Verrückte Welt

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Kurt Binder
schrieb am 09.12.2023, 08:31 Uhr
Gibt es Leber im All? 1 / 4

Wochenende ist des Öfteren ein Synonym für Gäste, und in einer weiteren, erwartungsbedingten Gedankenentwicklung auch für Wurst- und Käseplatte. Und weil dem diesmal so war, trat ich am Samstag Morgen mit prallem Geldbeutel in den Metzgerladen. Die Inhaberin schien das zu wittern, denn sie lächelte mir besonders einladend entgegen. Da der Kopf der kleinen Schlange Wartender besetzt war, stellte ich mich an das hintere Ende an. Im Laden hing ein wahrhaft würstlicher Duft, wie ein aromatisches Omen der bevorstehenden Cholesterinschübe.
Während ich wartete, dass mir die dralle Verkäuferin ihre flüchtige Aufmerksamkeit mit dem konventionellen „Was darfs denn sein heute?“ angedeihen lassen würde, ließ ich meinen Blick wie hypnotisiert über die fettglänzende Wurstparade hinter der Glasvitrine gleiten, und bastelte in Gedanken an der Palette meiner Wünsche. Es fiel mir zum ersten Mal auf, dass fast alle ausgestellten Würste schräg geschnitten waren. Da ich gewohnt war, den wichtigen Dingen des Lebens auf den Grund zu gehen, fing ich an zu rätseln, was wohl die Ursache für diese Form der progressiven schrägen Verstümmelung sein könnte.
Leider war ich inzwischen vom Schlangenschwanz zum Schlangenkopf aufgewertet worden, und konnte so meine Spekulationen über jene unfreiwillig schrägen Existenzen nicht zu einem einleuchtenden Ergebnis bringen.
Heute durfte es erst mal ein Stück geräucherte Kalbsleberwurst sein. Die dralle Verkäuferin holte also eine ebenso dralle Wurst hervor, setzte das Messer schräg an die bereits schräg Verschnittene an, und sah mich wegen der Größe des zu guillotinierenden Stücks fragend an.
„Verzeihen Sie meine Unwissenheit“, sagte ich höflich - zu drallen Verkäuferinnen bin ich immer höflich -, „aber - warum schneiden Sie die Leberwurst eigentlich schräg?“ Die Schlangenglieder hinter mir hörten plötzlich auf zu murmeln, und im Nu mischte sich in den herrlichen Duft von Geräuchertem eine eisige Hört-doch-den-Banausen-Atmosphäre. Ich sah mich ziemlich verdattert um. Aus den Augen aller hier wartenden Hausfrauen konnte ich jedoch nur eins herauslesen, nämlich: „Typisch Mann im Wurstladen“, wobei sie das „Mann“ deutlich betonten. Auch die Scharfrichterin war ob meines Mangels an Allgemeinbildung perplex.
„Das haben wir immer so gemacht!“, antwortete sie, nachdem sie sich erholt hatte. Also eine Art Wurstladentradition folgerte ich und fragte sie, ob sie mir die Leberwurst ausnahmsweise mal gerade schneiden könnte.
„Da muss ich erst die Chefin fragen.“, erwiderte sie nach einigem Zögern. Sie rief die Inhaberin herbei, und ich erklärte der mein Problem. Als diese mein Begehren erfuhr, wurde ihr Blick weniger einladend

Teil 2 folgt morgen
Kurt Binder
schrieb am 10.12.2023, 06:30 Uhr
Gibt es Leber im All? 2 / 4

„Und - warum das?“, fragte sie den, der so impertinent an ihrer Weltwurstordnung - äh, Wurstweltordnung gerüttelt hat. Der war so unverschämt, zu argumentieren:
„Nun, weil es ziemlich schwierig ist, aus einem zweifingerdicken, schräg geschnittenen Stück Leberwurst Leberwurst herauszuholen. Wenn man mit dem Messer auf der einen Seite hineinfährt, kippt sie zwischen den Fingern, weil man sie nicht richtig packen kann, eben weil sie schräg ist. Und wenn die Hälfte weg ist, ist es unmöglich, sie noch zu halten, weil die Schale zusammenklebt.“ Die Chefin hatte mir mit Geduld zugehört. Da ihr kein Gegenaargument einfiel, schaute sie hilfesuchend zu den anderen Frauen, die mich nach meiner Auseinandersetzung mit der anscheinend sehr tief verwurzelten schrägen Tradition nicht mehr so missbilligend anstarrten. Doch die sahen ebenfalls hifesuchend zurück, und so pendelten die Blicke wie Laserstrahlen zwischen ihren Augen hin und her, bis ein fein gekleideter Herr leichtsinnigerweise dazwischen trat. Sofort flutete es hilfesuchend von beiden Seiten auf ihn ein, so dass er sich einer Meinungsäußerung nicht mehr entziehen konnte.
„Ich glaube fast“, begann der fein gekleidete Herr, „dass dieses Problem der Schräg-oder-gerade-Alternativen einer philosophischen Lösung bedarf, wobei man primär mit der Akzeptanz der ursächlichen Leberwurst an sich beginnen muss. Es genügt nicht, wenn man diese, ausgehend vom individuellen, orientierten Appetenzverhalten, bloß als Ziel unserer trivialen Gelüste definiert.“ Alle Anwesenden nickten verstehend - so ist es!
Die Chefin sah ihn mit jenem typischen Blick an, der vorsichtshalber weder Verstehen noch ein 'Was-schwätzt-du-da-für-einen-Müll?' erkennen ließ. Der fein gekleidete Herr fuhr also fort:
„Die Beschneidung der Leberwurst erhebt sich somit über die unwichtige Bedeutsamkeit eines Eingriffs in ihre Integrität hinaus, und etabliert sich durch die existenzielle Frage nach moralischer Polarität streng auf der Ebene ihrer Persönlichkeitsspaltung. Schräg oder gerade - das ist hier die Frage!“
„Na, was nun?“, rief die dralle Verkäuferin ungeduldig und sah die Chefin fragend an, und die Chefin sah den Philosophen fragend an:
„Ja, wie also?“
„Woher soll ich das wissen?“, meinte dieser. „Ich bin Vegetarier und die verdammte Wurst ist mir Wurst!“ Dann kaufte er ein Überraschungsei und verließ den Laden. Noch bevor die giftigen Augenpfeile der Wartenden wieder auf mich zielen konnten, meldete sich eine zierliche Frau zu Wort.
„Der Herr hat Recht!“, meinte sie und deutete auf mich. „Warum eigentlich schräg? Als Mathematik-Lehrerin könnte ich eine mögliche trigonometrische Ursache nicht ausschließen. Wie Sie ja alle wissen, ist der Sinus eines rechten Winkels der Quotient von der Gegenkathete und der Hypothenuse.“ Alle Anwesenden nickten - ja, genau so ist es!
„Der Durchmesser der Leberwurst entspräche somit der Ankathete, während der große Durchmesser der ellipstischen Schnittfläche die Hypothenuse darstellt.“ Die dralle Verkäuferin nickte.

