Was ist Heimat?

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bankban
schrieb am 07.01.2013, 18:43 Uhr (am 07.01.2013, 18:50 Uhr geändert).
Überhaupt denke ich, daß die gesamte Brechreiz auslösenden "Patria-Partidul-Conducatorul-Doktrinen" in der Schule, gemischt mit dem heimischen Barometer, das 15 Jahre lang hartnäckig auf "Ausreise" verharrte, wohl kaum ein Heimatgefühl in mir keimen ließen. Auf einer Seite die schulische Heuchelei, auf der anderen der Fluchtgedanke aus dem Land. Heimatgefühl? Eine Kindheit, eine Schulzeit, sowie Freunde, Cliquen usw. hätte ich anderswo genaus so gehabt. Wer weiß, vielleicht hätte ich mich dann auch dem Land näher gefühlt, als ich es in RO tat.

Hier bin ich ab dem 18. bis zum 30. Lebensjahr grob geschätzt ca. 10 Mal umgezogen. Es war die Beziehungskistenzeit, wie ich sie heute nenne. Man folgte dem Herzen, Zelte wurde abgebaut und anderswo neu aufgebaut - solange es passte. In dieser beeindruckenden, abwechslungs- und lehrreichen Zeit habe ich überhaupt keinen Gedanken an RO verschwendet. Und nun? Etwas älter, etwas ruhiger, gelingt es mir immer noch nicht, mich emotional an ein Haus zu binden. Es ist und bleibt nun mal NUR ein Gebäude, sowohl jetzt, als auch dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ich habe kein Heimweh, ich vermisse keine Heimat, oder ein dazugehörendes Gefühl, dennoch bin ich glücklich.


Kann jedem Satz zustimmen, alleine die Zahl der von mir bewohnten Bundesländer beläuft auf sieben... Meine Freunde klagen, sie hätten keinen Platz in ihren Notizbüchern für neue Telefonnummern und Adressen mehr...
Slash
schrieb am 07.01.2013, 18:44 Uhr (am 07.01.2013, 18:46 Uhr geändert).
@Herzchen
Australien, Neuseeland... geil! Sollte ich im "besten Saft-Alter" noch gesund und fitt sein, würde ich mir so einige Traumecken gerne ansehen und sie ins Erinnerungsalbum betten. Aus Haus & Schrebergarten direkt in die Kiste fallen, nein, danach ist mir ganz und gar nicht.

@Che
Ich schrieb: "hier" sei ich so oft umgezogen. Damit meinte ich Deutschland. Als Weltbürger sehe ich mich nicht - nur etwas flexibel in der Wahl, wohin ich mein Kopfkissen lege.
bankban
schrieb am 07.01.2013, 18:49 Uhr (am 07.01.2013, 18:52 Uhr geändert).
q herzchen:
Habe den Roman 2010 gelesen, ist also etwas länger her. Da er in Dresden spielt und du doch so oft von Dresden und deinen Kindheitserinnerungen sprichst, dachte ich du hättest ihn auch gelesen und nun wunderts mich, wieso du es nicht tatest.

Ich fand den Roman nicht spannend, aber lesenswert. Die ersten 250-350 Seiten sogar spannend, auf jeden Fall gut geschrieben. Klar, mitunter etwas langatmig, aber auf jeden Fall interessant und teilweise beklemmend. Sehr viele, unterschiedliche Personen, Facetten, Ereignisse, Milieus, Erzählungen... Angst und Furcht, die ganzen Restriktionen. Bestes hochgeistiges Bildungsbürgertu(r)m. Zum Schluss hin fand ich ihn hingeschludert, wenn man bedenkt, dass am Anfang etwa 100 Seiten für die Schilderung einer Woche bzw. eines Nachmittagsereignisses gebraucht werden, am Ende dagegen auf 150-200 Seiten die ganze Vor- und Wendezeit abgehandelt werden. Das hat mich nicht überzeugt, die ganzen Motivationen der handelnden Personen werden nicht mehr beschrieben, gedeutet, erklärt, mit Leben gefüllt, sondern alles rast nur noch geradlinig auf den Herbst 89 zu. Diskussionen, Ängste, Alternativen - nichts dergleichen wird nicht einmal ansatzweise beschrieben.
D.h. zum Schluss hin fand ich den Roman -so paradox es klingen mag- zu kurz...
Slash
schrieb am 07.01.2013, 18:58 Uhr
grumpes: Es riecht halt nach Oma`s Küche.
Kennst Du den CFR-Geruch? Kannst Du den beschreiben?
Unlängst versuchte ich es, schaffte es aber nicht. Eben, den muss man einfach gerochen haben.
Elsam
schrieb am 07.01.2013, 19:13 Uhr
Kennst Du den CFR-Geruch? Kannst Du den beschreiben?

