Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur

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bankban
schrieb am 22.12.2009, 10:39 Uhr
William Totok: Gewinner der Revolution
(u.a. über R. Tinu, den ehemaligen Securitateoffizier)

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2009%2F12%2F22%2Fa0012&cHash=b45aadc774
Lavinia
schrieb am 22.12.2009, 11:30 Uhr (am 22.12.2009, 11:31 Uhr geändert).
Aus dem obigen, von Bankban reingestellten Artikel: "Die kapitalistische Marktwirtschaft, die sie bis vor Kurzem noch bekämpft hatten, bot gerade für ehemalige Securitate-Offiziere ideale Aufstiegsmöglichkeiten."

Eines der ersten Gesetze, die geändert wurden nach 1989 waren Gesetze die das Eigentum betrafen.
getkiss
schrieb am 22.12.2009, 17:54 Uhr (am 22.12.2009, 18:00 Uhr geändert).
Alles schön und gut, Bankban.
Nur sollte wir bei der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur nicht mit dem Ende, sondern dem Anfang beginnen.
Und mal die Vorkriegsgeschichte der Diktaturenpartei weglassend, schauen wir mal mit welcher Mitgliederzahl die RKP 1944 begann. Quelle:
www.stindard.ro/historicum/2005_comunisti_1944.pdf
hier wird, im Beitrag "Eine lange Zeit verdeckte Wahrheit. Über die Anzahl der Mitglieder der RKP am 23.August 1944"
vom Major Doktorand Petre Opriş, nach dem vom ehemaligen Chef des rumänischen Geheimdienstes unter Antonescu, Eugen Cristescu die Zahl wie folgt beschrieben ist:
"Wieso sollte ich das nicht wissen. Es waren 1150. Die hälfte davon waren unsere Agenten." (Des Geheimdienstes)

Die Habilitationsschrift von Opriş beschreibt auch andere Quellen, direkt der Partei, die dieser Numer nahekommen.

getkiss
schrieb am 22.12.2009, 18:02 Uhr
Allen Mitgliedern und Lesern dieses Forums wünsche ich
Ein besinnliches Weihnachtsfest
und guten Rutsch ins neue Jahr 2010!
Joachim
schrieb am 22.12.2009, 18:06 Uhr
Hallo getkiss,
das was Du sagen willst, ist tatsächlich für einen "normal" denkenden Menschen schwer zu verstehen.
bankban
schrieb am 22.12.2009, 21:02 Uhr
Schriftsteller Richard Wagner zum Sturz von Ceausescu vor 20 Jahren in Rumänien

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1092346/

getkiss
schrieb am 22.12.2009, 21:58 Uhr (am 22.12.2009, 22:01 Uhr geändert).
Ja,
der Herr Wagner redet über alles,
über Diktatur, Diktator und seine Hinrichtung "durch das Volk"
Über Söllner,
Über Müller,
Über Konschitzki,
Über Alles,
nur über das nicht,
Wieso und warum
er bis 1985,
in der Zeit der von ihm beschriebenen
Hungersnot und Kälte
noch IMMER KOMMUNIST war!
Der große Dissident,
hatte einfach kein Mumm...
ausgetreten,
nur zum pipi....
bankban
schrieb am 22.12.2009, 22:13 Uhr
Schimpfen auf andere, die sich an der jeweiligen Debatte nicht einmal beteiligen, ist freilich auch eine mutige Veranstaltung.
getkiss
schrieb am 22.12.2009, 23:00 Uhr (am 22.12.2009, 23:01 Uhr geändert).
Falsch, Bankban
ich schimpfe auf einen
der sich an keiner Debatte
beteiligt,
da einsamer Solist
ü b e r a l l!
Und dem die
Beteiligung
noch nirgends
unerlaubt war!
getkiss
schrieb am 25.12.2009, 13:13 Uhr
Intermezzo.
Heute sind es 20 Jahre seit den fürchterlichen Weihnachten von 1989.
Der plötzliche Sturz der Herrschaft war zwar irgendwann voraussichtlich, aber in seiner ganzen stürmischen Erhabenheit nicht als solches wahrgenommen, von uns, die erst seit 3 Jahren losgekommen waren.
Reinhold Schneider´s Spruch, heute auf der Empore der Kirche, während der Pastoralmesse wahrgenommen:

"Der Verzweiflung gehen zahlreiche Nackenschläge voraus. Deshalb ist sie zunächst einmal kraftlos....
Verzweiflung ist blind; sie nimmt die Wende nicht wahr, die sich vorbereitet."

