Flucht der Sachsen aus Rumänien

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Richard Vogel
schrieb am 08.11.2007, 10:53 Uhr
Als ich 2003 das erste mal nach Siebenbürgen kam, war ich verblüfft über die ausgeprägten Spuren die von den Sachsen hinterlassen wurden (Kirchenburgen, Dörfer usw.) Umso trauriger war es, als ich bei einer Andachtsrunde mit Pfarrer Wünschmann in den Tälern um Petersdorf bei Mühlbach die kleinen verbliebenen Kirchgemeinden der Siebenbürger Sachsen kennelernte. Seit dem hält sich bei mir hartnäckig bei mir das Unverständniss, warum die Sachsen ausgerechnet damals, als der Schrecken des Kommunismus überwunden war und die Zeiten besser, wurden ihr Land fluchtartig und auf "Nimmerwiedersehen" zu verlassen. Vielleicht können Sie meine Vorrurteile und mein Unverständniss beseitigen.

Mit freundlichen Grüßen

Richard Vogel
Erhard Graeff (Moderator)
schrieb am 08.11.2007, 11:14 Uhr (am 09.11.2007, 10:39 Uhr geändert).
Ihre Vorurteile kenne ich nicht. Ihr Unverständnis kann ich gerne versuchen zu beseitigen:
Wieso sollte man in einen Staat, der eins über Jahrzehnte hat dahinvegetieren lassen, von heute auf morgen Vertrauen haben? Die Menschen wollen leben und das hat mit der von Ihnen (als Besucher) vorgefundenen Idylle wenig zu tun. Im Übrigen: das fehlende Vertrauen in den rumänischen Staat war berechtigt. Die Entwicklung in die richtige Richtung (sie sehen, ich bin positiv gestimmt) verläuft recht zäh. Und es gibt noch einen Faktor: auch dem deutschen Staat ist leider nicht zu trauen. Das über Jahre versprochene "Offene Tor" für unsere Landsleute ist seit über zehn Jahren zu, hinzu kommen weitere restriktive Maßnahmen gegen Zuwanderer (auch Deutsche) aus dem Ausland. Ein Menschenleben ist kurz, es verlangt Entscheidungen. Diese haben unsere Landsleute für sich selbst getroffen. So oder so.
Mit besten Grüßen
Ihr
Erhard Graeff
Richard Vogel
schrieb am 08.11.2007, 11:45 Uhr
und auf was würde mann sich einlassen wenn man nach Rumänien zurückkehren würde?
getkiss
schrieb am 08.11.2007, 12:04 Uhr
Richard Vogel schrieb: und auf was würde mann sich einlassen wenn man nach Rumänien zurückkehren würde?
Probieren geht über studieren.
Probieren Sie´s mal...für ein halbes Jahr. Vielleicht könnte es sogar gut laufen, außer Sie haben den Mailat als Nachbar...
getkiss
Richard Vogel
schrieb am 08.11.2007, 12:09 Uhr
getkiss schrieb: [q=1591|... Vielleicht könnte es sogar gut laufen, außer Sie haben den Mailat als Nachbar...
getkiss


Na dann hoff ich das ich diesen Mailat nicht über den Weg laufe
Dolfi11
schrieb am 08.11.2007, 12:19 Uhr
Hallo, vielleicht machst du dir die Mühe und liest aus dem Thread "Die Szekler" den Beitrag vom 3.10.2007 10.35h...

Wo einer der möglichen Beweggründe beschrieben ist...

Gruß Dolfi
der Ijel
schrieb am 08.11.2007, 12:25 Uhr
Georg Weber
Emigration der Siebenbürger Sachsen. Studien zu Ost-West-Wanderungen im 20. Jahrhundert
Dieses Buch empfehle ich dem Herrn Vogel.

Ausserdem ist der Mailat nicht so gefährlich wie er als Vorurteil nr.1 vun uns Sachsen immer wieder misbraucht wird.
Dolfi11
schrieb am 08.11.2007, 21:19 Uhr
Sehr gut geantwortet (!) Erhard... Respekt, du hast vielen aus der Seele gesprochen...