Es kommt von dem benutzten Schmierfett und Öl(pacura).
Herzchen
schrieb am 07.01.2013, 19:29 Uhr (am 07.01.2013, 19:31 Uhr geändert).
"Ich habe kein Heimweh, ich vermisse keine Heimat, oder ein dazugehörendes Gefühl, dennoch bin ich glücklich."

Kann jedem Satz zustimmen, alleine die Zahl der von mir bewohnten Bundesländer beläuft auf sieben...


Wenn ihr keine Heimat vermisst, dann habt ihr letztlich nie eine Heimat gehabt?
Wie fühlt man sich als Heimatloser?
Was macht dich dann glücklich, bankban, wenn du keine Heimat hast, so viel umher gezogen bist, du hast doch ein Zuhause, ist nicht das auch Heimat für dich, Ort des Rückzugs, der Geborgenheit etc.?
Und deine Kindheit? Gab es da keine Tage von Heimat?
Geborgenheit unter Mutters Rock/Schürze etc kann auch Heimat bedeuten.
Mynona
schrieb am 07.01.2013, 20:07 Uhr
würde ich ans andere Ende der Welt ziehen, wenn das die Entscheidung der nächsten Familienratsitzung wäre....

*Lach, slash das könnte mir auf jeden Fall auch passieren, wird es sogar mit ziemlicher Sicherheit.Auch was du davor geschrieben hast passt wie die Faust auf's Auge ;-)))
Ich finde es irgendwie befreiend nicht an eine "Heimat" gebunden zu sein...
seberg
schrieb am 07.01.2013, 20:17 Uhr (am 07.01.2013, 20:21 Uhr geändert).
"Ich habe kein Heimweh, ich vermisse keine Heimat, oder ein dazugehörendes Gefühl, dennoch bin ich glücklich. Trotz ein paar guten alten Freundschaften würde ich ans andere Ende der Welt ziehen, wenn das die Entscheidung der nächsten Familienratsitzung wäre.... Hm, vielleicht hat man mich ja doch in der "maternitate" verwechselt - !"
Hmmm, ja, interessant: wärst du der "in der Maternitate verwechselte“ (kein Wort von „Wechselbalg“! ) , dann wärst du jener mit dem angeblich unruhigen Nomadenblut in dir... Aber das ist ja eher eine romantische Vorstellung von angeborener „Nichtsesshaftigkeit“ jener mit der etwas dunkleren Hautfarbe.
Ich würde es eher eine glückliche Fügung nennen, wie du es gelernt hast - bei deinen Eltern, besonders bei deiner Mutter - mit Bindungen umzugehen: loslassen können, bzw. verarbeiten u. ver-schmerz-en können, statt kleben bleiben!
Sehnsucht, die sich eher nach vorne richtet, die Neugier auf das, was noch kommen könnte. Auch noch im Alter.

Andererseits: ist nicht auch die neugierige Erwartung auf das, was noch kommen könnte an dem schon früher Erlebten orientiert und "geschult"? An einer doch eher glücklichen Kindheit zumindest ganz am Anfang?
Wiederholung steckt überall: für den einen als maßvoll sehnsüchtiger Wunsch nach Wiedererleben, für den Anderen vielleicht eher als ein 'nein Danke!', weil mit Schrecken verbunden.
Es gibt ja die Auffassung, die Sünde sei eher das Bleiben und Festhalten, als die Trennung und das Gehen!

Kurz: vielleicht vermisst du keine Heimat und bist gerade deswegen glücklich!
Wasabi
schrieb am 07.01.2013, 20:43 Uhr
heimat ist was für die ewig gestrigen, schmalzig und typisch deutsch

interessant finde ich allerding den von mynona gebrachten begriff von heimat als etwas zukünftiges, damit könnte ich mich anfreunden

Heimat , ist also etwas wie das "letzte Zuhause", das jeder Mensch intuitiv kennt und worauf jeder seine Hoffnungen setzt.