Teil 3 folgt morgen
Kurt Binder
schrieb am 11.12.2023, 06:36 Uhr
Gibt es Leber im All? 3 / 4

„Wenn man nun die Leberwurst senkrecht zu ihrer Achse durchschneiden würde, gäbe es keine Schräge, also keinen Winkel, also Sinus gleich Null, also keine ... keine Leber ... wurst.“ Ihre letzten Worte kamen ziemlich zögerlich. Die Chefin hatte einen Taschenrechner aus der Brusttasche geholt und nachgerechnet.
„Ja, das stimmt!“, rief sie kreidebleich. „Das stimmt genau: Bei Winkel gleich Null ist der Sinus auch gleich Null. Schneiden Sie um Himmels Willen die Wurst bloß nicht senkrecht, denn sie könnte ver ... verschwin ... den ... “ Ihre letzten Worte kamen ebenfalls ziemlich zögerlich. Auch ich war jetzt etwas verunsichert. Wieso hatte ich vorher nicht daran gedacht?
Inzwischen war noch ein Mann in den Laden getreten und hatte unsrem Gespräch gelauscht. Er trug eine tellerförmige Mütze, die an eine gelandete fliegende Untertasse erinnerte. Nach dem Warnruf des Entsetzens der Chefin, die sich schon vor lauter verschwindenden Würsten bankrott sah, trat er zu uns und flüsterte:
„So hat sich also wieder einmal bestätigt, was ich schon immer behauptet habe, und was mir keiner glauben wollte!“ Auf seiner Tellermütze war vorne ein kleines, grünes Männchen angenäht, offenbar ein bedeutendes Markenzeichen. Als der Mann die Fragezeichen in unseren Mienen sah, flüsterte er bescheiden weiter:
„Erschrecken Sie bitte nicht, aber ich bin - Emil van Denken* persönlich!“ Als daraufhin niemand vor Ehrfurcht in Ohnmacht fiel, ergänzte er:
„Da es anscheinend auf der ganzen Welt keine plausible Erklärung für dieses rätselhafte Phänomen gibt, kann das nur eins bedeuten: Die Außerirdischen sind wieder am Werk!“
Zuerst fiel der Schwanz der Schlange in Ohnmacht. Die dralle Verkäuferin betrachtete mit aufgerissenen Augen die Leberwurst in ihren fettglänzenden Fingern wie ein schleimiges Alien. Dann zückte die Chefin erneut ihren Taschenrechner und sah van Denken mit tippbereitem Finger erwartungsvoll an.
„Es ist sternenklar!“, erklärte dieser. „Der mathematische Ansatz unsrer werten, mitwartenden Kollegin ist richtig, doch muss man hier auch das Prinzip der divergent expandierenden Super-Dimensionen der Wahrscheinlichkeit von intelligenten Lebensformen auf anderen Planeten zugrunde legen!“ Die Chefin tippte wie verrückt.
„Wenn Sie den Winkel der Schnittfläche zum Durchmesser genauer betrachten“, fuhr van Denken fort, „fällt Ihnen sicher auf, dass die dritte Potenz (hier fiel eine weitere Kundin in Ohnmacht) des Komplementwinkels gleich der Quadratwurzel aus der mittleren Umlaufzeit des Ganymed** um den Jupiter ist.“ Hier nickte ich auch. Ja, das war mir sofort aufgefallen.
Die Chefin hielt erschöpft inne und sagte:
„Aber nur, wenn man die Umlaufzeit auf drei Stellen aufrundet!“ Van Denken gab ihr Recht, und die Chefin tippte weiter.
„Das stimmt. Ich konnte den Winkel der Leberwurst nicht so genau schätzen, weil sie nicht sehr sauber geschnitten war.“ Die dralle Verkäuferin wurde puterrot und blies die Backen auf, doch die Chefin winkte schnell ab; König Kunde hat immer Recht!
„Und - was bedeutet das für uns?“, fragte sie Emil van Denken. „Können wir es riskieren, die Wurst senkrecht zu schneiden?“ Er dachte angestrengt nach.

*) angelehnt an Erich von Däniken, Scheizer Buchautor
**) größter Jupitermond

Teil 4 folgt morgen
Kurt Binder
schrieb am 12.12.2023, 06:34 Uhr
Gibt es Leber im All? 4 / 4

