Vom Frühling beseelt, jeden Tag aufs Neue

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Michael5
schrieb am 12.04.2022, 11:28 Uhr
Meine 5 Begriffe: Abschied, Kamel, Verzeihung, Gedanken und Sommerfrische.

Viel Spaß !
Tarimona
schrieb am 12.04.2022, 20:33 Uhr (am 12.04.2022, 20:36 Uhr geändert).
Hallo Michael, das ist aber auf jeden Fall ein vom Frühling beseelter Quatsch. Ja der Frühling sprießt und mit ihm auch die Albernheit. Alles turtelt, die Laune schießt über, einfach wunderbar. So soll es sein. Deine Wörter reifen noch in mir.
Kurt hier von mir, auch etwas zu deinen fünf Worten.

Ein Kakadu, allein zuhaus,
gönnt sich einen leckeren Schmaus.
Fläzt lässig auf dem Kanapee
und trinkt zum Abschluss einen Tee.

Da plötzlich aus dem Nebenzimmer,
fällt ein bleich-blauer Lichtschimmer.
Dazu ertönt rhythmisch und laut
ein Rock’n’Roll, der ihn fast umhaut.

Wie ein guter Detektiv er schleicht,
und sodann vor Schreck erbleicht.
Da steht ein Alien und tanz wie wild,
an seiner Brust baumelt ein Schild.

Darauf stand in schnörkeligen Worten
„Ich befinde mich an ungewohnten Orten.
So tanze ich dann und übe mich im Singen
Und bitte dich, mich zum Bahnhof zu bringen.“

Da staunt der Kakadu nicht schlecht
Aliens gibt es ja wirklich in echt.
Verdutzt reibt er sich die Augen,
das würde ihm keiner glauben.

Doch Moment, da fliegt ein Ball,
in die Scheibe, mit lautem Knall.
Auf dem Kanapee der Kakadu erwacht,
den Alien hat sein Traum sich nur erdacht.
Tarimona
schrieb am 13.04.2022, 21:53 Uhr
So, nun sind sie reif die Worte :-)

Da ward mal einst ein inniger Traum,
Sommerfrische tropfte von dem Baum,
Gedanken trug der warme Wind davon.

In der Ferne im weißen Wüstensand,
der so weit vom blauen Meeresstrand,
ein einsames Kamel seine Runden lief.

So lange war es doch schon her
und immer noch viel es ihm schwer.
Denn Abschied nehmen, war nicht leicht.

Um Verzeihung hatte er gebeten
und sie war ihm auf die Hufe getreten.
Zwei einsame Kamele ihre Runden liefen.

Meine neuen fünf Wörter lauten: Uhr, Sterne, Buch, Spiegel, Schatten. Viel Spaß

Kurt Binder
schrieb am 15.04.2022, 08:24 Uhr
Da ich durch eine mehrtägige, flächendeckende Internet-Abstinenz beschlagen war, kann ich mich nun wieder in euren Verse-Reigen einschalten – und antworte auf eure phantasievollen Vorschläge:


Verzeihung“, sagte, etwas mau,
mal ein Kamel zu seiner Frau,
"ich fahr jetzt in die Sommerfrische,
falls ich den letzten Bus erwische.
Doch werd ich in Gedanken rein
sogar beim Fremdgehn bei dir sein!
Zum Abschied schnell ’nen Lefzen-Kuss -
weil ich dann schnellstens abhaun muss!“

Doch leider hat es in der Hast
den letzten Bus total verpasst.
Und auch der Spiegel zur Rasur
fehlt in der Reise-Inventur.
Auch hatte es noch keine Uhr,
zur Orientierung Sterne nur.
Zwar stand ja in dem Buch der Weisen,
man könne auch per pedes reisen.
Das tat es, doch der Unmut Schatten
begleiteten die Füß, die matten.
Da wars mit der Begeist'rung aus -
enttäuscht latscht es zu IHR nachhaus.

