Bezirken und dem Landeskonsistorium war und ist es schwer möglich, einzugreifen. Gegen international arbeitende, gut organisierte und auch technisch modern ausgestattete Kunstdiebe kann die hiesige Diasporakirche mit sehr beschränkten Finanzmitteln und vielerorts veralteten oder gar fehlenden Fahrzeugen schwer ankommen. Immerhin stellt sich die Kirche diesem Wettlauf, vergittert wo es möglich ist Fenster und Türen, baut bei besonders wertvollen Objekten - falls finanziell möglich - Alarmanlagen ein oder engagiert Burghüter. Aber wer nimmt es im Falle eines Raubüberfalles nachts mit einer Gruppe bewaffneter oder zumindest gut trainierter Räuber auf?
Eine der häufigsten Ursachen dafür, dass die Kirchenbauten ungesichert bleiben o-der lediglich mit einem kleinen Vorhängeschloss versehen sind, ist die fehlende Fi-nanzierung. Es fehlt an Mitteln, um Burghüter einzusetzen, um Alarmanlagen zu in-stallieren oder um einfach Fenster und Türen zu vergittern. So etwa steht die Kir-chenburg in Henndorf mit ihren über 200 mittelalterlichen, bemalten Holztruhen in den beiden Dachgeschossen nahezu frei zugänglich am Straßenrand. Nach einem Eindrücken des einfachen Türschlosses kann man ungehindert über eine in der Au-ßenwand verlaufenden Treppe nach oben kommen und die Truhen über das auskra-gende Wehrgeschoss herablassen.
So sieht sich die Kirche gezwungen - entgegen internationalen Denkmalbestimmungen zum Erhalt des Gesamtkunstwerkes - Inventare auszubauen, Mobiliar zu sichern und Altäre abzubauen um sie woanders, in anderen Kirchen mit anderem Kontext wieder als "Museumsaltäre" aufzustellen. Übrigens bezüglich der Altäre eine von evangelischen Theologen nicht immer kritiklos hingenommene Praxis.
Zurück bleiben leere, altarlose, manchmal sogar entkernte Kirchenbauten, in welche sich nicht einmal mehr die im Ort lebenden Gemeindemitglieder hineinwagen. Um das Gebäude zu sichern und einigermaßen herzurichten fehlt den Verantwortlichen das Geld und manchmal auch das Verständnis, da ja der betreffende Kirchenbau ohne oder mit stark geschrumpfter Gemeinde eigentlich kein "richtiger' Kirchenbau mehr ist. Die grundsätzliche Prämisse scheint sich einzustellen: Wo kein oder nur noch vereinzelt Gottesdienst stattfindet kann die Kirche dem Verfall preisgegeben werden.

Zur Situation der Denkmäler:
Vor allem in den sächsischen Dörfern ist ein zunehmender Verlust an Denkmalsubstanz festzustellen. Mancherorts ist gar von einem drohenden Totalverlust zu sprechen.
Dagegen werden in Städten Kirchen renoviert und zum Teil mit neuen Heizungsanlagen und Ausstellungsräumlichkeiten versehen. Diese sich immer drastischer ausprägende Ungleichheit in der Kultursicherung wird durch die finanziell besser gestellten Stadtgemeinden verstärkt, die zudem mehr Spenden und Kirchensteuern einnehmen als kleine Dorfgemeinden.
- Übrigens soll hiermit nicht das Engagement von Stadtgemeinden geschmälert werden, in den größeren Gemeinden geschieht viel Positives und in die Zukunft weisendes. Aber aus Sicht des Denkmalpflegers hat jedes Bauwerk eine Besonderheit und Existenzberechtigung und ist deswegen zu schützen. Gelegentlich wünscht man sich auch ein wenig "denkmalpflegerische Solidarität".