„Das würde ich nicht tun. Die Neigung der Schnittflächen entspricht nämlich haargenau der von mehreren Plateaus, deren Herkunft nur Astronauten von anderen Sternen zugeschrieben werden kann, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit als Startrampen für ihre Raumschiffe benutzt hatten. Da wir die Größe der Außerirdischen nicht kennen, ist es durchaus möglich, dass sie sich überall auf der Erde Start- und somit Fluchtmöglichkeiten geschaffen haben - sogar auf dieser Leberwurst. Deshalb haben sie uns über Telepathie veranlasst, die Würste schräg zu schneiden.“
Meine Leberwurst flog mit einem Aufschrei an die Wand, und die Verkäuferin stürzte sich in Ohnmacht. Falls Mini-UFOs darauf gewurstet haben sollten, war es schlecht um sie bestellt. Sofort eilte ein Metzgergeselle herbei, und bemühte sich per Mund-zu-Mund-Beatmung um die Auferstehung der Verkäuferin, wobei er van Denken dankbar zunickte. Inzwischen war die Warteschlange bis auf die Straße hinausgewachsen. Obwohl als Urheber dieser Kontroverse doch irgendwie schuldbewusst, musste ich van Denken dennoch zu bedenken geben:
„Wenn den Aliens Leberwurst als Startrampe bekannt ist, so muss es auf ihrem Planeten auch Leberwurst geben. Woher aber nehmen die Leber in so großen Mengen her?“
„Nun seien Sie mal nicht so ein Mikrokacktiker!“, meinte er ungehalten. „Seien Sie froh, dass ich Ihnen eine plausible Erklärung für Ihre schrägen Würste liefern konnte.“
„Das kann ich nicht glauben!“, protestierte eine Frau.
„Ich auch nicht!“
„Ich auch nicht!“ Und die Mathelehrerin rief:
„Ich bleibe bei meiner Sinus-Theorie!“ Der Philosoph, der eben zurückgekommen war, weil er Toilettenpapier und einen Zahnstocher vergessen hatte, mahnte:
„Das Unentschieden in der Schräg-oder-gerade-Frage deutet auf ein Neutrum im Leberwurstsein hin, was uns als Memento ...“
„So ein Unsinn!“
„Red doch keinen Zimt, Mann, hier geht es um die Wurst!“
„Wir wollen endlich bedient werden!“
„Jetzt aber – hopp hopp!“

„Mami“, fragte da ein kleines Mädchen ganz hinten, „warum streiten sich diese Leute?“ Mami erklärte:
„Sie sind sich nicht ganz einig, warum die Würste schräg geschnitten werden.“ Das Mädchen überlegte.
„Ist es vielleicht deshalb, damit man von oben besser sehen kann, wie sie innen aussehen?“
Kurt Binder
schrieb am 13.12.2023, 07:00 Uhr
Epilog

Schon nach dem ersten Teil der Leberwurst-Affäre, noch bevor das Problem der dilemmanisierten Schräg-Gerade-Leberwurst in der Metzgerei geboren wurde, die Leberwurst-Fans polarisiert und beinahe eine Eskalation vom Zaun, bzw. von der Theke gebrochen hatte, wurde ich in einer wahren Flut von Nachrichten ersucht, die Wiederbelebungsromanze zwischen der drallen Verkäuferin und dem Gesellen doch bitte etwas ausfühtlicher zu schildern!
Nun, ich selbst war leider nicht dabei, aber wie Augenzeugen berichten, hatte dieser unglaubliche, um Glaubwürdigkeit bettelnde Vorfall ein kleines Nachspiel, das meiner Erfahrung und Beurteilungsfähigkeit nach nichts mehr mit entarteten Leberwürsten zu tun hat!

Obwohl sich der Geselle mit heldenhafter Selbstlosigkeit bemühte, seine Kollegin nach allen Regeln und bislang bekannten Techniken der diesbezüglichen Künste – die fernöstlichen und nahwestlichen mitinbegriffen, wieder zu beleben, lag diese weiterhin wie tot da. Doch als er nach einigen Stunden vor Erschöpfung ebenfalls wie tot neben sie hinfiel, geschah plötzlich ein Wunder. Sie sprang quicklebendig auf – und revanchierte sich bei ihm mit der gleichen Selbstlosigkeit, Ausdauer und in derselben Manier, wie oben bereits ausfühtlich erläutert. Doch bald wurde sie vor Erschöpfung erneut Erste-Hilfe-bedürftig - undsoweiter ...
Ob es dann nach mehreren Frontwechseln auch zur Zweiten Hilfe gekommen war, ist mir nicht bekannt.
Den Augenzeugen ist dies, wenn auch durchgehend streng altruistisch geprägte Hin-und-her-Wiederbeleben nämlich stinklangweilig geworden, sie sind eingeschlafen und nachhause gegangen.

Zum Abchluss dieses, zu weiteren Stellungsnahmen anregenden Duells - hier ein Vorschlag:
Nennen wir die dralle Verkäuferin künftig der Kürze halber doch einfach nur Paula!
Kurt Binder
schrieb am 14.12.2023, 06:41 Uhr
Autokauf mit Dame - Teil 1 / 4
Eine Lanze für die Verleumdeten

