Herta Müller . Ehrung

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bankban
schrieb am 08.09.2009, 12:19 Uhr
Nee, noch nie gehört...
Schon mitbekommen, dass es ewige Wahrheiten gibt...?
Lavinia
schrieb am 08.09.2009, 12:20 Uhr (am 08.09.2009, 12:28 Uhr geändert).
@Johann. Schon gehört, dass das Mittelalter noch in so manchem Hirn kauert? So mancher der sich selbstkritisch hinterfragte, wurde fündig...
Johann
schrieb am 08.09.2009, 12:55 Uhr (am 08.09.2009, 12:59 Uhr geändert).
Ich habe im Hauptfach Philosophie studiert, da wurde uns beigebracht, warum wir die ewigen Wahrheiten, die Pfaffen von der Kanzel verkünden, nicht erfassen können.


Die dunklen Seiten des Mittelalter werden vor allem von Pfaffen, aber auch von Widerstandskämpfern gepflegt, letztere scheuen das Licht der Welt wie der Teufel das Weihwasser. Ansonsten ist die Verbreitung statistisch nicht erfassbar, kann aber für den Einzelnen relevant werden. Werde mal in ein Kloster meditieren gehen, mal sehen...
bankban
schrieb am 08.09.2009, 13:05 Uhr (am 08.09.2009, 13:31 Uhr geändert).
Aber, aber Johann... dass das Ganze mehr ist als ein Teil, wird ja wohl auch ein Philosoph als ewige Wahrheit ansehen können... unabhängig von und trotz jedem Dekonstruktivismus und anything goes-Lakatos-Kuhn-Feyerabend-Postmoderne... oder auch dass der Kreis eben 360° hat .... oder sind das nur Volksverdummungpredigten von Pfaffen... und bösen, pösen Widerstandskämpfern aus dem Busch ? Und was sagen Sie zu der These, Freiheit sei besser als Sklaverei? Ist das nicht auch eine "ewige Wahrheit"? (Da ich meine diesbezüglichen Erkenntnisse zu keinem zusammenklingenden Musikstück verarbeitet habe, verweise ich gerne auf ein Grundlagenwerk von einem Ihrer Kollegen, das letztes Jahr erschienen ist...:-)
Übrigens: auch dass das zitierte Lied ein schönes ist, gehört für mein ästhetisches Empfinden zu einer ewigen Wahrheit (und da dieses Empfinden interesselos ist, würde mir sogar der olle Kant zustimmen, oder?)
Ps. Meditieren hat noch niemandem geschadet... Hätte ich die Zeit, täte ich es auch. Wünsche Ihnen viel Spaß dabei und vergessen Sie nicht, ihren Erlebnis- und Erleuchtungsbericht uns mitzuteilen...
Schiwwer
schrieb am 08.09.2009, 13:22 Uhr (am 08.09.2009, 14:32 Uhr geändert).
Obigem entnehme ich, dass Johann ein verhinderter Theologe ist; vielleicht auch ein verhinderter Philosoph? Ein Widerstandskämpfer?
Die Gretchenfrage müssen wir ihm wohl nicht stellen, in diesem Thread heißt sie in etwa: Wie haltet ihr es mit der neuen Literatur von Müller und/oder Pastior?

seberg
schrieb am 08.09.2009, 19:45 Uhr (am 08.09.2009, 20:11 Uhr geändert).
@Schiwwer: ich denke, der Johann ist wohl eher ein verhinderter Rabbi – mit Spott und Lachen wie im Lied hat er gestern doch wirklich alles versucht, um abzuheben und nach weiser Rabbi-Art das Fliegen zu praktizieren, lustig lustig ganz hoch oben über unseren Köpfen, des „Kollektivs“, hat er es ganz originell versucht … leider ganz ohne Ballon ...hätte er nur einen gehabt!, der „Philosoph“, denn mit heißer Luft allein...