Die Hoffnung auf die Umsetzung und das Erreichen der "Heimat", die noch eine Utopie, ein Nirgendwo ist, hält den Menschen im Leben und am kreativen (Er-)Schaffen.
bankban
schrieb am 07.01.2013, 21:08 Uhr
"Wenn ihr keine Heimat vermisst, dann habt ihr letztlich nie eine Heimat gehabt?"

Offenbar nicht.

"Wie fühlt man sich als Heimatloser?"
Gut. Wie fühlt man sich als Heimatverlustige?

"Was macht dich dann glücklich, bankban, wenn du keine Heimat hast, so viel umher gezogen bist, du hast doch ein Zuhause, ist nicht das auch Heimat für dich, Ort des Rückzugs, der Geborgenheit etc.?"

Meine Familie, Musik, Lesen, Schreiben (keine Belletristik).
Das Zuhause kann heute hier sein, morgen da. Ich hänge an keinem Ort.

"Und deine Kindheit? Gab es da keine Tage von Heimat?"

Eindeutig: nein. Die Kindheit war zwar schön im Privaten, ich kann sie aber nicht "Heimat" nennen. Außerdem war da noch das ganze Drumherum. Rumänien halt. Und Diktatur.

"Geborgenheit unter Mutters Rock/Schürze etc kann auch Heimat bedeuten."

Für andere vielleicht.
Slash
schrieb am 07.01.2013, 21:20 Uhr
seberg:Ich würde es eher eine glückliche Fügung nennen, wie du es gelernt hast - bei deinen Eltern, besonders bei deiner Mutter - mit Bindungen umzugehen: loslassen können, bzw. verarbeiten u. ver-schmerz-en können, statt kleben bleiben!
Ähm... ganz so ruhig plätscherte unser Bach nicht!
Eine Mutter, die im Elternhaus geboren wurde, dort aufwuchs, nach der Heirat ebenfalls dort blieb, wahrscheinlich ohne Ausreise dort alt geworden wäre - kein Thema daran ist nichts verwerflich - platzt wohl kaum vor Begeisterung, wenn ihr Kind sie eines Tages mit einem "ich bin dann mal weg" überrascht. Das Problem lag genau im geborgenen, behüteten Aufwachsen, nie auf sich allein gestellt zu sein, ständig jemanden hilfsbereit greifbar um sich zu haben und all dieses als das absolut Erstrebenswerteste zu betrachten. Also nichts mit Bindungen umgehen und loslassen können....
Tja, wenn`s in RO machbar gewesen wäre und ich eine Wahl gehabt hätte, wäre ich am liebsten vor meiner Elternkonfliktzeit, also mit 14, ausgezogen. Musste mich demzufolge noch ein paar Jährchen gedulden - aber dann!
seberg
schrieb am 07.01.2013, 21:36 Uhr (am 07.01.2013, 21:37 Uhr geändert).
Richtig, das mit den Konflikten habe ich unterschlagen. Vielleicht, weil ich sie selbst nicht mag? - Pubertät ist nichts anderes als Raserei des Kindes als Weder-noch-Wesen. Merkwürdig nur das manchmal stupende Unverständnis und die groteske Hilflosigkeit der Eltern dabei, als wären sie selbst ohne den Zirkus erwachsen geworden. Oder was das früher in den eher "geordeten" Verhältnissen wirklich anderes? Wahrscheinlich nur gut verdrängt - der heilen Welt zuliebe?
Slash
schrieb am 07.01.2013, 22:01 Uhr
Wasabi: interessant finde ich allerding den von mynona gebrachten begriff von heimat als etwas zukünftiges,
Nein, leider auch nicht! Vielleicht, weil ich nicht die "Ewigkeitsicht" á la Shimon habe, sondern mich eher als "befristeter" Gast/Besucher fühle; als jemand, der ein paar Jahre auf der Welt verweilt und danach wieder geht. Diese Zeit pimär mit der eigenen kleinen Familie sinnvoll, glücklich und zufrieden zu nutzen, steht jetzt an oberster Stelle. Der Ort ist nur insofern relevant, daß er diese Zeit nicht ungünstig beeinflußt, sprich verkürzt.
seberg
schrieb am 07.01.2013, 22:11 Uhr
Ein richtiger Epikureer! :-))
lucky_271065
schrieb am 07.01.2013, 22:15 Uhr
Sicher Vielen schon bekannt. Trotzdem:

Wo de soxesch Hiemät wuart

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