Vom Frühling beseelt, jeden Tag aufs Neue

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Kurt Binder
schrieb am 24.03.2025, 06:04 Uhr (am 24.03.2025, 06:15 Uhr geändert).
Schönheit ist relativ Teil 2

Esmaralda erstarrte. Die Sonne schien voll auf Quasimodos schönes Gesicht, welches ihm, links und rechts von knorpligen Warzen gerahmt, einen Ausdruck entschlossener Wehrhaftigkeit verlieh, die von den vier Hauern, die aus seinem Maul in drei Himmelsrichtungen herausragten, wild bekräftigt wurde! Dies ein- und ausdrcksvolle dreidimensionale Bild testosteronstrotzenden Keilerseins wurde durch den gewölbten, handbreiten Rückenspeck, und durch die knackigen, sexy Hinterschinken gastronomisch abgerundet. Schon allein mit Hilfe der Letzteren, und der leichthaxigen Eleganz seiner Schritte hätte Quasimodo auf dem Laufsteg by Heidi Klums Next Top Model glatt den Oskar abgeräumt!
Ein paar Sekunden lang etablierte sich eine angemessene, ehrfürchtige Stille im Wald – bis diese wie immer gestört, zerrissen – einfach vernichtet wurde.
“Du, Koko“, erkundigte sich eine Stimme, „was ist das dort auf dem Baumstamm bloß für ein hässliches Tier?“
“Das ist ein Warzenschwein, liebe Kiki!“, entgegnete eine zweite Stimme. „Komm, gehen wir weiter – die sind gefährlich!“
Gleichzeitig wollte ein Frischling wissen, was das für komische Zweibeiner mit diesen hässlichen Gesichtern wären.
“Das sind diese lästigen Tiere, die uns täglich in unsrer Ruhe stören!“, erklärte die Mama. „Und ihre blassen, ausdruckslosen Gesichter - nur, weiße Flecken in der Natur!“

Da es unerheblich ist, was in jenem Wald weiterhin geschehen ist, bricht dieser Psychothriller hier ab. Und wenn wir bei einer ähnlichen Begegnung, eines knusprigen Bratens wegen nicht schießen, sondern die Flinte demonstrativ ins Korn werfen (im Wald auch ins Unterholz), so sind wir mit einem großen Schritt unsrer Selbstachtung nähergekommen.

Vorschlag:
Erheben wir doch unsre Stamperl, und kippen einen Korn auf die Freundlichkeit des Unterholzes, der Flinte lebenslänglich miet- und nebenkostenfreie Unterkunft zu gewähren - halali!


Kurt Binder
schrieb am 29.03.2025, 10:20 Uhr
Die gute Frage

Man sagt, es mache der launische April
gewöhnlich nur das, was er grade will!
Warum auch sei alles Schalten und Walten
bloß uns klugen Menschen vorbehalten?
Kurt Binder
schrieb am 02.04.2025, 12:22 Uhr
Unsre Natur - ein Porträt

Natur ist Sein -
in freizügiger Offenbarung
ihrer selbst -
ihre Schönheit, Reinheit
keimt stets von Neuem
in ihrem ureigenen Wesen,
so zu sein, wie sie ist,
und der wir angehörig sind,
mit ihr verbunden,
ihr verpflichtet ...

Natur ist Leben -
in blühendem Grün
schillernd, duftend,
singend und werbend
stellt es sich zur Schau -
eine Sinfonie des Bejahens
in Farben und Klängen,
im Ebenmaß der Jahreszeiten,
schützend überwölbt
vom Azurblau des Himmels ...

Natur ist Empfinden -
sie in ihrer Vollkommenheit
freudigen Herzens
wahrzunehmen,
unsre Seelen öffnen,
ihre Gesetze achten,
ihre mütterliche Hege
dankbar zu würdigen -
ihr Anliegen
uns zueigen zu machen ...

Natur ist Verstehen -
das Andere anerkennen,
es zu schätzen, zu würdigen,
“ein jegliches nach seiner Art“,
begreifen, dass Geburt und Tod
unser aller Anfang und Ende ist,
und dass der Tod des einen
auch mal das Überleben
eines andern bedeuten kann ...

Natur ist Lieben -
ein Geben und Nehmen,
durchdrungen vom warmen Atem
all dessen, was uns umgibt,
es angenehm empfinden,
mit einem Lächeln empfangen;
des Nächsten Sorgen teilen,
spüren, dass man erwünscht ist -
und Wonne empfinden,
wenn beim Anblick unsrer Sehnsucht
das Herz schneller schlägt ...
Regine ( Jini )
schrieb am 05.04.2025, 16:06 Uhr
Lieber Kurt,
nun habe ich die "Strophen" jeweils 2x gelesen. Wunderbar!
Zu der letzten Natur ist Lieben fallen mir ein paar Zeilen von Nelly Sachs ein:

Alles beginnt mit der Sehnsucht,
immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not.
Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,
dort bricht sie noch stärker auf.

