Vom Frühling beseelt, jeden Tag aufs Neue

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Kurt Binder
schrieb am 01.10.2023, 07:49 Uhr
Der feine Unterschied

Der Käfer, der bis auf die Spitze
des Halmes kroch bei großer Hitze,
war mindestens in gleicher Form,
wie Messner auf dem Matterhorn.

Und konnte auch nach solchem Siegen
erleichtert froh - von dannen fliegen.
Doch Reini musst’ bei allen Wettern,
schon irgendwie hinunterklettern.

Kurt Binder
schrieb am 18.10.2023, 08:28 Uhr
Feinkost

Die Wonnen eines zauberhaften Frühlingsmorgens hatten auch den Appetit eines Millionärs beseelt. Und um seine Seele nicht gleich zu entwonnen, lud er sogleich einen 13-Sterne-Koch zu sich ein; er solle ihm gegen ein fürstliches Honorar ein Menü zubereiten, wie es dies noch nie und nirgendwo gegeben hat – und jemals geben wird.
Der Koch, dieser Ehre und seiner Aufgabe voll bewusst, machte sich sofort an die Arbeit, und bereits nach drei Tagen war er mit seiner kulinarischen Komposition fertig. Er nannte sie „Die Schöpfung“ – was an sich ein Plagiat war, von einem gewissen Haydn entlehnt. Das Werk selbst aber konnte sich durchaus sehen, bzw. schmecken lassen – wie da war:
Siebenbürgisches, milchsäurevergorenes Sauerkraut, der Kampest in Vanillesoße, mit Speck gespickt, mit Burduf-Käse gefüllt, und mit karamelisiertem Zuckerguss überbacken, mit Knoblauch-Himbeer-Gelee abgeschmeckt, in rumänischem Dracula-Merlot-Rotwein gedünstet, dann 8:37 Stunden bei Halbmond im Rosengarten atmen lassen, und hernach dieses monumentale Genussmittel-Hybrid wie einen Sandwich zwischen zwei gegrillten Kalbsschnitzeln auf einem Holzbrett aus Birkenholz kalt serviert. Für den mit an Sicherheit grenzender Sicherheit sich anmeldenden Durst empfahl der Koch eine aromatische „Gech“ mit Hollundersirup veredelt, aus einem Eichen-Fass aus Seiden. Zum Dessert gab es in Chili-Senf-Essig marinierte gebackene, mit Kardamon und Lorbeerblättern gewürzte Nussstrudelscheiben.
Als dann alles schnupper-, kau- und schluckbereit aufgetragen war, wurde der Millionär zusammengetrommelt. Der erschien halb verhungert und geifernd an der Tafel, denn er hatte sich drei Tage lang im Zuge appetitlicher Selbstkasteiung in totaler Abstinenzz geübt und dem knurrenden Flehen seines Magens getrotzt. Und so mussten ihn zwei Bodyguards – einer von links, einer von rechts, und einer von hinten auf den Stuhl heben.
Doch kaum hatte er das farbenprächtige Angebot gesehen und – gerochen, da sprang er wie ein Sprinter vom Stuhl auf, und rannte um Hilfe schreiend in die Nacht hinaus. Und als ich dataufhin mit Nase, Finger und Zunge das Super-Menü begutachtet hatte – ja, da war ich nahe dran, ihm stante pede zu folgen.
Nein – also sowas dürfte einem Viel-Sterne-Koch, über dessen illustrem Haupt ein ganzes Universum kreiste und dabei appetitanregende Lobgesänge ausstieß, wirklich nicht passieren. Und ich will auch niemandem die Rosin-en aus dem Kuchen picken.
Aber da waren doch tatsächlich die Eier in der Vanillesoße klotschitig, der Burduf-Käse war nur aus Kuhmilch gemacht und sein Haltbarkeitsdatum um eine halbes Jahr überschritten, die Himberen aus dem Gelee waren wurmig schon in der dritten Generation, der Rotwein zu Essig vergoren, die Gech war versalzen, die Atmung bei Halbmond war entfallen, weil Mondfinsternis war, außerdem blühte im Garten erst der Löwenzahn, das Kalbsschnitzel war ein Schaf und blökte noch, der Senf in der Marinade war kein hochwertiger Moutard de Dijon, sondern billiger Senf aus der Tube vom Discounter. Dazu waren die Nüsse längst ranzig. Und – als Höhepunkt der ultimativen Schlamperei – das Servier- Holzbrettchen war nur vulgäres Buchenholz!
Also - ich frage euch nun allen Ernstes:
Wer würde seinen, wenn auch mit einem wehrhaften Sternen-Schutzschild umgebenen Koch infolge solcher gravierender Verstöße gegen die primitivsten - Hygiäne-Regeln nicht auch köpfen lassen?