Hallo Szandman: über die griechischen Waisen in Rumänien habe ich leider nicht viel mehr Informationen, inzwischen bin ich mir aber ziemlich sicher, dass es sich nicht um Opfer der Militär-Junta, sondern des davorliegenden Bürgerkriegsgs im Anschluss an WK II handelt. Mein Kontakt mit ihnen beschränkte sich damals auf kurze Begegnungen am Arbeitsplatz in der Fabrik, was aber nur zum Teil auf meine eigene spezielle politische lage zurückging, sie selbst lebten eher zurückgezogen und unauffällig, dementsprechen war auch die Kommunikation eher einsilbig, was ich aber auch damals schon auf ihre Erlebnisse zurückführte, die uns allen bekannt waren (viele von ihnen sollen auch schon die Jahre zuvor in Heimen oder ähnlichen Einrichtungen verbracht haben). Jedenfalls gab es keine Sprachprobleme. Das Rumänische beherrschten sie gut, was tatsächlich dafür sprechen könnte, dass sie der ethnischen Gruppe der Aromunen angehörten, von der ich damals keine Ahnung hatte. Auch dass einer von ihnen mir einmal erzählte, er stamme aus der nordgriechischen Bergregion (seine Eltern und sein älterer Bruder waren vor seinen Augen erschossen worden) könnte auf Aromunen hinweisen, was aber keiner von ihnen ansprach. Der genannte Sokrates wiederum stammte allerdings aus einer ganz anderen Gegend Griechenlands. Ein heutiger Psychiater-Kollege von mir, der schon lange in Deutschland lebt, stammt übrigens ebenfalls aus der nordgriechischen Gegend, er erzählte mir erst kürzlich, dass er gar kein „echter“ Grieche ist, sondern Greco-Mazedonier, er bestätigte mir die von Ihnen angesprochene Theorie, dass die Aromunen in ihrer Geschichte fatalerweise häufig aufs falsche Pferd gesetzt haben und heute sehr zerstreut leben.
Tut mir leid, wenn ich Ihnen nicht mehr darüber erzählen kann.

Was die Literatur von Herta Müller angeht, können wir hier kritische bis ablehnende Stimmen übrigens gut brauchen nach all den positiven und lobenden, vor allem, wenn sie so wie die Ihre vorurteilsfrei der Person der Schriftstellerin gegenüber stehen!
Gruß, seberg
Szandman
schrieb am 08.09.2009, 23:43 Uhr
Hallo Seberg!

Danke für die zusätzlichen Informationen. Es ist nicht viel, aber ein weiteres Steinchen in einem Mosaik. Leider erfolgt ein Großteil der Geschichtsschreibung auf Grund mangelhafter oder verfälschter Informationen. Geschichte wird nahezu immer von den Siegern geschrieben. Verlierer scheinen sehr oft den Wunsch zu haben so wenig wie nur möglich an Informationen preiszugeben. Eine Detaillierung der Informationen über den Versuch einer kommunistischen Machtübernahme in Griechenland dürfte weder im Interesse des offiziellen Griechenlandes noch im Interesse der Verliererseite liegen.

Menschen, die, wie Sie das zu sein scheinen, gewohnt sind gut zu beobachten und gut zuzuhören, können da gelegentlich etwas aushelfen. Mein Gedankengang war, dass gut des Rumänischen als Zweitsprache Mächtige bei der Unterhaltung mit Aromunen recht schnell bemerken könnten, dass die Gesprächspartner ein anderes Rumänisch, als das Gewohnte, gebrauchen. Der Schwachpunkt dieses Gedankenganges ist natürlich die Dauer des bereits von den aus Griechenland kommenden Exilanten in Rumänien verbrachten Zeitraumes. Ebenso die Assimilationsbereitschaft und –fähigkeit der Exilanten. Aromunen leben seit Jahrhunderten unter den jeweiligen Bevölkerungen der Balkanländer. Sie könnten die überlebenden Reste der lateinischsprachigen Balkanbevölkerung darstellen.

Es gibt kaum aromunische Dörfer. Eine und auch gelegentlich mehrere Familien leben recht unauffällig mit den anderen Ethnien. Die sprachliche Anpassung an die dominante regionale Sprache ist meist ziemlich perfekt. Dennoch wird die spezifisch aromunische Sprache und Kultur an die neuen Generationen weitergegeben.

Die von Ihnen, bzw. Ihrem Berufskollegen, angesprochene Zersplitterung der aromunischen Bevölkerung dürfte bereits seit Jahrhunderten bestehen.