Nachdem ich in einem Anflug von Unachtsamkeit meinen alten, treuen Opel zum Totalschaden bewegt hatte, beschloss ich, allen Vorurteilen und Lästermäulern zum Trotz, in die gehobene Klasse der Herkömmlichen Autos einzusteigen. Meine Freunde warnten mich zwar vor solcher Arroganz, aber da mein Budget mir diese Anschaffung erlaubte, stand mein Entschluss fest: Schon morgen wollte ich mich in der Szene umsehen.
Im Branchentelefonbuch fand ich bald, was ich suchte. Vorbei an allen Nobel- und Protzkarossen, sowie andern Design-Ikonen glitt mein Zeigefinger über die Sparten, und blieb dann als erster Schritt der Erfüllung auf „Fritz-Otto Meier - Herkömmliche Autos“ stehen.
Am Morgen des nächsten Tages um Punkt 7 Uhr betrat ich mit klopfendem Herzen als erster Kunde den Salon. Der Anblick, der sich mir bot, war atemberaubend, und fast hätte ich im letzten Moment gekniffen. Da glitzerten und glänzten rote, grüne, gelbe und schwarze Limousinen, Kleinwagen und Cabrios, und alle strotzten vor selbstbewusster Herkömmlichkeit. Das überzeugte mich, und ich spürte es in jedem Winkel meines Beutels: Hier war ich goldrichtig!
Langsam näherte ich mich ehrfürchtig einem schlanken, tiefgelegenen Flitzer, und streckte meine zitternde Hand aus, um sachte über den roten Metallic-Lack zu streichen. Mein blasphemischer Versuch wurde jedoch sogleich unterbrochen, denn hinter dem Sportwagen tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein Etwas auf, das man nach Wegdenken einer beachtlichen Tüncheschicht auf dem Gesicht nach erster Schätzung und ohne großes Risiko als weibliches Wesen so zwischen dreißig und achtundfünfzig Jahren einstufen konnte.
Es näherte sich mir mit weichem, wiegenden Gang, quetschte sich erst zwischen mich und das Gefährt, dann setzte es sich bedächtig auf die Motorhaube und schlug die Beine übereinander. Nach einem divenhaften Augenaufschlag à la Monroe blickte es mich unter den drei Zentimeter langen Wimpern heraus betörend an, und hauchte mit geräucherter Stimme:
„Halloo - na, was wünschen wir uns denn heute?“ Da ich nirgendwo Apfelsinen oder Laugenbrezeln sah, erklärte ich ihr, ein bisschen eingeschüchtert von ihrer Optik und der erstickend intensiv strömenden Aura, dass „wir“ im Prinzip vorhätten, ein Auto zu kaufen.
„Oh là,là“, hauchte sie erstaunt, „ein - Auto? Na, das ist ja mal was ganz Besonderes. Und wie soll denn das süße Tatütatachen aussehen?“
„Nun, eigentlich wollte ich mir Ihr Angebot erst mal genau ansehen.“
„Mein Angebot? Ansehen? Oh là,là, aber bitte, dazu bin ich ja schließlich da.“ Sie glitt über die Motorhaube herunter, und wedelte vor mir her, wobei sich die Schwingungsweite ihrer Hüften bei jedem Schritt vergößerte. Ich wandte mich einer dunkelblauen Limousine zu, die mich besonders elegant anmutete. Als ich die Fahrertür öffnen wollte, ging diese von selbst auf - und ein paar schlanke Beine hängten sich über Kreuz heraus.
„Naa“, erkundigte sie sich, indem sie mich schräg von unten anflirtete, „wäre dies etwas für uns?“
„Nicht übel“, sagte ich, und bat sie auszusteigen, weil ich mich probehalber selbst hinter das Lenkrad klemmen wollte.
Kurt Binder
schrieb am 15.12.2023, 06:33 Uhr
Autokauf mit Dame Teil 2 / 4
Eine Lanze für die Verleumdeten

Ihr lächelnder Blick verneinte zwar, doch dann rutschte sie mit geübten, ausdrucksstarken Bewegungen auf den Beifahrersitz hinüber, und strahlte mir ein ermunterndes Lächeln zu. Ich stieg also ein, prüfte das Cockpit, die Höhe der Sitze und die des Lenkrads. Als ich zum Schalthebel griff, berührte ich ihr Knie, das rein zufällig auch da war.
„Na, wie finden wir denn das?“ Die Schaltung ging leicht, und glitt beinahe von selbst in die Gänge. Erschwert wurde der Schaltvorgang nur durch ihr Knie, das meiner Hand vom ersten Gang bis hin zum Rückwärtsgang treu und anhänglich folgte. Ob ich das Handschuhfach mal öffnen dürfte? Aber, ja doch. Ich beugte mich nach rechts und öffnete das Klapptürchen. Aus dem kleinen Fach lächelte mir ihr Gesicht entgegen, und ihr grellrot geschminkter Mund formte ein Küsschen. Ich stieg aus und äußerte den Wunsch, mir das Heck anzusehen. Als ich hinten ankam, stand sie, mit den Händen auf den Kofferraum gestützt bereits da und wackelte mit den Hüften.
Es war recht schwierig, ihr klar zu machen, dass ich eigentlich das Heck des Wagens gemeint hatte. Ob der Kofferraum geräumig sei? Sie schloss ihn auf, und als der Deckel hochglitt, lag sie mit verschlafenem Blick darin und streckte mir sehnsüchtig ihre Arme entgegen.
„Hören Sie“, sagte ich ungehalten, als mir ihre Allgegenwärtigkeit langsam lästig wurde, „ich bin nicht auf Brautschau, sondern möchte nur ein Auto kaufen. Könnten Sie vielleicht in dieser Zeit an Ihren Plastiknägeln kauen oder Gassi gehen, damit ich es mir ungestört ansehen kann?“ Sie sah mich erst maßlos erstaunt an, und entgegnete dann kategorisch: „Das geht leider nicht!“
„So? Warum denn nicht?“
„Es ist wegen - des Werbeeffekts!“
„Werbeeffekt? Ja, hat denn ein herkömmliches Auto so etwas nötig? Das wirbt doch für sich selbst, so wie das aussieht.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Das genügt leider nicht!“ Jetzt wurde ich richtig neugierig.
„Das müssen Sie mir erklären“, forderte ich sie auf. Ich nahm Platz, und sie setzte sich auf meinen Schoß.
„Sehen Sie, das ist so“, begann sie, während sie mir die eine Hand um den Nacken legte, mit einer den Bart kraulte, mit einer andern mein Knie streichelte, und mir mit noch einer anderen einen Autoschlüsselbund in die Ohren klingeln ließ.
„Der Käufer kommt zu uns mit dem vorläufig sehr vagen Vorhaben, ein Auto zu kaufen.“
„So wie ich?“ Sie gab mir einen Kuss.
„Helles Kerlchen! Sie begreifen sehr schnell!“ Ich winkte bescheiden ab. „Sein Appetenzverhalten ist noch diffus, weil er in dem Augenblick nur vor hat, ein Auto zu erstehen, aber noch nicht genau weiß, welchen Typ.“
„Aaha!“
„Genau! In seinem Unterbewusstsein flattert wohl ein Blechkasten mit vier Rädern herum, gewissermaßen der Archetypus seiner Wünsche, der aber nur zum ... “
„Jung!“, warf ich ein. Das Kraulen hörte einen Augenblick auf.
„Sie meinen?“
„Sie haben eben Jung* zitiert.“, erklärte ich. Sie lächelte abgöttisch.