Zu den kirchlichen oder seelsorglichen Problemen bei dem Erhalt der Denkmäler:
Jedem Gemeindemitglied, Bezirkskonsistorium und dem Landeskonsistorium ist um den Erhalt jeder Kirche gelegen, die geschilderten Umstände hingegen verursachen vielfältige Probleme. Kaum eine ländliche Gemeinde hat genügend Mittel oder Mitglieder, um ausreichend zu sichern oder gar zu konservieren.
Die sehr dünne Personalausstattung hat auch zur Folge, dass Schäden spät oder gar nicht erkannt werden. Nicht jedem Pfarrer oder jeder Pfarrerin, Verwalter, Gemeindekurator oder Kirchenvater oder -mutter kann man ein Erkennen von Bauschäden zumuten. So geschieht es, dass sich unbemerkt große Schäden einstellen, wie z.B. in Reps, Stein und Meeburg, wo sich holzzerstörende Pilze eingenistet haben oder dass ein sehr wertvolles, spätmittelalterliches Gestühl komplett vom Holzwurm zerfressen ist.
Manche Kirchen bleiben monatelang verschlossen und werden evtl. nur an Weihnachten oder Ostern genutzt. Diese Kirchen sind leicht ihrer Kunstschätze zu berauben, so wie es in schockierender Weise in Belleschdorf (Schäßburg) geschehen ist. Dort wurde die wertvolle Holzkassettendecke, ein Kunstwerk aus der Renaissance-Epoche offenbar von den Dorfbewohnern abgebaut und verfeuert - man hat es erst nach einem Jahr bemerkt. Die Kirche stand und steht noch offen, ist jedoch bereits ausgeräumt und entkernt bis zu Dachstuhl.
Dabei muss man sich aber hüten, die Verantwortung nur bei den Gemeindemitgliedern zu suchen. Heute müssen die wenigen oft alten Gemeindemitglieder Verantwortung für bauliche Dinge übernehmen, was für sie neu und ungewohnt ist. Wo sie zuvor vielleicht nur in zweiter Reihe standen, sollen sie nun eine maßgebliche Rolle für die Kirchengemeinde übernehmen. Das geht nicht sofort und braucht eine Zeit der Gewöhnung.
Es kann daher nicht unbedingt vorrausgesetzt werden, dass eine jede Gemeinde über Ihre Bauten jederzeit und genau Auskunft geben kann - zumal auch die Erinne-rungen an früheres Gemeindeleben und Gemeinschaftserlebnisse, Trauer und zu-meist auch Tränen hervorrufen.
Deswegen muss man verstehen, dass das Ergehen der Kirchen im Dorf oder die notwendige Pflege vergessen weil verdrängt wird.

Bisherige Maßnahmen und Konzepte
Rumänischer Staat

Um den Erhalt der Kirchenburgen und Wehrkirchen Siebenbürgens bemühen sich neben der Kirche derzeit einige Institutionen, Stiftungen und Privatleute, auch der rumänische Staat.
Im Bewusstsein um die zahlreichen wertvollen Denkmäler der deutschen Minderheit, engagiert sich an manchen Orten die rumänische Denkmalpflegebehörde bzw. das Kultusministerium aus Bukarest. Aufgrund von fehlenden Mitteln im Staatshaushalt kann es dann aber sein, dass angefangene Maßnahmen stocken oder gänzlich gestoppt werden. So ist es zum Beispiel in Meschen oder Draas geschehen, zurück bleiben unschöne Baustellen und sogar in ihrer Standfestigkeit gefährdete Denkmäler.
Ist das Kulturministerium Verwalter von ausländischen Geldern für entsprechende Sanierungsprojekte, so zeigt sich deren mangelnde Erfahrung im transparenten Umgang mit den Vergabeverfahren und auch eine schwerfällige Koordination mit allen Verantwortlichen - auch in fachlicher Hinsicht.