Dolfi
Karo
schrieb am 08.11.2007, 23:09 Uhr
Hallo Richard,
also warst Du bei Deinem ersten Siebenbürgen-Besuch natürlich noch jünger als jetzt. Was hat dich überhaupt dorthin verschlagen, Leute in Deinem Alter haben doch gewöhnlich ganz andere Ziele? Hast Du Wurzeln dort und wo/wann hast Du überhaupt die Sprache gelernt? Viele Fragen...
Wenn Du eh schon Deine "Vorurteile" als solche erkannt hast, bist Du schon mal auf dem besten Weg, davon wieder abzukommen.
Außerdem haben ja damals neben den SbS auch viele Rumänen das Land verlassen, ob aus den gleichen oder ähnlichen Gründen wie die Sachsen, kann ich nicht wirklich beurteilen.
Ob eine "Probezeit" Dir zu mehr Verständnis für die Geschichte verhelfen würde, bezweifle ich ernsthaft. Sicher ist aber, daß Du eine Menge Erfahrungen sammeln und Deinen Horizont sehr erweitern würdest-sowohl im positiven, als auch im negativen Sinn. (So ist halt das Leben überall.)
Und-die wichtigsten Dinge im Leben versteht man wirklich erst dann richtig, wenn man erst selber in einer entsprechenden Situation war.
Schätze Dich glücklich, daß Du DIE Erfahrungen nicht machen mußtest und genieße Deine Zeit in Siebenbürgen.(Ich glaube, auf Nimmerwiedersehen sind doch die wenigsten weg...)

Liebe Grüße, Karo
Richard Vogel
schrieb am 09.11.2007, 09:33 Uhr
Hallo Karo,

um deine Fragen zu Beantworten folgendes: ich nehme seit 2003 an einem Jugendaustausch des Kirchenbezirks Meissen mit der Kirchgemeinde Heltau teil. Organisiert wird der Austausch von einem Diakon der selber 7 Jahre in Hermannstadt als Internatsleiter und in Heltau als Religionslehrer gearbeitet hat. So hab ich viele Freunde dort gefunden (Sachsen, Rumänen, Ungarn) und da Rumänisch die Alltagssprache dort ist lern ich, unterstützt von meinen Freunden, rumänisch.
Ein Bukowiner
schrieb am 09.11.2007, 12:11 Uhr (am 10.11.2007, 01:07 Uhr geändert).
GETKISS schrieb:
Probieren geht über studieren.
Probieren Sie´s mal...für ein halbes Jahr. Vielleicht könnte es sogar gut laufen, außer Sie haben den Mailat als Nachbar...


Richtig Getkiss. Das Vögelchen Ricky besucht Rumänien und Siebenbürgen als Tourist und sieht die idyllischen Landschaften auch als Tourist. Die Touristen und die Gäste sehen nur von oben dass die Fussmatte sauber ist. Was unten der Fussmatte ist, wollen sie nicht sehen oder wissen.
Alle Leute wissen schon dass der (schon berühmter) Romulus Mailat in der Gemeinde Avrig (ich weiss nicht wie auf Deutsch heisst)wohnt, wo früher fast nur die Sachsen gelebt haben. In RO im Volksmund gab`s ein Spruch:
Or pliecat jărmanii,
Ş-or rămas ţîganii! (Die Deutschen sind abgereist, die Rroma sind geblieben!
Und wie immer, die ersten die die Schuld tragen sind nicht die Rroma - Sinti, sondern die Politiker aller Couleur (alle Parteien, die Regierung, das Parlament, die lokalle und zentralle Verwaltung, die Kirchen aller Konfessionen (ausser Eginald Schlattner - der luther. Pastor aus Roschia der etwas tatsächlich für die Rroma tut)usw, usf.
Nach der verschiedenen Wahlen vergessen sofort alle Versprächungen der Wahlkampagnen und haben fast nur eigenen Interessen vor ihren Augen. Wie der Präsident RO "Băsse" sagt: "die rumänische politische Klasse ist fast total kompromittiert". Von ganz oben bis zum letzten Dorfbürgermeister.
Tatsächlich Rumänien entwickelt sie sich (mehr wegen der freien Marktwirtshaft und des Wildkapitalismus als die Kontribution der politischen Klasse) ABER MIT WELCHEM PREIS? Ungefähr eine Million Rumänen leben viel besser als etwa sieben-acht Millionen Bundesdeutschen und acht-neun Millionen Rumänen leben wie in den armen afrikanischen Länder.
Ich bin nicht sicher, ich bin keine Weissagerin in den Sternen aber ich schätze: wenn es so weiter geht, viele reiche und sehr reiche Leute auf einer Seite und viel zu viele arme und sehr arme Leute auf der anderen Seite, es wird schlimm.
Hier in der BRD ist schon die Mittelklasse (seit mindestens 100 Jahren) gebildet. In RO sind nur die Knospen der Mittelklasse aufgeblühtet.