*) Carl Gustav Jung, 19. Jh. – Begründer der analytischen Psychologie

Teil 3 folgt morgen

Kurt Binder
schrieb am 16.12.2023, 06:37 Uhr (am 16.12.2023, 06:47 Uhr geändert).
Autokauf mit Dame Teil 3 / 4
Eine Lanze für die Verleumdeten

„Danke für das Kompliment, aber ich bin schon zweiundvierzig. Also wie ich schon sagte, der Archetypus ...“ Da stach mich der Hafer, und ich fragte sie so scheinheilig wie möglich:
„Heißt der nicht Archäopteryx?“
„Ich lese keine Asterix-Hefte!“, entgegnete sie etwas pikiert. Ich entschuldigte mich und versprach ihr, zu ihrer Allgemeinbildung die nächste gesamte Ausgabe zu schenken. Darauf kraulte sie beruhigt weiter, und ich war gespannt auf weitere, für das totale Werbeverständnis sicher prickelnde Eröffnungen. Dann fuhr sie fort:
„Der Archetypus ermöglicht dem Kunden also nur eine schemenhafte Vorstellung des Zielgegenstandes. Tritt er aber in unsren Salon, so wird er mit dem konkreten Objekt seiner Träume konfrontiert, und als universelle Triebkraft drängt ihn seine Libido näher an ...“
„S. Freud!*“, konstatierte ich wieder.
„Es freut mich, dass es Sie freut - aber unterbrechen Sie mich nicht dauernd. Also, seine Libido wandelt, durch diesen ersten optischen Kontakt stimuliert, seinen bloßen Wunsch in einen Teilentschluss um, der aber immer noch nicht ausreicht.“ Langsam dämmerte es mir, und ich sagte:
„Und dann - treten Sie auf den Plan, stimmts?“
Vor Begeisterung kraulte sie, dass die Schuppen flogen, und beknabberte mein linkes Ohr. Und während meine Knie langsam weich wurden, fühlte ich deutlich, dass wir uns langsam näher kamen.
„Richtig, Bubi, so ist es! Ich bin der letzte Impuls in der Entschlusskraft des Käufers; ich bin - deine Anima!“
„Ja, ja, das ist nicht zu überfühlen“, gab ich zu bedenken, „aber wie gesagt, ich suche keine Frau, da ich schon seit 25 Jahren glücklich verheiratet bin, sondern ich will nur ein Auto kaufen!“ Platsch! - hatte Bubi einen roten, herzförmigen Abdruck auf der rechten Backe weg.
„Richtig süß bist du!“, stöhnte meine Anima, und klingelte mit den Autoschlüsseln. „Auch ich brauche keinen Mann, denn ich hab schon drei!“ Ich muss ziemlich deppert dreingesehen haben, denn nun erklärte sie mir leise, aber eindringlich, indem sie sich eng an mich schmiegte:
„Ich bin das stimulierende Tertium!“
„???“
„Du siehst jetzt zwar das Auto deiner Träume, aber du erwägst nur in logischen Kategorien, völlig emotionsfrei. Das heißt, du rechnest knallhart, ob und bis wann du das Auto abzahlen kannst. Doch dann siehst du - mich! Deine sexuelle Triebkraft wird angekurbelt - ooh! -, in deiner Wahrnehmung assoziierst du Weib und Auto, die zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen und schrecklich erotisch - oooh!! - auf dich wirken. Du hast das unwiderstehliche Gefühl, dieses herkömmliche Auto besitzen zu müssen - jetzt gleich - sofort - du könntest es auf der Stelle vergewaltigen - ooAAOhh!! - egal was es kostet, weil - weil du es dir wert bist!“ Erschöpft hielt sie inne und schnaufte mich feucht an.
„Gilt das aber nur für herkömmliche Autos?“, fragte ich, fühlend, wie die Begierde in mir brünstig wallte.
„Selbstverständlich. Sogar Sahra Wagenknecht fährt eins!“ Das war wohl ein Argument, aber ein allerletzter Zweifel zerfleischte mich immer noch.
„Und - der Trainer der Bundesliga?“
„Der natürlich auch, was sonst?“ Das war überzeugend! Das war ausschlaggebend! Das war der Vertrag! Ich zitterte vor Verlangen.

*) Sigmund Freud, 19 / 20 Jh. Begründer der Psychoanalyse

Tei 4 folgt morgem
Kurt Binder
schrieb am 17.12.2023, 06:48 Uhr
Autokauf mit Dame Teil 4 / 4
Eine Lanze für die Verleumdeten