Für einen von den deutschen Bestimmungen und Gesetzen geprägten, manchmal auch gequälten, Ingenieur oder Architekten - man denke an die VOB , die HOAI, die Landesbauordnungen, auch an die zahlreichen DIN-Normen für das Bauwesen und Vorschriften zum Arbeitsschutz (neuerdings die SIGE-Planung) - sind viele Vorgänge deswegen unverständlich. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich manchmal die Arbeit sehr schwer und nervenaufreibend, besonders wenn man auf wenig Verständnis stößt.
Dennoch sind nach eigener Erfahrung die lokalen Denkmalpfleger sehr aufgeschlossen, engagiert und haben oftmals mit den Entscheidungen und Handlungen der Zentrale in Bukarest ihre Schwierigkeiten.

Ausländische Stiftungen
Einige Stiftungen kümmern sich in Siebenbürgen um den Erhalt der Kirchenburgen oder um einzelne Aspekte des Bauerhaltes. Davon sei der Mihai Eminescu-Trust genannt, der unter der Schirmherrschaft des englischen Kronprinzen steht. Diese Stif-tung ist zur Zeit im Gebiet um Reps tätig. Ihr Haupanliegen ist es, die historische Kalkputztechnik wiederzubeleben und weiterzugeben. Dabei engagieren sie sich auch an Kirchenburgen, wie zum Beispiel in Radeln, Deutsch-Weißkirch und Klosdorf. Sie engagieren rumänische Architekten und bilden sie entsprechend aus, wobei stets Fachleute aus England hinzugezogen werden.
Deutsche Stiftungen, wie die Siebenbürgen-Sächsische, die Messerschmidtstiftung, der sich zur Zeit leider auflösende Verein Deutsches Kulturerbe in Rumänien aber auch der Rothary- und der Lionsclub fördern punktuell zumeist bekannte und repräsentative Kirchenburgen.
Zum Teil werden auch Einzelspenden zugeteilt, etwa für die Restaurierung von Orgeln oder - wie im Jahr 2000 geschehen - für Vergitterungen einer Reihe von Kirchen, was aus bundesdeutschen Mitteln getragen wurde.
Nicht zu vergessen sind die Diasporaverbände der EKD, wie etwa das Gustav-Adolf-Werk oder der Martin-Luther-Bund. Sie helfen verständlicherweise ausschließlich bei Maßnahmen, die der Ermöglichung oder Wiederbelebung des gottesdienstlichen Lebens dienen. Zum Beispiel werden wir bei der dringend notwendigen Sanierung der Kirche in Reps unterstützt, die unter einer starken Durchfeuchtung und den daraus sich ergebenden Folgen leidet. Neben dem braunen Kellerschwamm und Schimmel haben sich dort Algen und auch der echte Hausschwamm eingenistet. In der Kirche wird schon seit längerer Zeit kein Gottesdienst gehalten.
Bei dieser Art von Finanzhilfe von außen fehlt jedoch oft eine fachliche Begleitung vor Ort bzw. das Hinzuziehen und Mitarbeiten von Fachkollegen aus Denkmalschutzkreisen. Da in Rumänien die Baufachleute wenig für den Umgang mit denkmalgeschützter Substanz ausgebildet sind, stellen sich Fehler und Mängel und manchmal auch unzufriedene Geldgeber ein.
Häufig wird das Landeskonsistorium der ev. Kirche nicht von Anfang an in die Sanie-rungsmaßnahmen miteinbezogen, so dass man oftmals erst spät davon erfährt. - Dann, wenn es Probleme gibt, mit denen die betreffende Gemeinde nicht mehr fertig wird.