Und nachdem der Bann gebrochen, die Grenzen offen, gab es keinen Halt mehr: Meine Landsleurte strömten in Scharen weg.
Lavinia
schrieb am 25.12.2009, 14:37 Uhr (am 25.12.2009, 14:51 Uhr geändert).
Intermezzo, getkiss?...Also Lückenbüßer, Pausenfüller, Zwischenspiel...für ein so ernstes Sujet???? Nun ja.
Der plötzliche Sturz war ‚voraussichtlich‘? Also…‘ vermutlich‘? Oder meinst du …“voraussehbar“? Und was bedeutet…(der plötzliche Sturz) „in seiner ganzen stürmischen Erhabenheit“…? Wovon sprichst du? Welche ‚Erhabenheit‘? Die beiden wurden nach einem kurzen Schauprozess erschossen…Wovon seid ihr (und wer seid „ihr“) „erst seit 3 Jahren losgekommen“? Kann es sein, dass du damit meinst, dass du (deine Familie)drei Jahre vor der rumänischen Revolution nach Deutschland kamst?
Okay, du warst heute in der Kirche und da hat der Pastor erzählt, dass der Verzweiflung ‚Nackenschläge‘ vorausgehen…? Und weil sie ‚zahlreich‘ sind, sind sie zunächst einmal ‚kraftlos‘? Ähmmm...jeder wie er es halt sieht...und dann sagst du was von einer ‚blinden Verzweiflung‘, die die Wende nicht wahrnimmt? Wenn ich dich richtig verstehe, warst du aber schon seit drei Jahren nicht mehr verzweifelt... In Deutschland...und für dich war der ‚Sturz der Herrschaft‘ trotzdem überraschend, auch ohne die 'Blindheit der Verzweiflung'...Was ist das denn für ein Schmarrn? Und so etwas beeindruckt (Dich)? Ich kann es nicht fassen!
Und Du schimpfst über Richard Wagner als 'einsamen Solisten'?
Und über Herta Müller, deren Umgang mit Sprache ihr den Nobelpreis eintrug?


Erich58
schrieb am 25.12.2009, 14:50 Uhr
Kommt vom Tauwetter... da gehen "sinnlos" Lawinen ab!
Herzlichst - Erich
bankban
schrieb am 25.12.2009, 16:26 Uhr (am 25.12.2009, 16:37 Uhr geändert).
Auch ein Aspekt der Aufarbeitung

In Klausenburg war nach 1968 eine dreisprachige Studentenzeitschrift mit dem Namen Echinox erschienen (Deutsch, Ungarisch, Rumänisch). Ein unlängst erschienener Aufsatz untersucht die "Interkulturalität" der Zeitschrift (http://www.korunk.ro/?q=node/8&ev=2009&honap=11&cikk=11180). Der Autor weiß zwar um die Gefahr einer Rückprojektion heutiger Begrifflichkeiten in die damalige Zeit, versucht dennoch das Miteinander der drei Ethnien in der Redaktion herauszuarbeiten. Neben bisher erschienener LÖiteratur befragte er ehemalige Redakteure der Zeitschrift (komischerweise keinen deutschen Redakteur).
Das Verhältnis der deutschen und rumänischen Redakteure (Peter Motzan, Ion Pop, Aurel Cordoban) zueinander sei besser gewesen, als das der Ungarn zu den Rumänen. Das ungarisch-deutsche Verhältnis wird von einem ung. Redakteur als gut bezeichnet. Hervorgehoben wird, dass jede der drei Seiten die Tätigkeit der anderen dazu nutzte, um den eigenen kulturellen Horizont zu erweitern: die rumänischen Redakteure öffneten ein Fenster zur französischen, während die anderen beiden Ethnien v.a. zu der deutschen Kultur hin. Dem gegenseitigen Kennenlernen diente das Rezipieren der literarischen Erzeugnisse, wobei v.a. die deutschen Redakteure es einfacher hatten, sich dem rumänischen Publikum zu öffnen, da sie oftmals selbst (Werner Söllner, Peter Motzan, Franz Hodjak) ihre eigenen Werke ins Rumänische übersetzten. Interessant ist, dass die Redakteure aller drei Ethnien ihre kulturelle Arbeit eigentlich als politisch geprägt betrachteten (angeblich damals schon). Sie waren der Meinung, der kommunistischen Kulturlosigkeit und dem drohenden (politisch gewollten) kulturellen Identitätsverlust zum Einen Rückverweise auf verpönte eigene nationale Werte entgegensetzen, zum Anderen neueste literarische und kulturelle Strömungen aus dem Westen vermitteln zu können. Die 1977 erfolgte offizielle "Abschaffung" der Zensur erschwerte die Arbeit, da man noch weniger Anhaltspunkte hatte, was erlaubt war, d.h. die Zensur musste von der Redaktion selbst übernommen werden. (Zusätzlich mussten die jeweiligen Seiten stets weiterhin einem Universitätsdozenten vorgelegt werden).
Zusammenfassend: Echinox scheint einerseits ein interkulturelles Medium in einer multiethnischen Stadt gewesen zu sein, andererseits ein Vermittlungsorgan nationaler Identitätsdiskurse in einer Zeit, die gerade solches unterbinden wollte.

