Herta Müller . Ehrung

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Schiwwer
schrieb am 09.10.2009, 10:38 Uhr (am 09.10.2009, 10:47 Uhr geändert).
In einem Beitrag (Radio) der Leiterin der rumänischen "Gauck"- Behörde erfuhr ich, warum es so wichtig ist für Rumänien, dass Herta Müller den Nobelpreis erhalten hat. Es verleiht dem Ringen derer Legitimation, die sich in Rumänien bemühen, die kommunistische Zeit aufzuarbeiten und die von den alten neuen Seilschaften niedergemacht werden.

Wenn ich nur daran denke, wie Doina Cornea, Ana Blandiana, Smaranda Enache als Frauen in den Boulevardblättern niedergemacht wurden, auf die gemeinste Weise, noch viel niederträchtiger als das Vorgehen gegen Patapievici, oder Dinescu oder Paler, um nur einige zu nennen - und der Pöbel, der rumänische Berlusconis liebt, hat alles mit Begeisterung aufgesogen.

Unerträglich für das gebildete Rumänien, dass solche wie Adrian Paunescu oder Gigi Becali es repräsentieren sollen.

@ Siegen:"Ich kann mir nicht erklären, warum Herr Plesu sich gerade über diesen Nobelpreis freut, da es einer Tatsache zu verdanken ist, welches Rumänien ... nicht gerade in einem besonders hellen Lichte darstellt."

Wieso kann man das nicht erklären? Plesu ist ein ganz normaler Schriftsteller und Wissenschaftler der sein Land liebt und der will, dass es mit den Lügen endlich ein Ende nehme. Er ist kein Nationalist und gehört auch zu denen, die aufarbeiten wollen und Aufklärung suchen. Deshalb ist auch für ihn und seine Kreise siehe oben- dieser Preis eine Unterstützung.
seberg
schrieb am 09.10.2009, 10:43 Uhr (am 09.10.2009, 11:54 Uhr geändert).
Das ist richtig Schiwwer, aber ich hoffe und bin eigentlich sicher, dass es nicht nur für Rumänien wichtig ist, dass HM den Nobelpreis bekommen hat.

Ich kann mich den Einsschätzungen von The history of Igors nur anschließen und diese sogar noch ausweiten (auch als Teilantwort auf bankbans Fragen). Jeder Versuch, HM bzw. ihre Litratur irgendwie ideologisch oder wissenschaftlich zu vereinnahmen und zu verorten bleibt äußerst fragwürdig, egal ob geographisch (z.B.„lokalpatriotisch banaterisch“), historisch-politisch (z.B. Ceausescu-Rumänien), oder ethnisch (Banater? Rumäniendeutsche? Deutschrumänen? Rumänen? Ost… Europäer?…: ein Kapitel in „Atemschaukel“ heißt sogar ausdrücklich: Interlope Gesellschaft).

Ich lese ihr erstes wie ihr bisher letztes Buch als Erlebnis eines individuellen Menschen im „Gefängnis“ oder in der „Irrenanstalt“ dieser Welt mit ihren verschiedenen Akteuren. Alle Konkretisierungen sind rein zufällig, genau so, wie Herta Müller eben zufällig im Banat geboren wurde. Gerade WEIL sie das aber nicht verleugnet, hat sie eine Geschichte zu erzählen (wie es in irgendeinem Kommentar hieß), und darauf kommt es an, meine ich.
Um es noch krasser zu sagen: das WAS ihrer Geschichten ist wieder einmal sehr viel unwichtiger, als das WIE...
siegen1990
schrieb am 09.10.2009, 10:47 Uhr
Hallo The History of Igor,

natürlich hatten während der kommunistischen Zeit zweifellos alle die in Rumänien lebten zu leiden. Meine Verwunderung über die Freude des Herrn Plesu bezog sich auf das Buch und die Thematik, die den Nobelpreis bekommen hat (Deportation der Deutschen aus Rumänien nach Russland, da waren wohl keine Rumänen wissentlich dabei, oder?!) und nicht Frau Müllers ältere Bücher, über das Leben im kommunistischen Rumänien während der Ceausescu Zeit.