Mein Vorschlag (ohne Nachschlag):

Tarimona, Kurt, Michael5, KarlP, Lybelle ;-)))
Kurt Binder
schrieb am 17.04.2022, 08:11 Uhr
Die Osterhasen-Story
Mythos und Wahrheit

Es war bis heute ungewiss, woher der Osterhase die Eier hernimmt. Wieso nur bis heute? Nun, als ich davon hörte, fühlte ich mich urplötzlich vom Geist Sherlock Holmes beseelt. Es gelang mir, bei eBay ein Wörterbuch zu ersteigern, und in kurzer Zeit hatte ich akzentfrei Osterhasisch gelernt. Dann begab ich mich sofort auf Spurensuche.
Rein zufällig ist heute gerade Ostersonntag, der 17. April, und so schleiche ich wie Winnetou mucksschlangenstill durch das Gras in den Garten, um Meister Lampe beim Herumeiern genauer in Augenschein zu nehmen. Und da sehe ich ihn schon.
Kaum sichtbar hoppelt er durch des Unkraut, und nur seine langen Ohren verraten seinen Standort - nämlich genau darunter! Dann holt er aus seinem Tragkorb einige gehärtete, verschieden gebuntete Eier heraus, und ordnet sie sorgfältig im Kreis unter einer gelben Osterglocke an. Ich erhebe mich leise, und nähere mich vorsichtig dem Tatort.
“Guten Tag", sage ich leutselig. "Mein Name ist Herr Kurt Binder, aber den Kurt können Sie ruhig weglassen!“
“Guten Tag", fiepte er jovial, "mein Name ist Herr Osterhase, und den Herrn können Sie ruhig dranlassen!" Dabei lächelte er bis über die Ohren, was etwas länger dauerte. Nachdem wir uns derart vertraulich kennengelernt haben, lade ich ihn ein, ins Haus zu kommen. Wir hoppeln also hinein, wo ich ihm einen Karottensaft anbiete.
“Ach, wissen Sie, Herr Binder“, grummelte er verlegen. „Heute erteile ich mir eine außerosterliche Dispens – es darf also ruhig ein Eierlilör sein!“
Und wie wir so zwanglos drauflos picheln und plaudern, gesteht er mir, dass er gerne bei armen, alten Rentnern Eier lege, da diese nicht nur Eierwerfen, Eiertschocken und Eierdrehen damit spielen, sondern sie wertschätzend mit Salz und Pfeffer zu einem Fettbrot mit Zwiefel äßen. Ich lächle geschmeichelt.
Nach und nach erfahre ich nun die ganze Wahrheit über das Mysterium Ostarhase. Er stammte aus einem uralten Osterhasen-Geschlecht, ursprünglich von Lampe-Dusa. Neben anderen interessanten Eröffnungen gesteht er mir nun auch, dass er selbst – keine Eier lege! Seine Familie besäße einen Eierbaum, auf dem bereits hartgekochte Eier wachsen. Das sei nötig. denn wenn es rohe Eier wären, könnten die leicht von den neugierigen, leichtsinnigen Menschen ausgebrütet werden, und dann wäre die Erde bald ein Planet der Karnickel – wie das laut Fernsehen mit einer ähnlichen Spezies schon mal passiert sein werde!
Das würde natürlich stante pede auch alle Osterhasen-Gegner, Osterhasen-Leugner und Alternative Osterhasen auf den Plan rufen, wobei Massendemonstrationen, Demolierungen, Plünderungen und Hamsterkäufe von Klopapier im Vergleich mit den psychischen Störungen der Kinder noch das kleinere Übel wären!. Ich erzähle ihm dann auch von mir so allerhand Sachen, die ihn jedoch herzlich wenig interessieren.
“Wei0t du, lieber Kurt“; erklärt er, und schnuppert zähnefletschend in Richtung Eierlikör, „wenn ich mir all den Müll gemerkt hätte, den ich von den Menschen zu hören bekommen habe, logierte ich jetzt lebenslang voll verköstigt und mietfrei in einer 30qm großen, weißen, weichgepolsterten Zelle!“ Mein Gott, wie gut ich ihn verstand!
“Muss jetzt leider gehen. Ich komme direkt von Casablanca, und möchte heute noch nachhause nach Lampe-Dusa!“ Er erhebt sich, klopft mir dankbar auf die Schulter, und meint inbrünstig:
„Kurt, ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!“
Dann hoppelt er davon, während seine Lampe* neckisch auf und abwippt. Ich hatte vermieden, ihn zum Andenken um eine Hasenpfote zu bitten, die ja Glück bringen soll - schaffe es aber gerade noch, ihm den Eierlikör nachzuwerfen und zu rufern:
“Bis zum nächsten Jahr also!" Er nickt nur, was ich aber nicht mehr sehen kann - und ist dann mal weg.