Und so wurde aus der erträumten kulinarischen Leitkultur einfach nur – eine Leidkultur. Kein Wunder, dass da selbst Millionäre kneifen, wenns ums Bezahlen geht!

Kurt Binder
schrieb am 06.11.2023, 07:22 Uhr
Diesmal schon - vom Herbst beseelt

Morgenstund
Eine denkwürdige Begebenheit

Mein Schlaf war auch in dieser Nacht buchstäblich im Eimer, als ich um 3 Uhr Nachts todmüde ins Bett sackte. Ich hatte zwei Edel-Krimis und einen 3-Sterne-Horror-Film, alle mit rotem-Daumen-oben-Bewertung hintereinander gesehen, also beste Qualität mit überragendem Unterhaltungswert! Das Fatale daran, bzw. danch war bloß die völlig unbedeutende Tatsache, dass ich nicht mehr einschlafen konnte. Ich lag also, zwar mit zuen Augen da, starrte durch die Lider auf die Spinne unter der Zimmerdecke, gab rückwirkend Inspektor Barneby Ratschläge für seinen schwierigsten Fall, und half dem Vampir-Jäger, Dracula mittels dem in ihn hineingebrinzten spitzen Holzpfahl zu überzeugen, brav ins Jenseits zu schleichen und uns endlich in Ruhe zu lassen.
Dann haderte ich mit noch einigen Bildschirm-Helden*innen, oder klopfte dem einen oder anderen Prominenten wohlwollend auf die Schulter. Um 7 Uhr morgens hatte ich endlich das ganze Repertoire der TV-Softys, Versager, bösen Buben und Strahlemänner durch den Filter meiner eigenen spirituellen Wie-es-sein-muss-Vorstellungen gejagt. Dann wälzte ich mich, ohne diesmal die moralisch verkommene Welt im Schlaf gerettet zu haben, jedoch verfolgt von den sehnsüchtigen Traumaugen einer birmanischen Prinzessin über den Bettrand - und plumpste auf die Matratze, die ich aufgrund meiner bisherigen schlaflosen Erfahrungen vorsorglich neben das Bett gelegt hatte.
Dann trat ich in der Badehose auf den Balkon hinaus – und erstarrte. Ein ungläubiger Blick auf das Thermometer bestätigte mir mit unverfrorener Selbstverständlichkeit – 5 Grad minus! Ein abgrundtiefer Temperatursturz, da es gestern Abend noch ganze 5 Grad plus waren.
Von der anderen Straßenseite blickte gerade meine charmante Nachbarin zu mir herüber. Und von jenem unverständlichen Impuls der Männer getrieben, den Frauen zu zeigen, wie tolle Kerle wir sind, zelebrierte ich einige verrenkte Turnübungen, Radschlagungen, Saltos und Hampelmänner – kurz, ich produzierte mich auf Kraft. Natürlich lockten meine gekonnten Darbietungen noch weitere charmante Nachbarinnen an ihre Fenster, von denen ad hoc frenetische Applause und Bravo-Rufe der andächtigen Morgenstille Hohn klatschten. Von dem geballten Charme-Tsunami überwältigt, fühlte ich mich verständlicherweise genötigt, ihnen mittels mehrerer tiefer Verbeugungen meine Anerkennung für ihre polyhonen Wertschätzungen zurückzubekunden.
Doch gerade, als mein Ruhm sich dem ultimativen Höhepunkt näherte, meine Glieder langsam ungelenk und steif wurden, und ich halberfroren, schon körperwendend zum Hineingehen ein Noblesse-oblige-Grinsen Nachbarinnenwärts strahlen zu lassen gedachte – bog ein Sittenpolizist um die Ecke.
Sein geübter Blick erfasste sofort die Ursache und das Ziel der euphorisch brandenden Würdigungswellen. Er zog mit ebenso geübten Griffen und autoritärer Zurückhaltung einen riesigen Strafzettel-Block aus dem Halfter, blickte vielsagend zu mir herauf, schlug noch mehrsagender den Block auf, dem ein vor Ungeduld vibrierender Griffel folgte - ja, und dann begannen per oral-verbaler Telekommunikation seine Anklagepunkte das Trommelfell meiner sensiblen Ohren zu belästigen:
Morgendliche Ruhestörung, Erregen offentlichen Ärgernisses, zur Show getragenes wetter- und sittenwidriges Habit auf ungeduschtem Leib usw. Als ich protestierte, da ich ja alles auf meinem Balkon meines Hauses auf meinem Grundstück verbrochen hatte, fügte er hämisch schnunzelnd hinzu: Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Nun ja – dieser Bericht ist wiedermal a pissel länger geworden, doch hoffe ich, euch dennoch von der denkwürdigen Banalität unverhoffter Begebenheiten
überzeugt zu haben, die ja wirklich jedem mal passieren können – mit oder ohne Badehose.

