Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur

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Karin Decker
schrieb am 14.01.2010, 10:57 Uhr (am 14.01.2010, 11:19 Uhr geändert).
@ seberg:

Sibyllinisch fürwahr, diese Traumdeutung! Dr. Freud hätte vielleicht seine Freude daran.

Wenn ich mir jedoch Mühe gebe, Ihren Beitrag ernst zu nehmen, was mir nur unter Aufgebot großer Selbstüberwindung gelingen will, dann pflichte ich Ihnen zunächst bei, dass mit dem Begriff „Verantwortung“ viel Schindluder getrieben werden kann. („Kann“ nicht „muss“!)

Mir ist jedenfalls sehr wohl bewusst, dass mit falsch verstandener oder vorgeschützter Verantwortung i.d.R. eine Bevormundung oder Machtausübung bezweckt wird.

Das Bild der Mutter, die ihr Kind totschlägt, ist zwar ein eindrucksvolles, hat aber eher mit Picassos „Guernica“ zu tun als mit den Siebenbürger Sachsen (die weder Kind noch Mutter Rumäniens sind) in ihrem Verhältnis zu Rumänien.

Dennoch ließe sich eine Mutter vorstellen, die aus „Verantwortung“ ihr selbst in die Welt gesetzes Kind totschlägt. Die Rumänen haben es vor 20 Jahren bewiesen, als sie ihren jahrzehntelang gehätschelten Diktator ins Jenseits beförderten.

Nur kann auch hiervon im Zusammenhang mit unserer Verantwortung für ein demokratisches, rechtsstaatliches, europäisches und multikulturelles Rumänien nicht die Rede sein.

Alternativ dazu, könnten wir weiterhin den Kopf in den Sand stecken (wenn wir dies tun, dann nur um des lieben Friedens willen; ansonsten scheuen wir uns auch nicht, kritische Töne anzuschlagen; die hier geführten Diskussionen sind der lebendige Beweis dafür), die Securitate Securitate und Herta Müller Herta Müller sein lassen und alle Verantwortung jenen überlassen, die Übung darin haben, die Gesetze zu verdrehen, Eigentum in Obhut zu nehmen und Menschenrechte zu missachten. Es hängt lediglich davon ab, was wir wollen und wie wir uns entscheiden.
seberg
schrieb am 14.01.2010, 11:56 Uhr
ach ja...so ist das...mit dem Willen und Wollen der Vertreter...pardon...des Volkes...!
seberg
schrieb am 18.01.2010, 13:12 Uhr (am 18.01.2010, 20:25 Uhr geändert).
Danke bankban! Besonders den zweiten Link zu R. Wagners „Erhabene Narren“ in der NZZ finde ich interessant!: Statt „Öffentliche Selbstdarstellung“ – Rückzug in die „Bibliothek und die Melancholie“, Denken und Schaffen in der Anonymität in Diktaturen!

Wie z.B. der Rumäne Alexandru Dragomir, von dem ich nichts wusste, wie auch vom Ungaren Hamvas und seiner Gegenerschaft zu dem archibekannten „linken“ Lukács.

„Erhabene Narren“: Eine intellektuelle Existenz-Möglichkeit vielleicht nicht nur unter extremen Diktaturbedingungen?
R. Wagner selbst sieht sich inzwischen offenbar in dieser Rolle hier in Deutschland. Auffällig ist ja seine Entwicklung vom Dichter in der „Aktionsgruppe Banat“ und RKP-Mitglied zum Essayisten von Broders Weblog „Achse des Guten“, wo „Unabhängigkeit“ und „Gegen-Mainstream“ offenbar Programm ist.