Kurt Binder
schrieb am 06.04.2025, 09:10 Uhr
Hallo, liebe Jini,

vielen Dank für Deine freundlichen Zeilen, die mich erfreut - und geehrt haben! Von der zu Grunde liegenden Idee ausgehend, sollte es eigentlich ein lyrisches Gedicht werden. Doch während des Schreibens haben sich mehr und mehr Ideen dazugesellt, so dass es mir letztendlich zu üppig und deskriptiv erschien, und somit besser in die beseelte Frühlingssparte passte.
Die Verse von Nelly Sachs berühren thematisch tatsächlich die aus ‚Natur ist Lieben’ – doch waren ihre Beweggründe nicht rein betrachtender Natur. Die dreimal erwähnte ‚Sehnsucht’ spricht Bände, und nötigt förmlich zu Rückblicken, die uns zwangsläufig zu dem tragischen Schicksal ihres Volkes führen.
Wie ich lese, bist Du auch ein ‚Kind des Mais’! Wieso kommt mir das wohl so bekannt vor ;-))) ?

Herzlichst
Kurt vom Binder
Regine ( Jini )
schrieb am 13.04.2025, 19:34 Uhr
Hallo Kurt,
bist etwa auch Du, genau wie das Maikind und ich, ein Kind des Mais´?
Mein Geburtstag war ein Sonntag, ich schlage mich also als Sonntagskind durch´s Leben;-)
For your eyes only;-)): Unseren -gemeinsamen- Nachnamen habe ich sogar bei meiner Eheschließung behalten (ich hieß also niemals anders...). Nun gut, ich war nur 23(!) Monate verheiratet; die Verlockungen um mich herum waren zu groß, und ich konnte ihnen nicht widerstehen.

Dazu paßt ein weiteres Gedicht von Heinrich Heine, vielleicht kennst Du es;-).

Ein Weib

Sie hatten sich beide so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
Wenn er Schelmenstreiche machte,
Sie warf sich aufs Bett und lachte.

Der Tag verging in Freud und Lust,
Des Nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
Sie stand am Fenster und lachte.

Er ließ ihr sagen: O komm zu mir,
Ich sehne mich so sehr nach dir.
Ich rufe nach dir, ich schmachte -
Sie schüttelt´ das Haupt und lachte.

Um sechse des Morgens ward er gehenkt,
Um sieben ward er ins Grab gesenkt;
Sie aber schon um achte,
Trank roten Wein und lachte.

Lieber Kurt, ich bin sicher, daß wir uns viel zu erzählen hätten, und uns nicht langweilen würden;-)
Ciao!
Nimrod
schrieb am 13.04.2025, 20:56 Uhr
Hallo Regine, weil ich hier in diesem „friedlichen“ Thema auch immer wieder mal zu Gast bin, las ich heute deinen Beitrag mit dem Gedicht von Heinrich Heine. Beim Frühstück heute las ich zufälligerweise auf einem Kalenderblatt Heines Frühlingslied, welches mit viel melancholischer Sehnsucht , vielleicht auch etwas jugendfreier als das vorhergehende, seine "Frühlingsgefühle" ausdrückt, die du vor kurzem ja hier im Forum angemahnt hast.

Leise zieht durch mein Gemüt,
liebliches Geläute,
klinge kleines Frühlingslied,
kling' hinaus ins Weite!

Kling' hinaus bis an das Haus,
wo die Veilchen sprießen:
Wenn du eine Rose schaust,
sag', ich lass sie grüßen.

Sprich zum Vöglein, das da singt
auf dem schwanken Zweige,
und das Bächlein, das da klingt
dass mir keines schweige!

Schalle, Lied, wo’s grünt und blüht
hold im Abendscheine,
wieg' in süßen Schlummer dann
Röschen, das ich meine!

Es sei allen „Frühlingskindern“ (März bis Mai) gewidmet. Der „Genuß“ wird noch verstärkt wenn man es sich auch noch musikalisch untermalt, zu Gemüte führt. Lieber Kurt, du darfst dich aber genauso an den „Frühlingsgefühlen“ Heinrich Heines erfreuen. Gruß Nimrod
Regine ( Jini )
schrieb am 16.04.2025, 15:09 Uhr
Hallo Kurt, hallo Nimrod,
ich habe einen wunderbaren Gedichtband, in dem alle deutschsprachigen Dichter (und Denker;-)) mit -so gut wie allem Publizierten- zu finden sind:
Sämtliche wichtigen Lebensbereiche eines menschlichen Lebens, wohl geordnet und sortiert; frau/man findet schnell das Gesuchte.
Er eignet sich für jeden Menschen, dem Poesie und Lyrik wichtig sind (z.B. zum Auffrischen von Schillers "Glocke";-))), und als Geschenk für einen Menschen mit ebensolchen Interessen.
Der Band wird wohl nicht mehr aufgelegt, ist aber bei medimops und Pedir (gebraucht) zu finden.

Gedichte & Balladen, garant Verlag in Renningen (das ist doch irgendwo im Schwäbischen!?;-), garant-verlag.de
ISBN: 978-3-86766-244-4.
Das ist das Cover: in schwarz-sand gehalten, mit Tintenfaß und Feder drauf...
Und alle Heinrich-Heine-Gedichte sind dort enthalten!!;-)
Ciao!

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