Und somit wünsche ich euch allen ebenfalls ein gemütliches Plauderstündchen mit dem Osterhasen, in dem angenehmen Ambiente des selbstbewussten Aprilwetters!

*Lampe: in der Jägersprache, die weiße Unterseite des Hasenschwanzes
Kurt Binder
schrieb am 01.05.2022, 07:06 Uhr
Der Mai ist gekommen

Fröhlich, lustig, sorgenfrei -
Freunde, macht die Seele frei,
tanzt beschwingt im Ringelerein
in den jungen Mai hinein.

Lasset von dem Wind, dem kühlen,
wärmend euer Gemüt durchspülen,
öffnet eure Augen weit,
und atmet tief die Frühlingszeit.

Wenn mal der Himmel trüb und grau,
so stimme euch dies nicht gleich mau;
und kneift die Sonne ganz, nicht weinen -
lasst sie in euren Herzen scheinen.

Um stimmungsmäßig hochzuklettern,
könnt ihr „O sole mio“ schmettern,
wie einstens euch in Reih'n formieren
und in memoriam - defilieren!

Doch Salomon, der Weise spricht:
“Vergesst die Kürbiskerne* nicht,
und werft die Schal'n zur Umweltpflege
in eure Tasch’ - nicht auf die Wege!“


*/ Es empfiehlt sich, den wissbegierigen Jugendlichen zu erklären, welche Bewandnis es beim Defilieren mit den „Semintze de un leu“ hatte, die in kleinen Tüten, aus Zeitungspapier gerollt zum Knabbern angeboten wurden.
Damit wäre eine drohende Bildungslücke im Voraus entlückt ;-)) !

Kurt Binder
schrieb am 07.05.2022, 08:38 Uhr
Was im Mai bis jetzt geschehen ist, geschieht – und noch geschehen wird

Hut ab, lieber Mai - du bewegst da schon einiges.
Die Maiglöckchen gucken zögerlich hervor, beklingeln stumm die keimende Natur – und leiden offensichtlich daran, dass sie giftig sind!
Die Maikäfer schwärmen zum kollektiven Festmahl aus, wobei sie keinen Unterschied zwischen Frühstück, Jause, Lunch oder Brunch machen. So hört man es den ganzen Tag über lustvoll schmatzen, wenn die geflügelten Fleischfresser die Blattläuse, Spinnenmilben, Wanzen und Wespenlarven als Vorspeise, Hauptgang und Dessert vertilgen.
Die Mai-Kinder strotzen vor Lebenslust, spielen mit ihrem Fetzen-Pila oder Fanges - am liebsten aber Versteckes, animiert von dem jeweiligen Horoskop ihrer Tierkreiszeichen Stier oder Zwillinge.
Der Mais grämt sich, dass er nicht als Genitiv vom Mai anerkannt wird, da er ja erst im Herbst zur vollen Reife gelangt!
Der 20-50 Meter hohe Maibaum, ein Birken- oder Tannenstamm, immer festlich geschmückt mit Kränzen, Bändern u.a. verführt die jungen Männer zu waghalsigen Kraxlerein, mit oder ohne Seil - nicht zuletzt um den Mädchen zu imponieren. Er ist ja schließlich ein Symbol der Liebe, der Zuneigung und - der Fruchtbarkeit!
Die Kür der Maikönigin am Abend des 30. Aprils beim „Tanz in den Mai" ist der ästhetische Glanzpunkt zur Begrüßng des Wonnemonats, und trägt das Gepräge eines Schönheitswettbewerbes. Da schwankt so manches Mädchen oder junge Frau zwischen Hoffnung und Zweifeln – bis zur schonungslosen Kundgabe des per Stimmenabgabe ermittelten öffentlichen Geschmacks!
Die vulgäre Maikönigin, lateinischer Spitzname „Leucanthemum vulgare“ hingegen akzeptiert in Demut ihren hochgiftigen Status, und versucht so gut sie kann, ihren margaretenähnlichen Verwandten nachzueifern.
Das Köstlichste im Mai aber ist zweifellos - die Maibowle, welche, mit frischem Waldmeister zubereitet, so manchem die Reize dieses Mondes noch schmackhafter macht!
Doch der Clou in Sachen „Komm, lieber Mai und mache ...“ ist wohl diese Wandlung in eigener Sache: Berauscht von der alles belebenden Wirkung des Wonnemonats, schreibt die Familie May ihren Namen - auf Mai um!