Auch Wagners dort zuletzt publizierter Artikel („Demokratie, (große) Literatur und Meinungsfreiheit“ als Antwort auf Julia Schochs Artikel in der ZEIT „Der klassische Held und die Freiheit“) deutet in diese Richtung: er sieht einerseits die westdeutsche Gesellschaft und die Medienlandschaft von „linken Gutmenschen“ dominiert (wie Gibson?! ), andererseits erscheint seine Suche hier im „freien“ Westen nach seinem Konflikt mit der Gesellschaft und der Macht und damit nach dem eigenen Opferstatus etwas krampfhaft (er übersieht m.E., dass Konflikthaftigkeit schon innerhalb jedes einzelnen Individuums beginnt: mit der quasi anerzogenen „Gesellschaft in uns“). Und er warnt ja folgerichtig in diesem Artikel vor dem selbstinduzierten Vorwurf der „Paranoia“. Aber Denkanstöße kann man bei ihm allemal finden.
Lavinia
schrieb am 29.01.2010, 20:54 Uhr (am 29.01.2010, 20:55 Uhr geändert).
getkiss:
"Wenn Schleich´s Behauptung mit erster Ehe und früh ausgereistem Ehemann, nach der Scheidung von Müller, stimmen sollte, wird die Glaubwürdigkeit der These über die "Dissidentin Müller" doch um ein weiteres arg erschüttert. Hätte doch diese, mit etwas Gleichmut, schon mit dem ersten Gatten die Ausreise bewerkstelligen können aus der für Sie "ach sooo schrecklichen Verfolgung"....

Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre Herta Müller getkiss' Meinung nach durchaus "Dissidentin", hätte sie nur mit "etwas Gleichmut" dem Ehemann gegenüber die Ausreise bewerkstelligt. Die Anmaßung mal bei Seite gelassen und diese Aussage gewichtend, stellt sich für mich schon akut die Frage danach, was 'man' alles so in Kauf genommen hat, bzw. betrieben hat, um an den begehrten Pass zu kommen?


Ich denke, dass das Thema "sächsische Bräute & deutsche Kerle" durchaus einen Aspekt darstellt, der zum Thema 'Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur' gehört.
Ich denke auch, dass dies ein Tabuthema ist. Vielleicht weil hier das Opfer-Täter-Schema furchtbar diffus wird. Wenn ich das recht verstehe, kennt jeder der User hier solche Fälle. Es wird Aufklärung von anderen verlangt. Warum sie IMs wurden, warum sie nicht - nach einem Besuch in Deutschland - hier blieben... Es sind die anderen, die Schuld auf sich geladen haben. Wie ist es möglich gewesen, sich durch das System zu lavieren, ohne sich die blütenweiße Weste schmutzig zu machen? Es wäre bestimmt interessant, wenn einige der User dem Beispiel von getkiss folgen würden und ihre Meinung, Einschätzung mitteilen würden.



getkiss
schrieb am 11.02.2010, 19:23 Uhr (am 11.02.2010, 22:57 Uhr geändert).
@seberg
A propos R. Wagner.
Hat neuerdings bei der Deutschen Welle eine epochemachende These a la Kroner aufgestellt, bezüglich "alle die nicht in der RKP waren, waren bei der Securitate", höre:

hier kann man die Sendung hören.


www.dw-world.de/popups/popup_single_mediaplayer/0,,5217650_type_audio_struct_10581_contentId_5217953,00.html

Misch 39
schrieb am 11.02.2010, 21:05 Uhr
@ getkiss: der Link funktioniert nicht.
getkiss
schrieb am 11.02.2010, 22:58 Uhr
@Misch39
Sorry, irgendwie war die letzte Ziffernfolge verschwunden.
Jetzt geht´s.
Johann
schrieb am 20.02.2010, 13:46 Uhr (am 20.02.2010, 13:54 Uhr geändert).
Mit der Aufarbeitung der Nazi-Verstrickung des Bundes der Vertriebenen geht es ja richtig schnell voran.

Bund der Bertriebenen

Mit der kommunistischen Aufarbeitung dürfte es sicherlich noch langsamer gehen, da eine disbezügliche kritische Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar ist.
Ergo eine akzeptable Aufarbeitung können dann unsere Ur-Enkel irgandwann lesen.