Auf einmal sah die Welt ganz anders aus. Kaffee war nicht mehr bloß Kaffee, sondern wurde durch eine, wenn auch geistlos grinsende Eva aus seiner Genussmittel-Banalität herausgerissen, und in ein begehrenswertes Sexualobjekt transformiert. Die dritten Zähne, die einen vom Bildschirm her aus dem Mund einer Dreißigjährigen porentief weiß anfletschen, lassen bereits einen Windelträger danach gieren, seine lächerlichen Milchzähne möglichst bald durch ein Gebiss ersetzen zu lassen. Und wenn irgendwer immer noch glaubt, dass ein Handy, ein Weinbrand oder ein Katzenstreu nichts mit Erotik zu tun hätten, so muss der absolut gefühlskalt sein. Wie sonst wäre die Dauererregung während der Werbung zu erklären? Ich fühlte tiefe Scham, als ich an meine ironischen Bemerungen bei manchen Werbespots dachte!
Ich konnte nämlich bis zuletzt nicht erkennen, wofür eigentlich geworben wurde. Tippte ich auf den Weihnachtsmann, dann war es sicher der Osterhase. Vermutete ich Angelina Jolie, so war Gorbatschow gemeint. Brachte mich eine schnulzige Liebesszene in gomernde Wallungen, so wurde ernüchternder Weise – nur für ein Smartphone geworben!
Ab heute ist jedoch alles sonnenklar, und die Transparenz verleiht mir dank des stimulierenden Tertiums auf einmal Flüüü ... gel! So kann also künftig ruhig ein muskelblähender Apollo ein alkoholfreies Bier in sich schütten, und sich anschließend vor den geilenden Augen dreier vestalischer Jungfrauen von einem Felsen ins Meer stürzen – ich würde sofort erkennen, dass er für eine Second-Hand-Tapferkeitsmedaille wirbt.
Oder wenn Bildschirm füllende Lefzen, eine extra Portion Etwas schmatzend einen tiefen Einblick in die innersten Stoffwechselzonen gewährten, und sich zwischendurch immer wieder ein glutäugiges, den Beutel stimulieren wollendes Tertium behutsam in den Vordergrund drängt, so bemüht man sich hier zweifellos darum, den Absatz des besten Abführmittels aller Zeiten (Besabmialze) zu steigern.
Und wie ein Blitzschlag traf mich die Erkenntnis der Werbug von gestern Abend, in der ein Fußball-Fan verzückt an einem verschwitzen Trikot schnupperte. Da war doch sofort klar, dass man die Zuschauer bewegen wollte, künftig nur noch das neue vegane Waschmittel aus 100%-ig recycleten, lactosefreiem Altpapier ohne Zusatz von Konservierungsstoffen zu verwenden! Leute, was ... ist ... denn ... da ... nicht ... zu ... verstehen?
„Mein Gott“, weinte ich Anima in den Schoß, „so etwas muss einem doch gesagt werden!“ Und ich beschloss, die Medien wegen unzulänglicher Aufklärung über die Infrastruktur der Werbungsmechanismen zu verklagen. Als sie mir dann mit einem aphrodisischen Lächeln den Kugelschreiber in die Finger drückte, und mir zärtlich „Paris ... Monaco ... Riviera“ in die Ohren hauchte, unterschrieb ich wie in Trance, und hauchte zurück:
„Du hast mir die Augen geöffnet - ich danke dir!“ Da riss sie den Vertrag an sich, sprang auf und zischte:
„Wie kommen Sie dazu, mich zu duzen, Sie Wüstling, Sie!“ Ich war ganz verdattert, und stotterte:
„Ich dachte bloß ... weil du ... Verzeihung, weil Sie so ...“ Auf einmal klang ihr Lachen wie das eines heiseren Dämons im Schornstein. Sie schlug sich vor Vergnügen auf die Knie, hüpfte im Kreis herum und rief:
„Was sind Sie doch für ein dämlicher Knilch, Mann! Mit Ihrer Unterschrift ist die Erotikmasche natürlich zu Ende, kapiert? Und wenn Sie die Raten nicht pünktlich zahlen, wird sofort gepfändet!“
Da nahm ich den Vertrag, kreuzte meine verschlagene Anima gegen Aufpreis als Son-derzubehör an, befestigte sie wie die Lady Emily, das Maskottchen des Rolls Royce vorne auf der Kühlerhaube - Arme nach rückwärts, und fuhr nach Hause. Durch diese Aufwertung meines Gefährts wurde leider mein Traum vom Herkömmlichen Auto zunichte gemacht, aber - man kann ja nicht alles haben!
Maikind
schrieb am 28.12.2023, 09:37 Uhr
Wenn die Welt die Weisheit dieser Blüte besitzen würde...

Die Ungewissheit des Abends

Blatt für Blatt aus Blütenmitte
tanzt den Aufgang in der Früh
wie der Flügel einer Bitte
spielt die Schlüsselmelodie

Ob die Biene ihre Kreise
weise um die Wiese dreht?
Ob der Wind auf seiner Reise
spielend Blatt für Blatt verweht?

Fragt die Blüte und träumt heiter
wie - sie Erdensonne sei
und am Abend fragt ein Reiter
Blatt für Blatt - sie liebt mich - hei!

Kurt Binder
schrieb am 01.01.2024, 16:50 Uhr
Dies könnte eine Antwort für den Reiter sein:

Formel 1

Kunibert, der nutzt die bunte
Blume nur zu einem Zweck -
um zu wissen, ob die Gunde
ihn auch liebt, oder nur neckt.

Doch warum muss er barbarisch
dazu Blüten an den Kragen?
Cooler wärs parlamentarisch -
er muss sie einfach selber fragen!
Kurt Binder
schrieb am 08.01.2024, 10:07 Uhr
Es war nur ein Traum