Ja, Mai* -
ich bleibe dabei,
schön ist der Mai -
heidanei ...

*) konvertiert aus dem bayrischen „Ja, mei ..."
Kurt Binder
schrieb am 10.05.2022, 06:43 Uhr
Adagio

Stille -
nur ein dumpfes Rauschen,
vom lauen Wind herbeigeweht
kündet, dass ich nicht allein bin.
Mein suchender Blick verliert sich
in der Tiefe der Unendlichkeit,
doch - wonach suche ich?

Sphärenmusik -
ich lausche ergriffen -
fern, und doch so nah
klingt sie in mir auf,
erfüllt mich mit Ehrfurcht -
wenn Brahms' melodisches Lächeln
meine baumelnde Seele umfächelt.

Zweifel -
meiner Nichtigkeit bewusst, frage ich:
Was bedeute ich der Welt?
Bin ich mehr als eine flüchtige Erscheiung
auf der wirren Bühne des Lebens?
Oder nur ein Quäntchen Bedeutungslosigkeit
im univeralen Geschehen?

Versöhnung -
Wenn ich jedoch weiß,
dass ich irgendwo im Universum
einen gefälligen Eindruck hinterlasse,
werde ich gerne, mit der Welt im Reinen
und in tiefem Frieden
mit der Ewigkeit verschmelzen.
Kurt Binder
schrieb am 15.05.2022, 06:25 Uhr
Die fünfte Heiß-Eilige

Man fühlt, wie sich das Klima heute wandelt,
und Wärme unsre kühle Welt verschandelt.
So ist sogar die kalte Maid Sophie
in diesem lauen Mai - so heiß wie nie!
Kurt Binder
schrieb am 22.05.2022, 09:24 Uhr
Gebet am Morgen

Taufrisches Grün umfängt mich
an diesem warmen Morgen im Mai -
ich taumle hinein,
liebevoll umarmt von der bunten Natur,
die auch heute in leuchtenden Farben
meine Stimmung malt,
meine Sinne betäubt mit den süßen Düften
der Schmetterlings-Blumen im Garten.

Verhaltene Lebensfreude
klingt in den Flötentönen der jungen Amsel,
die unbedarft das Morgenrot begrüßt -
die Unschuld des Ursprungs.