HOG's
Viele Heimatortgemeinschaften sorgen sich vornehmlich um den Erhalt ihres Friedhofes in der alten Heimat aber auch um ihre Kirche. Manchmal kommen bei Spendenaufrufen in den Vereinen oder auch durch Nachlässe beachtliche Summen zusammen, so dass größere Reparaturarbeiten möglich sind. So konnten wir in Kirch-berg das gesamte Kirchendach und Mauerkronen reparieren. Manche Maßnahmen hingegen sind für die HOG - Mitglieder etwas schwerer zu verwirklichen, weil sie vergleichsweise teuer scheinen und vielleicht nicht vordergründig notwendig sind, so etwa das Erneuern der bei einem Einbruch zerstörten farbigen Chorfenster in Groß-scheuern. Von drei zerbrochenen Fenstern konnten zwei erneuert werden, das dritte Fenster wartet noch auf eine Finanzierung. Gelänge dies, so wäre die ursprüngliche Gestalt wiederhergestellt.
Den Heimatortgemeinden kommt eine große Bedeutung zu, sie tragen viel zum Erhalt und Fortbestand der kirchlichen Denkmäler bei, weil diese für sie und die nachfolgenden Generationen eine Identifikation und Erinnerung sind. Eine innere Ablösung von der Heimat, von sämtlichen vorangegangenen Generationen ist dem Menschen schwer möglich und so erweist sich der Erhalt der Heimatkirche als eine moralische Notwendigkeit, vielleicht sogar als ein Akt der Pietät, wie es der bekannte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Georg Dehio nannte.

Privates Engagement
In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen sind Privatpersonen, die sich "ihrer Kirche" verschrieben haben und in ihrer freien Zeit nach Siebenbürgen kommen, um wieder ein Stück weiterzuarbeiten. Dabei verwenden sie ihre privaten Mittel. Mit einem solchen Engagement sorgt zum Beispiel ein pensionierter Lehrer für die Kirchenburg in Bußd bei Mühlbach, auch um das Pfarrhaus und die Kirche in Schaal kümmert sich ein in Deutschland lebendes, einst ausgewandertes Ehepaar, Tekendorf bei Bistritz kann durch die großzügige Spende eines in Amerika lebenden Siebenbürger-Sachsen renoviert werden. Im Anbetracht der persönlich gut gestellten Situation wird hier wird ein Stück Verantwortung für das Hinterlassene gesehen - eine beeindruckende und vorbildhafte Motivation.
Von Zeit zu Zeit tragen freiwillige Einsätze von Einzelpersonen oder Gruppen zum Erhalt und zur Sicherung des kulturellen Erbes in Siebenbürgen bei: Ob die Jugendbauhütte aus Quedlinburg, die in diesem Sommer mit Aufräumarbeiten am eingestürzten Chor der Wölzer Kirche begann oder einheimische Jugendliche sich um die Grünpflege in manchen Kirchhöfen kümmern.

Zusammenfassung
Trotz den Bemühungen der ev. Kirche A.B. Rumäniens mit Kollekten und Eigenmitteln für Sanierungsmaßnahmen aufzukommen, ist sie auf fremde Hilfe angewiesen. So erhalten auch viele Kirchen und Kirchenburgen Siebenbürgens Zuwendungen von Außen. Man möchte sich nicht vorstellen, in welcher Situation viele der Bauwerke ohne diese Hilfe wären!
Obgleich alle Beteiligten das Beste für das Denkmal beabsichtigen, schleichen sich hingegen manche Schwierigkeiten ein, unter denen letztendlich das Denkmal zu leiden hat:
Fehlende fachliche, manchmal auch materielle Grundlagen bei den Fachleuten und Handwerkern führen zu konstruktiv unrichtigen Instandsetzungen und zur Verwendung von falschem Material. Fehlendes Verständnis für historische Bautechnik und mangelnde Qualitätskontrolle können ein Nichterkennen und Zerstören von bauhistorischen Gegebenheiten nach sich ziehen.
In Zukunft wird sich zusätzlich negativ auswirken, dass gegenwärtig rumänische Architekturstudenten immer weniger Interesse an der Denkmalpflege zeigen, es scheint spannender - wohl auch im Hinblick auf die internationale Architekturentwicklung in den weltweiten Großstädten - Neubauten, Geschäftsfassaden und Großbauten zu entwerfen als sich mit Bau- und Architekturgeschichte, alten Handwerks- und Konstruktionstechniken oder historischer Putz- und Anstrichtechnik zu befassen: Eine für das an Denkmälern reiche Siebenbürgen und gesamte Land Rumänien fatale Entwicklung!