Der Bukowiner
Richard Vogel
schrieb am 09.11.2007, 13:53 Uhr (am 09.11.2007, 14:10 Uhr geändert).
Ein Bukowiner schrieb:


... Das Vögelchen Ricky besucht Rumänien und Siebenbürgen als Tourist und sieht die idyllischen Landschaften auch als Tourist. Die Touristen und die Gäste sehen nur von oben dass die Fussmatte sauber ist. Was unten der Fussmatte ist, wollen sie nicht sehen oder wissen.


Schuldigung aber das kann ich gerade nicht auf mir sitzen lassen. ich bin schon bemüht unter die "Fussmatte" zu schauen!
Und auch das Korruptionsproblem in Rumänien kenn ich zur genüge. Aber die Angaben zu den Umständen von denen die in Rumänien leben oder gelebt haben sind so wiedersprüchlich. Das man nicht weiß was real ist!



lori
schrieb am 09.11.2007, 18:27 Uhr
Erhard Graeff schrieb: Ihre Vorurteile kenne ich nicht. Ihr Unverständnis kann ich gerne versuchen zu beseitigen:
Wieso sollte man in einen Staat, der eins über Jahrzehnte hat dahinvegetieren lassen, von heute auf morgen Vertrauen haben? Die Menschen wollen leben und das hat mit der von Ihnen (als Besucher) vorgefundenen Idylle wenig zu tun. Im Übrigen: das fehlende Vertrauen in den rumänischen Staat war berechtigt.
Mit besten Grüßen
Ihr
Erhard Graeff


Sehr geehrter Herr Graeff,

ich bin jetzt seit etwa 5 Jahren hier in den Foren mehr oder weniger präsent. Aber solche Töne habe ich, ich nenne sie der Einfachheit halber von den "0beren" nicht gehört! Statt dessen "Brückenfunktion" "Verständigung" "Solidarität" alles schöne schmückende Beiwörter, wogegen auch nichts einzuwenden ist, aber das was Sie schreiben ist Klartext! Wir sind einigermassen glimpflich davongekommen, andere die dort geblieben sind...wohl weniger!

Gruss
Lori
Dolfi11
schrieb am 09.11.2007, 19:57 Uhr
An Lori,

was möchtest du eigentlich sagen???
sig110
schrieb am 09.11.2007, 23:36 Uhr
Hallo Richard
Ich bin mir sicher wenn jeder der Siebenbürgen verlassen hat seine Zukunft in Deutschland voraus gesehen hätte, so wäre so mancher dort geblieben. Viele haben sich entschlossen auszureisen weil der andere es auch getan hat. Habe persönlich viele Aussagen gehört wie zb. was soll ich noch hier wenn alle weg sind. Die meisten sind ins Ungewisse gekommen kannten Deutschland nur von Erzählungen. Wenn einer mit einem alten Opel Kadett zu Besuch kam hat man ihn beneidet und sich gesagt so einen tollen Schlitten will ich auch fahren also ab nach Deutschland.
Mich persönlich plagt oft der Gedanke was wäre gewesen wenn alle dort geblieben wären, und zum zb. Ihren Grund und Ackerboden beansprucht hätten und die Rumänische Bevölkerung wäre zum Teil leer ausgegangen? Oder wäre es umgekehrt gewesen mit dem leer ausgehen?

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