Ein Küßchen von der aufgehenden Sonne -
befreit lache ich in das erwachende Leben:
„Guten Morgen, Mutter -
was kann ich heute Gutes für Dich tun?“
Kurt Binder
schrieb am 27.05.2022, 12:14 Uhr
Philoflorismus* (1)
Die wundersame Wandlung des Herren Schäberle

Mein linker Nachbar heißt August Schäberle, und ist ein notorischer Meckerer! Das wäre an und für sich kein weiterer Sargnagel für unsre ohnehin waidwunde Welt. Doch da ja Meckern leider nur unqualifizierte Kritik darstellt, geht diese verbreitete Unart dem Bemeckerten in der Regel bald höllisch auf den Keks!
Herr Schäberle meckerte über alles, was ich tat. Wenn ich mein sonntägliches Beefsteak, in Knofi-Marinade gewürzt, und in Knofi-Soße gebadet genieße, mit Knofi-Wein hinunterspüle, und zum Dessert Knofi-Strudel schlemme, meckert er, dass man ja wegen der aus meinem Haus wallenden Miasmen das ganze Dorf für 2 Tage evakuieren müsse! Und mit solchen Nichtigkeiten ging es laufend weiter.
Als es mir dann doch lästig wurde, erwog ich ihm klarzumachen, dass ihn das, was ich in meinem Haus und Garten tue und lasse, ein feuchtes Etwas anginge. Leider erlaubte mir meine gut bürgerliche Erziehung derart feuchte Kraftausdrücke nicht.
Nun stand zwischen unsren Gärten weder ein Zaun noch eine Hecke, oder sonst irgendein materielles Gebilde, das uns anzeigte, wo unsre gegensetigen nachbarlichen Pflichten und Kompetenzen sowohl beginnen, als auch aufhören sollten. Doch für Herren Schäberle gab es trotz dieser einleuchtenden Zweckbestimmung einer, wenn auch unsichtbaren Grenze immer und überall einen Stein des Anstoßes.
Als ich eines Morgens die Blumen im Garten sprengte, stand er auf einmal wie aus dem Nichts gebeamt an unsrer filtiven Grenze und schnarrte, dass es bei dieser Wasserknappheit unverantwortlich sei, soviel Wasser zu vergeuden. Nun schwang in seinen Worten sicher auch etwas Neid mit. Denn während es bei mir grünte und blühte, Bienen und Schmetterlinge mir in vielstimmig summender Lebensfreude für dies Eden dankten, war sein Garten, vom Rasenmäher glattrasiert bloß eine grün-braun gefleckte Fläche, aus der bestenfalls hier und dort mal ein Regenwurm verzeifelt herausguckte.
“Herr Schäberle“, fragte ich also höflich, obwohl meine Hand mit dem Wasserschlauch verdächtig zuckte, "haben Sie heute Morgen gefrühstückt?"
"Natürlich – aber was geht Sie das eigentlich an?", kam es gereizt zurück.
“Nicht mehr als das, was Sie angeht, wenn ich meinen Blumen ihr Frühstück serviere – gelle?“ Das verschlug ihm die Sprache. Auf seinem geschundenen Rasen entdeckte ich eine halb verwelkte Löwenzahnblüte. Ich deutete zu ihr hin.
“Sehen Sie nur diese arme Blume, wie sehr sie nach Wasser dürstet. Können Sie sich einen Morgen – ohne Kaffee vorstellen?“ Er starrte mich weiter wortlos an, doch hatte sich sein Gesichtsausdruck merklich verändert. Ich setzte gnadenlos nach.
„Wenn dieses arme Blümchen nicht bald ihren Kaffee bekommt, wird sie in der Sonnenhitze qualvoll verdorren – wollen Sie das wirklich?“
Und da geschah das Unfassbare, ja – das scheinbar Unmögliche!

*) Philo: u.a. Liebe / Flores: Blume

Fortsetzung folgt in Kürze!
Kurt Binder
schrieb am 29.05.2022, 08:45 Uhr
Philoflorismus (2)
Die wundersame Wandlung des Herren Schäberle