Der Erhalt der Denkmälern Siebenbürgens scheint aus meiner Sicht unter einer ge-wissen Orientierungslosigkeit zu leiden. Es fehlt eine übergeordnete Organisation, die an notwendiger Stelle die Mittel zur Reparatur oder Sanierung zukommen lässt. So kommt es, dass einige Kirchenburgen hervorragend konserviert sind, während andere, die ebenso historisch wertvoll und bauhistorisch interessant sind, zu verfal-len beginnen oder sogar bereits am Einstürzen sind. Besondern eindringlich zeigt sich dies an den nahe beieinander liegenden Kirchenburgen Birthälm und Wölz, von deren Einsturz wir im Sommer erfahren konnten.
Hätte man die Freiheit dazu und auch eine personale und finanziell ausreichende Ausstattung, so wäre schnellstens eine Zustandserfassung aller Kirchen und Kirchenburgen zu leisten, bau- und kunsthistorische Expertisen anzufertigen und dann, zusammen mit einem Nutzungskonzept eine Prioritätenliste zu erarbeiten. Nach dieser könnte dann ein Einsatz von Finanzmitteln gesteuert werden.
Ein kürzlich geführtes Gespräch mit dem Leiter der Kronstädter Denkmalbehörde wies in die gleiche Richtung: auch dort denkt man über eine solche Erfassung der baulichen Situation nach und plant erste Schritte hierfür - aber auch hier fehlen die Mittel und Personen.
Manchmal überlegt man sich, warum es in Deutschland so viele arbeitslose Architekten, Kunsthistoriker und auch Bauingenieure gibt - junge Leute, die nach dem Studium auf der Straße stehen; während es in Siebenbürgen so viel Arbeit gäbe: zahlreiche Kirchenburgen müssten erfasst, beschrieben und zumindest aus wissenschaftlicher Sicht für die zukünftige Welt möglichst genau dokumentiert werden. Vielleicht kann man das irgendwann einmal zusammenbringen ...

Gegenwärtige Situation und Ausblick der ev. Kirche in Rumänien
Trotz der vielfältigen Hilfe von Außen schaffen es viele Gemeinden nicht, die Kirche zu erhalten. Es sind meist die Dörfer mit wenig Evangelischen, die abgelegen sind und die auch wenig Kontakt zu den "Ehemaligen" bzw. der Heimatortgemeinde - sofern eine solche existiert - haben. Nun, 12 Jahre nach dem Exodus beginnen sich bauliche Schäden einzustellen, die früher ohne großen Aufwand erledigt wurden. Das können die Gemeinden nicht mehr leisten und wenden sich deswegen an die Bezirkskonsistorien. Darüber wird oft auch das Landeskonsistorium eingeschaltet woraufhin zunehmend die Bauabteilung gefordert ist, um vor Ort zu helfen und Reparaturen durchzuführen.
Für diese immer mehr auf uns zukommenden Aufgaben fehlt es an Personal, von sechs angestellten Arbeitern haben wir nur einen Maurer! Für solche Arbeiten gibt es zudem kein Budget, man versucht das im Zusammenhang von laufenden Ausgaben unterzubringen, greift auf Eigenmittel oder einzelne Spenden zurück. Die Möglichkeiten der Landeskirche reichen so zumeist nur bis zu einfachen Sicherungs- bzw. Notsicherungsarbeiten.
Zur Zeit bekommen wir fachliche Hilfe von einem Ehepaar aus Deutschland - eine Vermessungsingenieurin und ein Bauingenieur -, welches ein Jahr lang kostenfrei bei uns arbeitet. Somit sind wir zur Zeit in der glücklichen Lage, bereits lang anstehende Projekte durchzuführen, wo bislang keine Pläne existierten und ein Aufmaß aufgrund des geringen Personalstandes nicht möglich war. Im nächsten Jahr können wir, sofern die Mittel ausreichen, mit der Sanierungsarbeiten der Repser und Stolzenburg-er Kirche sowie des Tartlauer Pfarrhauses beginnen.