Ich hatte gestern Nacht einen sehr traumatischen Alptraum, und der ging so:
Ich wanderte mit meinem Rucksack auf die zunächstgelegene Alp hinauf. Und wie ich so in 4000 Meter Höhe zwischen den Felsen vor mich dahinwanderte, und meiner friedliebenden Natur zuliebe an nix Böses dachte, stürmten plötzlich hinter den Felsen verschiedener Größe, Alter und Gesteinsart mehrere Kannibalen hervor - es waren genau 123 Stück, wie ich rasch zählen konnte -, und machten mir mit den Händen verständlich, dass ich losrennen solle. Ich fragte ebenfalls mit den Händen auf Kannibalisch, warum ich das tun sollte? Nun, weil dann mein Fleisch weniger zäh wäre, und ihnen verständlicherweise besser munden würde!
Als ich das hörte, verkrochen sich alle meine Pickel und Warzen entsetzt unter der Haut, und meine Hühneraugen schlossen sich in Ergebenheit unsres gemeinsamen Schicksals schon jetzt. Und dann rannten wir der Order der mehrzahligen Gewalt gemäß los. Es war eine ungleiche Jagd. Immer wenn ich einen Vorsprung errant hatte, trat hinter dem nächsten Eck so ein grinsender Bursche hevor, und fletschte die Zähne. Wenn ich von einer Felsspitze zur andern sprang, schwebte von einer höheren ein andrer mit einem Fallschirm herunter und versperrte mir den Weg. In meiner Vertweifelung sprang ich 200 Metrer tief über einen Wasserfall in einen Swimmingpool hinab – prompt tauchte so ein Kerl mit einem U-Boot auf, und wackelte mit einem gehobenen Zeigefinger, meinen Fluchtversuch verneinend hin und her. Meinen Sprung von der Alp auf den Mont Blanc erwähne ich nicht, weil ich wahrscheinlich unglaubwürdig werde, wenn ich hierbei einen - Hubschrauber erwähne.
Durch die Allgegenwärtigkeit dieser Gourmanden entmutigt, blieb ich erschöpft stehen, und wurde sofort von ihnen umringt. Sie berochen mich, befühlten mich, beleckten mich, und bekosteten mich von hinten und vorn – und nickten dann begeistert einköpfig, während sie den Beweis ihrer Appetite ziemlich feucht über mich sprühten, was wiederum die Richtigkeit des Pawlowschen Reflexes erhärtete. Und während sie mich auf einer mit Blumen geschmückten Trage im Triumph in ihr Dorf trugen, stimmten sie ihre Hymne an, die mir merkwürdig bekannt vorkam, und grölten vierstimmig:
“Wir haben Hunger Hunger Hunger ... haben Durst!“ Dann fragte mich der Dorf-Hungrigste höflich, wie ich zubereitet werden wolle: Als Suppe gekocht, oder lieber gegrillt? Es gäbe da allerdings noch eine dritte Option ...
Leider erwachte ich, bevor ich diese erfahren hatte - und sah mich verdattert um. Ich befand mich in einer mir fremden Umgebung, wurde am Kopf und an den Beinen gehalten und horizontal gedreht, während mich eine exotische Schönheit mit einem großen Pinsel, in rituelle Andacht versunken mit bedächtigen Längsstrichen bepinselte. Dabei roch es streng nach Curry. Ich sah sie sehr fragend an, und sie lächelte mich hinreißend kanibalisch sehr sagend an:
“Ja, Sir Kurt – dies ist die dritte Option: Im Umluftherd bei 180 Grad drei Studen lang geschmort ...“
“Aber – wieso ‚Sir’ ?“, wollte ich wissen. Sie holte tief Atem, und begann zu erklären:
“Das ist so: Wir ehren nämlich unsre Speisen, und deshalb werden diese vor dem Schmaus – geadelt!“
Da stieß ich einen ziemlich unziemlichen unadligen Schrei aus, und erwachte – diesmal wirklich. Ich erkannte das an meiner Uhr, die 5 Minuten nachging. Und ich beschloss, beim Traum-Ministerium sofort eine schriftliche Beschwerde einzureichen, denn alles sollte seine Grenzen haben: Schmorbraten mit - Curry-Marinade??
Also nein, also wirklich - Da holt ja sogar ein 5-Sternekoch selbstkritisch zwei davon aus seiner Sternenflotte herunter - und schmeißt sie zum Recyclen in die Wertstoff-Mülltonne!
Kurt Binder
schrieb am 14.01.2024, 13:29 Uhr
Meine total verrückte Reise in die Vergangenheit 1 / 2

oder auf Neudeutsch:

My crazy trip into the past

Eines Tages packte mich die unwiderstehliche Neugier, festzustellen, ob es möglich wäre, in die Vergangenheit zu reisen. Und da ja bekanntlich die Neugier die Mama aller neuen Erlenntnisse ist, schritt ich zielstrebig zum Bahnhof für Zeitreisen*, und kaufte eine Fahrkarte für das Jahr 1960, nit genauer Angabe des Tages und der Uhrzeit. Das war nicht billig, und der Kerl am Schalter schlug auf den Preis noch einen Solidaritätszuschlag auf, mit der lakonischen Bemerkung, dass wir das unsrer bescheidenen Vergangenheit schuldig wären.
Ich stieg also in den Zug, der in dem Augenblick sofort 64 Jahre älter aussah, und fuhr mit Überschall-Geschwindigkeit los. Bald kamen wir auch durch einen dunkeln Tunnel, der, wie meine junge, charmante Reiseleiterin erklärte, das ‚Wurmloch’* sei. Als wir durchgefahren waren, war die Reiseleiterin verschwunden, da sich zu dieser Zeit noch nicht einmal ihre Eltern gekannt hatten – und ich stand 1960 vor meiner Haustür.
Ich hatte damls, also im Heute der Vergangenheit, in Hermannstadt in der Elisabethstraße Nr 51/53 im Hinterhof gewohnt. Ich klopfte an die Tür, denn eine Klingel hatte ich noch nicht. Die Tür öffnete sich ruckhaft mit dem mir bekannten Quietschen und dem mir bis heute vertrauten Temperament, und ich fragte mich forsch:
“Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun?“ Nebenbei bemerkt: Diese Floskel hab ich bis heute in der Gegenwart beibehalten! Ich sah mich erstaunt an – Mann oh Mann, was war ich damals jung und schön: Dunkles lockiges Haar, glatt rasiert und ohne Bart, na ja – es fehlte zwar noch die betont männliche Ausstrahlung, aber ich wusste ja, dass diese mich noch überfluten würde!
Ich stellte mich als ein Reporter vom „Neuer Weg“ vor, die damalige deutsche Zeitung in Rumänien. Erfreut, dass unsre Zeitung Interesse an mir bekundete, reichte ich mir die Hand. Ich zögerte eine Weile, sie zu ergreifen, weil ich gelesen hatte, dass bei einer Zeitreise die Begegnung eines Menschen mit sich selbt ein Raum-Zeit-Paradoxon* sei, und im Raum-Zeit-Kontinuum* einen großen Bumms auslösen würde. Dafür solle ein gewisser Einstein verantwortlich sein.

Übrigens – alle mit *) bezeichneten Begriffe sind wissenschaftlich korrekt, insofern wir gewisse Komischkeiten zur Lockerung des tierischen Ernstes wohlwollend in Kauf nehmen.