Mit Gruß
Szandman
getkiss
schrieb am 09.09.2009, 06:41 Uhr (am 09.09.2009, 06:43 Uhr geändert).
Hallo Szandmann,
als ich noch ein Kind war, wurde meine Familie (1951) in den Baragan verschleppt.
Mit uns kamen - wahrscheinlich aus Oltenien - auch Aromunen nach Frumuschitza. Sie nannten sich macedoneni/Makedonier und sprachen ein idiom daß dem rumänischen ähnelt.
Ob diese in Folge des Bürgerkriegs nach Rumänien kamen weiss ich nicht genau - jeden Falls wurden eher die wohlhabende Bürger verschleppt. Also ist zu vermuten, diese lebten schon seit längerer Zeit im Land.
Da meine Eltern verstorben sind, kann ich sie nicht mehr befragen...
Der reiche, aus Schafhalter emporgekommene rumänische Politiker und Fußballsponsor Gigi Becali ist auch aromune.
der Ijel
schrieb am 09.09.2009, 07:13 Uhr (am 09.09.2009, 07:23 Uhr geändert).
Mit Herta Müller kann ich nichts anfangen.
Guten Morgen Szandman.
Es gibt mehrere Leute die Ihrer Meinung sind.
Der Zeitgeist ist halt auf ihrer Seite. Gemeint ist HM. Das ist der Ausspruch eines von mir geschätzten Mannes der viel von Siebenbürgen, seiner Kultur und Geschichte hält (obwohl er selbst kein Siebenbürger ist)

Ihre Literatur ist nicht jedermanns Sache, und nicht leicht verdaulich.
Durch die heftigen Diskussionen hier, wurde ich neugierig und stieß erneut auch auf ihre abstrakte mit der Schere geschriebene Literatur, welche von ihrer Art her erst recht auch mit Oskar Pastior was zu tun hat.
Ähnlich wie Ihnen ging es mir mit O.Pastiors Büchern,
immer wieder nimmt mann zur Hand und schmeißt sie dann ungelesen wieder zurück-----
Bis ich in der Bibliothek, auf der suche nach abstrakter Literatur auf [url][url]Unica Zürn[/url]
[/url] stieß.
Und dann erst recht. Man steht da wie vor einem Picasso,
oder wie das Kalb vorm neuen Tor und hat den Eindruck vom Autor verarscht zu sein.
www.iti.fh-flensburg.de/lang/fun/anagram/anagram.htm

de.wikipedia.org/wiki/Unica_Z%C3%BCrn

Doch mit Atemschaukel ist Ihr in Symbiose mit Pastior etwas besonderes, für jeden verständliches gelungen.
Und es war fünf vor zwölf dass dieses Thema ausführlich unter uns kam. Alle Achtung !
Ihre Fragen zu den Griechen und Aromunen in Rumänien ist ein anderes Thema, und es würde sich lohnen einen weiteren Thread hierzu zu eröffnen.
Uns sind gelegentlich Griechische Kollegen, oder Vorgesetzte begegnet.

bankban
schrieb am 09.09.2009, 08:01 Uhr (am 09.09.2009, 08:09 Uhr geändert).
De gustibus non est disputandum.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Allenfalls über die Qualität des literarischen Produktes. Über seine Einordnung in das literarische Umfeld seiner Zeit. Und dabei lässt sich durchaus objektiv feststellen, ob jemand eben in den sprachlichen, thematischen Niederungen seines Dialektes/seiner Provinz verbleibt, oder Versuche unternimmt, mit der Sprache kreativ umzugehen, schöpferisch etwas Neues zu erschaffen, evtl. gesellschaftliche Probleme anzusprechen.
Denke ich.
Freilich: manche sind sprachlich kreativ und bleiben dennoch solipsistisch in der eigenen Welt gefangen (die sonst kaum jemand interessiert). Andere verleugnen ihre regionalen Wurzeln nicht und gehen dennoch in die Literaturgeschichte ein.
Folgendes Gedicht von U.Z. finde ich zum Beispiel sehr gelungen und (sogar!) schön:

Werde ich dir einmal begegnen?

Nach drei Wegen im Regen bilde
im Erwachen dein Gegenbild: er,
der Magier. Engel weben dich in
den Drachenleib. Ringe im Wege,
lange beim Regen werd ich dein.


(Ermenonville 1959)
der Ijel
schrieb am 10.09.2009, 16:06 Uhr


Eine Parodie zu "Werde ich dir einmal begegnen"
wer kann damit was anfangen ?

Werde ich dir einmal begegnen ?

Wind gen Eden, Irma Eichelberg,
in bleicher Erd dein Magen weg,
dem gewinn dich, ein Belagerer.

Reminne genial der dich beweg,
in Biled mag der gerne weichen.
arde meinen cigle-bh wegen dir.
seberg
schrieb am 10.09.2009, 16:25 Uhr (am 10.09.2009, 22:55 Uhr geändert).
@bankban: Zum kreativen Umgang mit Sprache und zur Aussage Leos im Roman „Es gibt Wörter, die mich zum Ziel haben“ fällt mir das von dir zitierte Philosophia ancilla theologiae ein, das ich mit Blick auf Literatur abwandle in Homo ancilla lingue: der Mensch (die Vernunft, Philosophie, Wissenschaft) ist die „Magd“ der Sprache (des Wortes der heiligen Schrift, Theologie).