Allein an Schilderungen von Aktiven, Intriganten und Mitläufer gibt es kein Mangel.
bankban
schrieb am 20.02.2010, 17:40 Uhr (am 20.02.2010, 17:42 Uhr geändert).
Eine kritische Öffentlichkeit in Bezug auf die NS-Verbrechen gab es ja in den 1950er, 1960ern (also 20 Jahre danach!) auch nicht. Deren Aufarbeitung setzte ernsthaft erst in den 1970ern ein und erlebte v.a. nach 1989 einen mächtigen Schwung. Grund: a) 30jährige Sperrfrist in den Archiven b) Zugang zu den Archiven in Osteuropa (Moskau!) für westliche Forscher erst nach 1989 in vollem Umfang gegeben, c) Erst das Aussterben der Väter und Großväter eröffnete die notwendige kritische Distanz, die zu einer nüchternen Herangehensweise unabdingbar ist und d) (Auch wenn du, Johann, dem wohl nicht zustimmst): die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen und insbesondere des NS-verursachten (wenngleich mit lokalen Komplizen durchgeführten) Holocausts hat ein größeres Forschungsinteresse freigesetzt als die Verbrechen, die auf das kommunistische Konto gehen.
Des letzten Punktes ungeachtet denke ich, Johann, dass deine Enkel, in nur noch 30-40 Jahren substantiell mehr über die komm. Verbrechen wissen werden als du heute oder auch als dein Opa vor 30 Jahren über die NS-Verbrechen wusste.
P.s. Dein Link belegt übrigens gerade, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit des BdV gerade nicht schnell voranschreitet, sondern dass sich selbst heute noch Leute finden, die diese Vergangenheit beschönigen!
Johann
schrieb am 20.02.2010, 22:56 Uhr (am 20.02.2010, 22:57 Uhr geändert).
@bankban

Mit der Ironie im Netz kommt man nicht voran, wie dein P.S. belegt. Wenn du mal meinen Daumen nach unten und den Link gelesen hast, dann wundert es mich schon, dass man so ein P.S. schreibt.

Weiterhin habe ich nie die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen geleugnet, dies muss ich jetzt auch wieder zum zigten mal schreiben.

Man kann doch die kommunistischen Verbrechen kritisieren, ohne gleich die NS-Verbrechen zu bagatelisieren. Diese Logik leuchtet mir nicht ein. Dass die kommunistischen Kreise dies gerne als Diskreditierung einsetzen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Friedrich K
schrieb am 20.02.2010, 23:05 Uhr
Man kann doch die kommunistischen Verbrechen kritisieren, ohne gleich die NS-Verbrechen zu bagatelisieren.
Das ist in diversen Kreisen aber arg verpönt und gilt bei den Genossen mit eingebautem Linksdrall als unverzeihlicher Affront.
bankban
schrieb am 21.02.2010, 10:19 Uhr (am 21.02.2010, 10:20 Uhr geändert).
@ Johann

Ja, die Ironie ist auf eine Reihe von Hilfsmitteln angewiesen: Tonfall, Mimik, Gestik usw. Daher kann sie im Netz kaum zur Geltung kommen.

Das P.s. galt aber nicht dir, das hast du missverstanden. Es war jener Magister XY gemeint, dessen Namen ich vergessen habe und der diese Wischi-waschibiografien der Vertriebenenfunktionäre erstellt hat für die sich selbst die Steinbach schämt.
Sorry, dass du das ps missverstanden hast.

Ach Fritzi, deine Polemik und Annahme von Genossen ist so kleinlich wie lächerlich. Aber was Anderes bin ich von dir nicht gewohnt.
seberg
schrieb am 21.02.2010, 19:53 Uhr
www.allgemeine-zeitung.de/nachrichten/politik/8454656.htm

H.Müller: Es geht nicht um die Seelen der Opfer. Die Verletzungen macht jeder mit sich selbst aus. Es geht um die Aufklärung des Geschehenen…

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