Intern überlegen wir die Einrichtung eines Bauhofes, der von jedem Gewerk über einen Handwerker verfügt und oft benötigtes Baumaterial auf Lager hält. So hätten wir eine "schnelle Einsatztruppe", die anfallende Reparaturen rasch und günstiger als eine Fremdfirma erledigen kann.
Wo jedoch die Kirche große Mühe hat, selbst die 15 Angestellten der Verwaltung des Landeskonsitoriums zu bezahlen, kann an eine Erweiterung der Bauabteilung nicht gedacht werden. Eine Finanzierung über die jeweiligen Gemeinden oder Bezirke ist aufgrund deren Finanznot genauso aussichtslos.
Eine weitere Sorge, auch wenn es sich eigentlich grundlegend gute und gerechte Vorgänge handelt, stellen die zunehmenden Gebäuderückgaben dar. Auf die Landeskirche kommen zahlreiche Bauten zu, die, wenn sie nicht denkmalgeschützt sind, so doch dem Ensembleschutz unterliegen. Hier ist die Bauabteilung finanziell und vor allem fachlich - zumindest als Vertreterin des Bauherren - gefordert, denn zumeist sind die Bauten in einem traurigen Zustand und verlangen einer grundlegenden Renovierung, damit eine weitere Nutzung möglich ist.
Gegenwärtig sind viele positive Entwicklungen hinsichtlich der Nutzung unserer historischer Bauten festzustellen, man gewinnt den Eindruck, dass sich Siebenbürgen vom Schock des Exodus langsam erholt und in die Zukunft geht. Zum Beispiel werden leerstehende Pfarrhäuser sozial genutzt: es entstehen kleine Kinderheime, Heime des Blauen Kreuzes für Alkoholgeschädigte oder auch für benachteiligte Frauen, so etwa in Burgberg, Jakobsdorf oder Thalheim. Andere Pfarrhäuser sind als Gästehäuser für Gruppen umfunktioniert, wobei die Einnahmen wieder den Gebäuden zukommen. So zum Beispiel in Meschen, Hamruden, in Seiburg oder in Wurmloch.
Nebenbei sei angemerkt, dass eine wissenschaftliche, bau- und kunsthistorische Inventarisierung und Erforschung der siebenbürgischen Pfarrhäusern bislang aussteht - hier böte sich noch ein weites Feld für den Bauforscher.

Konflikt Denkmalpflegeforderung und kirchliche Praxis
Die Notwendigkeit und Forderung der Denkmalpflege ist es, historische Bauten und Ensembles in ihrer historisch gewachsenen Gestalt zu erhalten. Dabei ist es zweitrangig, ob und wie ein Gebäude genutzt wird. Vor dem Hintergrund von baulicher Geschichte und deren unverfälschte Präsentation und Dokumentation soll der Mensch über seine Vergangenheit und Gegenwart reflektieren und darüber hinaus eine eigene Position in der Geschichte und seine verantwortliche Rolle in der Gesellschaft finden. Im Hinblick auf heutige ökonomische und gesellschaftliche Probleme kann der Blick in die Geschichte lehrreich sein.
Vor dem Hintergrund der heute so oft beklagten sozialen Kälte und Einsamkeit vieler Menschen verdient die siebenbürgische Tradition des nachbarlichen Zusammenhaltes und der gemeinsamen Arbeit zum Erhalt der Kirche durchaus Beachtung.