P.s. In der selben Ausgabe der Zeitschrift Korunk ist eine Rezension zu Richard Wagners "Habseligkeiten" (bzw. der ungarischen Übersetzung) und zu einem Film über Schlattner und H. Bergel erschienen.
Lavinia
schrieb am 27.12.2009, 22:50 Uhr
"Das Dokumentartheater "Die letzten Tage der Ceausescus" (Regie: Milo Rau und Simone Eisenring) spielt die ganze Verhandlung gegen den rumänischen Diktator Nikolae und seine verhasste Ehefrau Elena in einem quälend dichten, absurd detailgetreuen Theaterabend nach."

www.welt.de/kultur/theater/article5597461/Der-Ceausescu-Prozess-als-Buehnenstueck.html
seberg
schrieb am 28.12.2009, 11:45 Uhr (am 28.12.2009, 11:56 Uhr geändert).
Einen kleinen Einblick in die Seele eines Geheimdienst-Mitarbeiters und Verräters gewährt ein jetzt in Frankreich erschienenes Buch über einen Kollaborateur während der Nazibesatzung (einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/5713/spitzname_sado.html). Ähnliches kann man sich sicher bei ebenso „willigen Helfern“ der früheren rumänischen Securitate vorstellen.

„ ‚Schreiben Sie alles auf über die Personen, die uns interessieren’. Anfangs plagen den Franzosen noch Gewissensbisse. Er habe ‚die schlimmste und abscheulichste Aktion begangen’ notiert Sadosky einmal, ‚die der Denunziation. Ich habe innerhalb weniger Stunden einen Mann verraten…’. Doch solche Schuldgefühle sind nicht von Dauer.“

Eine seltsame „Gewissens-Metamorphose“ scheint sich zu vollziehen. Nicht dass diese offiziellen oder inoffiziellen Schnüffel-Mitarbeiter nicht so etwas wie ein Gewissen kennen würden, jene innere Instanz, vor der sie ihr Tun verantworten. Diese innere Autorität scheint jedoch seltsam sprunghaft und wandelbar werden zu können: unter lebensbedrohlichen Umständen aus Angst allemal, aber offenbar auch schon wegen schnöder materieller Vorteile. Es scheint zu einem „prinzipienlosen Gewissen“ zu kommen, das eher den jeweils äußeren Machtverhältnissen folgt: gehorcht wird demnach nicht einem verinnerlichtem Wert wie z.B. einer universell gültigen Menschlichkeit, sodern der opportun gültigen äußeren Macht: in Frankreich jener der deutschen Besatzer, in Rumänien der unumschränkten Macht der Securitate.

„Ich habe immer nur meine Pflicht getan“, sagte der französische Kollaborateur – genau so, wie man das früher auch von Nazisverbrechern hören konnte, die auf ihre gewissenhafte Pflichterfüllung oft sogar besonders stolz waren (wie man das heute von früheren ranghohen Securitate-Offizieren hören kann). – Folgte diese „Pflicht“ aber einem eigenen inneren prinzipiellen Wert? Gibt es das überhaupt und ist das immer „normal“ und „gut“?

Im „Abschied vom Prinzipiellen“ (Reclam, 4,- €) von ODO MARQUARD kann man denn auch Sätze lesen wie „Das Prinzipielle ist lang, das Leben kurz“... „...unser Tod ist schneller als das Prinzipielle: das eben erzwingt den Abschied vom Prinzipiellen“. – Und über das Gewissen sagt OM, es sei „jeweils mehr Einsamkeit als Universalität“ und „Mündigkeit ist vor allem Einsamkeitsfähigkeit“. –
Ebendort erinnert er auch an Brechts sehr lesenwerten „Maßnahmen gegen die Gewalt“ (Geschichten vom Herrn Keuner).

Es scheint so etwas wie eine Lebenshaltung zu geben, die sich durchaus nicht dem tierisch ernsten Prinzipiellen, dafür aber trotzdem – oder gerade deswegen und im besten Fall – der Menschlichkeit verpflichtet weiß (Humor als Einsamkeitsübung wie in Kafkas „Gibs auf!“?)

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