Kurt Binder
schrieb am 13.11.2023, 12:02 Uhr
Vom Frühling beseelt, vom Herbst bestätigt

Kleines Intermezzo

Als ich heute Morgen gewohnheitsgemäß aus den Federn hüpfen wollte, spürte ich sofort, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Ein Stich in der linken Hüfte verhinderte nämlich das unaltersgemäße Hüpfen, und veranlasste in anthropophiler Zuwendung, mich von der Matratze unsportlich hinunterplumpsen zu lassen. Da lag ich nun, ich armer Tor – und war nicht klüger, als zuvor.
Dich was, zum Kuckuck war geschehen? Ich rappelte mich mühsam auf alle Viere, und krabbelte in die Küche. Dabei kniete ich geschickt in einen Reisnagel, und streichelte mit der Handfläche eine Glasscherbe, die sich dankbar in die neue, geborgene Unterkunft bohrte.
Da ich beim Krabbeln, durch Schaden relativ klug geworden, künftig auf den Boden stierte, stieß ich mir konsequenterweise den Kopf an der Tür, die in oppositioneller Verschlossenheit noch geschlossen in den Angeln pennte. Da ich aber mit weniger als 60 kmh dagegen gejumpt war, hielt sich der Schmerz zum Glück unter einer Obergrenze, die meinen ihm gewidmeten Ovationen leider keine Chance auf ihren vollen Auftritt gönnten. Dabei hätte ich mich, wie immer in solchen Lagen natürlich einer gepflegten Ausdrucksweise befleissigt. Und wenn darin ausnahmsweise auch mal ‚Scheibenkleister’, ‚Kruzifix’‚ Himmel, ...’ oder andere, von archaischen Legenden entlehnte Begriffe vorkommen sollten, so hätte ich diese schamerrötend bloß dahingehaucht. Und auch das nur zum besseren Verständis der kausalen Zusammenhänge – ohne Ausrufezeichen!
Die folgenden erfreulichen Momente diese Tages erwähne ich nur in Stichworten:
Verbrühungen dritten Grades durch den Kaffee, Opferung der Fingerkuppe des kreischenden linken Zeigefingers bein Semmelschneiden, dritte Mahnung vom Finanzamt, eine über die Straße gelaufene schwarze Katze, dritter Versuch meiner schrägen Nachbarin, Mülltonne vergessen hinauszustellen, Haus abgebrannt (kleiner Scherz), die Ţuica de prune ausgegangen – also alles Kataklysmen, die jede balkanische Verbalinjurie rechtfertigt hätte.
Vertweifelt lümmelte ich mich in meinen Sessel, und warf rein zufällig einen Blick auf den Kalender – und da traf mich schier der laue Schlag! Und auf einmal war mir alles klar wie Bertramsuppe – Frau, oh Frau, darauf hätte ich gleich kommen müssen. Alles, was mir heute widerfahren war, ist völlig normal, denn– hier stand es geklippt und geklart, heute ist ja - Montag, der 13.!

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