Aspekt Wehrbauten
Alle Kirchenburgen sind Unikate, in ihnen hat sich eine einmalige regionale und örtliche Situation manifestiert. An vielen Befestigungsanlagen lassen sich die einstigen baulichen Verteidigungsvorrichtungen und -strategien nachvollziehen. Manche Kirchenburgen waren vordringlich als Zufluchtsort ausgebaut, in welcher die Gemeinde in der Kirche die feindliche Attacke abwartete und sich lediglich über ein nach außen gerücktes Dachgeschoss verteidigen konnte, so etwa in Meeburg oder Henndorf. Andere Kirchenburgen boten hinsichtlich ihrer Lage und baulichen Ausstattung einst große strategische Vorteile. Sie verfügten mit Türmen in mehrfachen Ringmauern mit Schartenläden, Gusslöchern und Schießscharten über sehr wirkungsvolle Verteidigungsmöglichkeiten, dazu gehören zum Beispiel Draas, Almen, Großau und besonders eindrucksvoll auch Tartlau. Diese Zeugnisse historischer Verteidigungsstrategien und wehrhaften Bauens gilt es zu bewahren.
Auch zu diesem Thema gibt es meines Wissens noch keinen umfassenden, wissenschaftlichen Beitrag.
Die Kirche als Eigentümer der Bauten muss sich diesen denkmalpflegerischen und auch wissenschaftlichen Ansprüchen täglich stellen, zum anderen aber auch primär an die vorhandenen Gemeinden und deren Gottesdiensträume denken.
Gilt es, vordringlich die noch aktiven Gemeinden zu unterstützen und bei der Repa-ratur der Gebäude zu helfen, so kann man es schwer verantworten, historisch wert-volle und aufschlussreiche Kirchenburgen und Wehrkirchen unbeachtet zu lassen und somit dem Verfall preiszugeben.
Auf der anderen Seite erscheint die große auch finanzielle Beachtung einzelner Kirchen oder Kirchenburgen ungerecht und einseitig. Denn erhaltenswert ist die gesamte Denkmallandschaft Siebenbürgen mit den vielgestaltigen Burgen, dies macht den Reiz und die Unverwechselbarkeit des Landes aus. Deswegen möchte ich es als einen Ausblick oder Wunsch äußern, dass es immer mehr möglich werden kann, die Siebenbürgischen Kirchenburgen und Wehrkirchen in einer einmaligen Denkmal- und Kulturlandschaft zu erhalten. Neben einzelnen sehr repräsentativen Objekten ist nur die Gemeinsamkeit das charakteristisch Siebenbürgische - das gilt, nehme ich an, nicht nur für die Bauten.
Dazu sind viele Kräfte gefordert, die nur zusammen an diesem Ziel arbeiten können. Die Kirche alleine schafft das nicht und braucht Hilfe vom Staat, der staatlichen Denkmalpflege, von den vielen Heimatortgemeinden, Stiftungen, Privatpersonen und ausländischen Kirchen.
Zunehmend wird Siebenbürgen auch touristisch erschlossen, was zusätzliche Einnahmen bringen kann. Die wirtschaftliche Nutzung von Denkmälern über Eintrittsgelder, Verkauf und Selbstvermarktung der am Ort Lebenden ist in Europa schon vielerorts normal. Hier gilt es aufzupassen und unsere reichhaltigen Möglichkeiten nicht zu verpassen. Denn die Denkmalpflege ist nicht nur ein historischer, technischer und moralischer Anspruch sondern auch ein großer Wirtschaftsfaktor.
Bislang jedoch stehen die hiermit geäußerten Gedanken den nackten Tatsachen gegenüber: Der Mangel an Finanzierung, an Personal, an Fachkenntnis und manchmal auch an Solidarität und gemeinsamen Willen hemmt ein Vorwärtskommen und letztlich den Erhalt des Kulturgutes.
Dass mit dem gemeinsamen Ziel, die Wehrkirchen und Kirchenburgen Siebenbürgens zu bewahren solche Schwierigkeiten kleiner werden und dass Siebenbürgen in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erfährt wünsche ich mir.

Dr. Gabriele Mergenthaler