Gruß Siegen1990 (komisch, dass Sie nicht einmal einen Namen in ihrem Profil führen?!)
Schiwwer
schrieb am 09.10.2009, 10:50 Uhr
Herta Müller erhielt den Nobelpreis für ihr gesamtes literarisches Werk, also Romane und Essays, nicht nur für das letzte Buch...
Dolfi11
schrieb am 09.10.2009, 10:57 Uhr (am 09.10.2009, 12:18 Uhr geändert).
Siegen 1990 schrieb:

Der rumänische Philosoph und Kunsthistoriker Andrei Plesu meinte, die Rumänen seien seit Jahren traurig, dass es keinen rumänischen Nobelpreisträger gibt. "Jetzt können sie sich beruhigen. Herta Müller ist zwar eine deutsche Schriftstellerin, aber sie stammt aus Rumänien, und ihre Werke enthalten ein Stück rumänische und osteuropäische Geschichte."
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Es stimmt ja auch...
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Siegen 1990 schrieb weiter

Ich kann mir nicht erklären, warum Herr Plesu sich gerade über diesen Nobelpreis freut, da es einer Tatsache zu verdanken ist, welches Rumänien und seine jüngere Geschichte, z.B. Verrat an seinen Verbündeten und der Versuch sich nachher ohne eigene Konsequenzen aus der Affäre zu stehlen, nicht gerade in einem besonders hellen Lichte darstellt. Es haben rumänische Historiker selber behauptet, dass es seitens der Sowjetunion keine klare Order gab, dass die Deutschen zum Wiederaufbau geschickt werden sollen, sondern Rumänien, als ehemaliger Verbündeter der Nazis, Wiedergutmachung leisten muss. Es war die Anweisung der rumänischen Behörden, dass dies die deutschen Bewohner Rumäniens (ob z.B. die ungarische Minderheit auch davon betroffen war, habe ich nicht gehört) leisten sollen.
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Für diese Deportationsbeschlüsse war das damalige Regim verantwortlich, und weniger das rumänische Volk, da sollte man schon genau unterscheiden, da im Umkehrschluss jeder behaupten kann "...ihr Deutsche seid ALLE Nazis..."!

Im übrigen schließe ich mich "the History of Igor" an...
Schiwwer
schrieb am 09.10.2009, 11:05 Uhr
Friedensnobelpreis für Barack Obama!
Armin_Maurer
schrieb am 09.10.2009, 11:08 Uhr (am 09.10.2009, 11:25 Uhr geändert).
Herta Müller bürstet die Sprache gegen den Strich und dabei gelingen ihr rauhgezeichnete Bilder, die es mit der Wirklichkeit unserer Konservenexistenz im Rumänien der 70-er und 80-er Jahre aufnehmen können.

Es gibt rumänische Autoren, die solches nicht minder virtuos vermögen: Etwa der viel jüngere Cătălin Dorian Florescu oder die leider viel zu früh aus dem Leben geschiedene Aglaja Veteranyi.

Aus diesem Grunde meine ich, dass im Falle Herta Müllers eine Persönlichkeit mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, welche die spezielle Leidensproblematik der Deutschen aus Rumänien in ihrem Werk behandelt hat.

Wenn sie damit vielen Rumänen (wie im Übrigen auch deutschen Mitläufern der braunen und der roten Zeit) nicht bloß den Speigel vorgehalten hat, sondern auch den zahlreichen Opfern unter diesen ein Sprachrohr geworden ist, dann spricht das abermals für Herta Müller, welche, wie wir seit neuestem wissen, Weltliteratur verfasst hat und somit, angesichts der bei ihr immer wieder kehrenden Thematik „politische Verfolgung“ und „menschliche Erniedrigung“, allen Verfolgten und Erniedrigten eine verletzlich-rauhe Stimme verleiht.
Lavinia
schrieb am 09.10.2009, 11:08 Uhr
Siegen1990 "(komisch, dass Sie nicht einmal einen Namen in ihrem Profil führen?!) "

Komische Bemerkung, Siegen1990...
Bitte im aktuellen Thread zu dem Treffen der SBB in Unterhachingen nachlesen...
Darf ich im Gegenzug fragen, warum Sie einen Namen in Ihrem Profil angegeben haben????

Gruß
Lavinia
seberg
schrieb am 09.10.2009, 11:13 Uhr (am 09.10.2009, 11:14 Uhr geändert).
o.k. Schiwwer, gehört zwar nicht ganz hierher, aber weil es gerade um die Freude von Plesu über HM's Preis ging: bei Obamas Preis geht es natürlich schon eher um Ideolgie und Politik: wer wird sich wohl darüber eher freuen und wer nicht über Barack Obamas Preis? In Rumänien??? In Osteuropa???
siegen1990
schrieb am 09.10.2009, 12:01 Uhr
An Alle die meine Zeilen kritisieren wollen, bitte ich meine Kommnetare mal richtig zu lesen! Ich kritisiere den Umgang mit den Deutschen aus Rumänien, hüben wie drüben. Ich habe genauso den Umgang mit diesen Menschen in Rumänien als auch in Deutschland kritisiert. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe das letzte Buch von Frau Müller als Anlass genommen (da es diese Thematik anspricht und wohl auch sehr die Vergabe des Preises beeinflusst hat, weil "es sich um eine Vertreibung im eigenen Lande handelt"-Aussage des Komitees) diese Kritik mal kundzutun. Es ist auch richtig, dass man nicht pauschalieren soll und Alle (in Deutschland und Rumänien), deswegen über einen Kamm scheren kann, aber das Unwillkommensein zu spüren, ist schon kränkend, egal wo man ist und gerade dort wo man geboren wurde.
Armin_Maurer
schrieb am 09.10.2009, 12:07 Uhr
@ siegen1990:

Das sind sehr unmissverständliche, wahre und klare Aussagen, denen ich nur zustimmen kann.
BijouBrigitte
schrieb am 09.10.2009, 12:42 Uhr
Hey Leute! Ihr debattiert hier ja wie eh und je, doch hat keiner bislang gesagt "alles Müller oder was (anderes)?"
Ja, nix anderes Leute, die Müller kanns und endlich haben wir es schriftlich. Ist doch super, nee? Wie meinte doch heute mein Figaro: "die Feministinnen freuen sich darüber, dass nach der Britin Doris Lessing und der Österreicherin Elfriede Jelinek Herta Müller die dritte ausgezeichnete Frau in den sechs letzten Jahren ist." Also, ein dreimal hoch auf unsre Müller in the city!!!
seberg
schrieb am 09.10.2009, 12:48 Uhr (am 09.10.2009, 12:52 Uhr geändert).
Das Anliegen und die Aussagen von @siegen1990 und von @Armin-Maurer in Ehren, aber dazu genügt das Wissen, dass Herta Müller „ein Buch über die Deportation der Rumäniendeutschen“ geschrieben hat, was für uns, den von den Ereignissen direkt Betroffenen eine besondere Genugtuung sein mag.
Den Literatur-Nobelpreis hat sie für die literarisch-künstlerische Gestaltung von Verfolgung und Unrecht erhalten (genau Bijou: sie kanns!) Nur dadurch horcht die Welt auf. Vielleicht. Hoffentlich.
The history of Igor
schrieb am 09.10.2009, 13:26 Uhr
Siegen,

Ich wollte Sie gar nicht angreifen, sondern eher ausdruecken, dass es wohl auch in Rumaenien mehr und mehr Leute gibt, die sich mit der Thematik der Deportation (u.a.) befassen wollen, i.a.W. es ist zu begruessen, dass Mueller's Ehrung positiv rezipiert wird. Und warum sollte es auch nicht der Fall sein? Letztendlich ist dies ein Beitrag zur rumaenischen Geschichte.
siegen1990
schrieb am 09.10.2009, 13:30 Uhr
Ich glaube wohl, dass einige in ihren Kommentaren was übersehen haben. Ich glaube einige haben es nicht begriffen, dass es eben wegen dieses Sonderfalles, dass es eine Bevölkerungsgruppe gibt (die Deutschen in Rumänien und sonst KEINE ANDERE -nicht Rumänen, nicht Ungarn, nicht Serben, nicht Bulgaren u.s.w.) die im eigenen Land zu Vertriebenen wurden, hat Frau Müller den Nobelpreis bekommen. Es war damit nicht abgetan, dass die Deutschen nach Russland mussten, sondern viele mussten auch den Baragan fruchtbar machen (vergessen wohl einige Kommentatoren).
Es gibt genügend Schriftsteller aus den anderen ehemaligen kommunistischen Ländern, die über die Gräueltaten der Kommunisten geschrieben hatten (als Vertretung wurde der Archipel Gulag von Solschenizyn dafür prämiert). Warum wurde nicht einer von diesen Literaten ausgesucht, wenn es um rein kommunistische Gräueltaten gegangen wäre???? Eben, weil es diesen eigenartigen Sonderfall der Deutschen aus Rumänien existiert. Die anderen Deutschen wurden aus ihren Ländern nach dem Krieg vertrieben, somit waren sie kaum noch existent in ihrer ehemaligen Heimat. Als ein einzigartiger Sonderfall der Nachkriegsgeschichte bleibt nur Rumänien in der Erinnerung. Deshalb der Nobelpreis!!!! Es gibt nur noch eine Bevölkerungsgruppe der Auslandsdeutschen, denen dasselbe Leid widerfahren ist und das sind die Wolgadeutschen (auch Vertriebene im eigenen Land). Nur von denen hat keiner seine Lebensgeschichte aufgeschrieben, sonst wäre womöglich ein Vertreter dieser Volksgruppe prämiert worden. Also dreht sich die Vergabe des Nobelpreises doch um das Leiden einer Volksgruppe und nicht um die eines einzelnen Menschen im Kommunismus.
Eines muss man den rumänischen Kommunisten zugestehen, die waren cleverer als alle Anderen aus ihren Bruderstaaten. Die hatten die Deutschen nach dem Krieg vertrieben, die rumänische Regierung unter Ceausescu hat die Deutschen und Juden für harte Devisen verkauft.

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