Teil 2 folgt morgen
Kurt Binder
schrieb am 15.01.2024, 07:02 Uhr
Meine total verrückte Reise in die Vergangenheit 2 / 2

oder auf Neudeutsch:

My crazy trip into the past

Doch weil ich ja den Beweis für die Möglichkeit einer Zeitreise suchte, ergriff ich meine Hand kurz entschlossen. Und siehe da – es passierte gar nix! Und während ich mich mit mir über Dinge und Geschehnisse befragte, die mir ja alle bekannt waren, sah ich mich die ganze Zeit über interessiert an, bis ich dann herausplatzte:
“Ich weiß nicht wieso, aber Sie kommen mir merkwürdig bekannt vor!“ Ich winkte schnell ab und bemerlte:
“Nun ja – ich hab halt so ein Allerwelts-Gesicht!“ Das war nicht gerade schmeichelhaft, aber ich nickte verstehend. Dann sah ich auf die Uhr – es war eine POBEDA-Uhr aus der Sowjetunion, und meinte bedauernd:
“Es tut mir wirklich Leid, Herr ... wie war doch gleich Ihr Name?“ Ich lächelte und gestand:
“Binder – ich heiße auch Binder!“
“Welch ein Zufall!“, nickte ich, und ergänzte, intuitiv und sehr in Gedanken:
“Nomen est omen – aber, wie komme ich bloß darauf?`“. Und fuhr fort: „Ich muss leider noch ins Arbeitshosen-Geschäft, bevor es schließt!“ Da blitzte mir eine Idee. Wenn ich mich solange aufhalten könnte, bis der Laden geschlossen hätte, ich also die Arbeitshose hier und jetzt nicht kaufen konnte, dann wütde ich sie zurück in der Gegenwart auch nicht vorfinden - wenn Zeitreisen möglich wären! So verwickelte ich mich in allerhand interessante Gespräche, fragte und notierte eifrig, was mir ja alles bekannt war, und es gelang mir tatsächlich, mich solange aufzuhalten, bis der Laden zu war! Dann dankte ich mir, verabschiedete mich und eilte zum Bahnhof für Zeitreisende. Die Rückfahrt nach 2024 war nicht billig, und der Kerl am Schalter schlug auf den Preis noch einen Solidaritätszuschlag auf, mit der zynischen Bemerkung, dass wir das unsrer bescheidenen Zukunft schuldig wären.
Zuhause in 2024 angekommen, eilte ich gespannt ins Schlafzimmer – und da stand sie noch, treu, steif und ungerührt in einer Nische neben dem Hosenschrank! Erleichtert atmete ich abgrundtief auf, dass die Hose beinahe umgefallen, und wahrscheinlich zerbrochen wäre. Ich aber wusste nun mit Gewissheit, dass es nicht möglich sei, in die Vergangenheit zu reisen! Und gleichzeitig atmete ich auch in 1960 auf, weil ich von den Relativitäts besessenen Theorien* dieses Albert Einstein gefolgert hatte, dass man z. B. in seine Zukunft nicht reisen könne - weil diese ja noch nicht stattgefunden hat! Darüber freuen wir uns nun alle ganz dolle, denn somit war diese für die Zukunft gerettet!

Zum Abschluss hier noch eine wahre Begebenheit, in obiger Angelegenheit:
Albert Einstein ging eines Tages in Neppendorf bei Hermannstadt spazieren. Da fragte ihn der Misch:
„Sius eh, Berti – na, wie gehts dir so?“
“Danke“, meinte der versonnen. „Heute besonders relativ!“

Übrigens, wie schon erwähnt - alle mit *) bezeichneten Begriffe sind wissenschaftlich korrekt, insofern wir gewisse Komischkeiten zur Lockerung des tierischen Ernstes wohlwollend in Kauf nehmen.

Kurt Binder
schrieb am 22.01.2024, 07:23 Uhr
Abenteuer Supermarkt

Fragt eine Kundin den vorübereilenden Verkäufer:
“Wissen Sie, wo die Auberginen liegen?“
“Ja, ich weiß!“, sagt der - und eilt weiter.

“Sind diese Äpfel auch saftig?“, fragt eine Frau die Kassierin, nachdem sie die 6-er Packung roter Berlepsch-Äpfel auf das Band gelegt hat.
Die Kassierin reißt die Packung auf, beißt in jeden Apfel hinein, legt ihn zurück und nickt zufrieden:
“Oh ja – und auch sehr süß!“

“Wo, bitteschön, sind die Toiletten?“, fragt ein Mann eine Verkäuferin.
“Hinter den Türen, wo auf der einen ein Männlein, und auf der anderen ein Weiblein aufgeklebt ist!“

“Wo, bitte, geht’s zur Kasse?“, fragt eine ältere Dame den Verkäufer.
“Hier weiter, und dann um 5 Ecken!“
“Links oder rechts?“
“Geradeaus!“

“Konnen Sie mir bitte zeigen, wo ich die Wassermelonen finde?“, will eine Kundin wissen.
“Aber klar doch!“, erwiedert der Verkäufer höflich. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen!“
Er geht los, durch mehrere Hallen, über drei Rolltreppen – erst eine hinauf, dann zwei hinunter, tritt auf die Straße, überquert diese, und bleibt vor einem kleinen türkischen Laden stehn, vor dem in einem Korb riesige Wassermelonen grünen.
“Es tut mir aufrichtig Leid!“, bedauert der Verkäufer. „Aber bei uns sind sie heute Morgen ausgegangen!“

Vor der Wursttheke steht ein Mann und blickt unschlüssig drein. Dann sagt er zur Verkäuferin:
“Kann ich bitte eine Wurst haben!“
“Und welche darf es heute sein?“, erkundigt sich die Wurst-Dompteurin höflich, wie es sich gehört.
„Ach, das ist mir Wurscht!“

In der Bar des Supermarktes sitzt eine Frau verschiedenen Alters. Da pirscht sich von hinten so ein Casanova-Verschnitt heran, umrundet sie, und fragt dreist:
“Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Madam?“ Sie lächelt ihn entwaffnend an, und meint dann völlig unbefangen:
“Das kommt ganz darauf an, ob Sie mit mir nur quatschen, essen gehen, oder mir einen Antrag machen wollen!“

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