Der Satz „Es gibt Wörter, die mich zum Ziel haben“ deutet darauf hin, dass „das Wort“ mehr Macht hat über den vernünftige Menschen, als der Mensch über das Wort und die Sprache, die er zu benützen meint.

Wer ist wessen „Magd“ im Verhältnis („heilige“) Sprache – („vernünftiger“) Mensch?
Normalerweise benützt der Mensch die Sprache als Kommunikations-Instrument, sie dient ihm als „Magd“. Bei Dichtern, Schriftstellern kann etwas „Verkehrtes“ hinzukommen.
Ich vermute, dass „Sprachkünstler“, die Dichter, von diesem „verkehrten“ Verhältnis mehr verstehen (unbewusst) und anwenden, als die profaneren Philosophen und erst recht als die ach so exakten Wissenschaftler, und natürlich und sowieso als wir alle, wenn wir uns im Alltag der Sprache „be-dienen“, sie zur „Magd“ machen (und manchmal „vergewaltigen“).

Leo fühlt sich seit seiner Lagerzeit bestimmten Wörtern ausgeliefert und als Ziel „ins Visier“ genommen. Leo, das alter ego Oskar Pastiors, sagt auch: es gibt Wörter, die machen mit mir was sie wollen… sie fallen mir ein, damit ich denke…

Unica Zürn und die französischen Surrealisten (écriture automatique) haben dieses Anerkennen der Sprache als „höherer Macht“ mit einer Eigendynamik bis zum Äußersten getrieben, O.Pastior wohl auch (s. seine Beziehungen zu entsprechenden franz. Literaturkreisen) , und H.Müller vielleicht mit den vielen Metaphern in Atemschaukel?

Aber es stimmt: De gustibus non est disputandum… zum Glück kann jede/r selbst entscheiden, ob und welche Lieteratur sie/er genießen kann, sie ungenießbar findet oder zum kotzen…


(PS: Entschuldigung für diesen stark verspäteten Nachtrag nach über 6 Stunden, aber nachdem ich die nachfolgenden Beiträge bis jetzt gelesen habe, fällt mir gerade noch ein: das Gedicht von U.Z. "Werde ich dir einmal begegnen?" ist wirklich sehr schön, eins der schönsten Liebesgedichte, die ich kenne, finde ich.)
lori
schrieb am 10.09.2009, 19:13 Uhr
Hallo Allerseits,

ich möchte mich an der Diskussion nicht beteiligen, da der thread weit fortgeschritten ist, aber falls es um das Buch "Atemschaukel" geht empfehle ich die 35. Ausgabe der "die Zeit"(20. August). Ein Kommetator betrachtet das Buch als Kitsch der andere als gute Literatur.(Ich lege darauf wert, dass dies keine Originalzitate sind) Vielleicht hilft das in der Kontroverse weiter. Mich jedoch würde Folgendes interessieren:- ich zitiere aus dem Buch "die Atemschaukel"-"Die Robert-Bosch -Stiftung ermöglichte 2004 Oskar Pastior und Herta Müller eine Reise zu Orten ehemaliger Zwangsarbeitslager in der Ukraine. Dafür bedankt sich die Autorin, und dankt dem Deutschen Literaturfonds für die Unterstützung bei der Abfassung des Romans." Wer kann dies Aussage konkretisieren? Hat jemand Insiderkenntnisse aus dem Literaturbetrieb? Vielen Dank im voraus!

Gruss
Lori
Lavinia
schrieb am 10.09.2009, 19:26 Uhr
@lori. Über den Zeit-Artikel haben wir hier schon gesprochen.
Google doch nach der Bosch-Stiftung - da findest du auch die Förderungskriterien und alle Angaben die du zu benötigen scheinst...
lori
schrieb am 10.09.2009, 19:42 Uhr
Ich benötige nichts, ich möchte lediglich wissen, was dieses Zitat konkret bedeutet,das google hilft bezweifele ich und ausserdem geht es auch um einen Literaturfonds. Bzw.: was heisst "Abfassung"? Ist das Lektorensprache(sprich Korrektur mit Hilfe der Lektoren)? Ich kenne eigentlich nur "verfassen"(Verfassung)!

servus

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