Herr Schäberle trat wie hypnotisiert zu dem traurigen Löwenzähnchen, beugte sich hinunter - und streichelte es zärtlich. Dann trat er über die Grenze in meinen Garten, wankte verklärten Antlitzes auf mich zu, umarmte mich, und schluchzte:
“Was ... was hab ich bloß getan ...!“, und ließ seinen Blick ungläubig über den grün-braunen Teppichboden seines Gartens schweifen, auf dem sich nicht einmal eine Blindschleiche wohlfühlen würde. Dann holte er ein Kännchen mit Wasser, und goß es über die welke Blüte, welche sich sofort erholte und ihn dankbar anlachte.
Das löste sofort ein weiteres Schluchzen aus, das gleich darauf einem erheblichen Tränenfluss wich. Da übermannte auch mich die Rührung ob dieser unerwarteten Wandlung Schäberles, wir umarmten uns von Neuem – und weinten uns an der gegenseitigen Brust gründlich aus. Unsre emotional hochgeputschten Wallungen lassen sich kaum beschreiben, und Dank dieser neuentdeckten Liebe zu den Blumen und der spontan zu Tage geförderten Philofloremie Herren Schäberles schwand mein Unmut über denselbigen. Er wurde einfach von den stürmischen Stoßwellen seiner neu entflammten Lebenslust überrollt, ihre Wucht zerschmetterte die letzten Zweifel an seiner Läuterung, und erstickten endgültig in dem leuchtenden Gischt der in Ekstase brodelnden Brandung unsrer wechselseitigen Gefühle zu dieser neuen, ultimativen Nachbarschaftsliebe!
Bloß als seine hübsche Frau sich als Dritte im Bunde anschmiegsamer Weise verschämt errötend in unsre starken Arme einfügen wollte, meldete mein neuer Busenfreund ob meiner neuen Busenfreundin Bedenken an, die ich ihm nicht verdenken konnte. Sie hatte sich nämlich in der Vorfreude dieses spontanen öffentlichen, wenn auch harmlos keuschen Dreiers etwas sparsam bekleidet. Demzufolge wäre nämlich im Hinblick auf die bereits ringsum an den Gartenzäunen gomernden Nachbaren eine Massenverbrüderung zu befürchten, zu der schon Beethoven in seiner Ode an die Freude mit „Alle Menschen werden Brüder!“ aufgerufen hatte, und in der ja - von Schwestern leider keine Rede war! Also verzichteten wir, uns Frau Schäberle als Dritte im Bunde einzuverleiben, trotz unsrer sehnsüchtigen, durch die Glückseligkeit des Augenblicks umgerührten Gemüter.
Ob mein blumig konvertierter Nachbar der Grundstein für die Blumenkinder war, ist mir nicht bekannt.

Kurt Binder
schrieb am 05.06.2022, 13:52 Uhr
Pfingstmorgen

Himmlische Ruhe umfängt mich, als ich mein kleines Paradies betrete. Mein Blick schweift über das buntgesprenkelte satte Grün des Gartens, noch silbern glitzernd von den Regentropfen des nächtlichen Gewitters, und die letzten Wolken segeln, vom lauen Morgenwind getrieben ostwärts in unbekannte Ferne.
Still verharre ich, und atme den süßen Duft des Jasmins, der Rosen, des weißen Flieders und die Herbe der Sommeraster, die, eifrig umschwärmt von hunderten Bienen und Schmetterlingen diesen erwachenden Morgen in bunter Pracht begrüßen.
Und dann spüre ich das schüchterne Kosen der ersten Sonnenstrahlen auf meinen Wangen, und meine Seele erschließt sich durstig der Schönheit dieses jungen Tages, der wie ein weiteres Blatt in dem Handbuch der Schöpfung das Wunder unsres Leben bestätigt.
Überwältigt von diesem Natur-Gemälde des Friedens wage ich kaum noch zu atmen, und ein Lächeln begleitet mein von Freude durchflutetes Gemüt, als sich mir, von der lauteren Klarheit des wahren Lebens ausgelöst dieser Gedanke offenbarte:
Wenn ich einmal gehen müsste – dann an einem Morgen wie diesem.
Kurt Binder
schrieb am 06.06.2022, 11:59 Uhr
Immer Grün

Auch heute am Pfingstmontag, wie gewohnt,
erging ich mich zur Andacht, cool betont
in meines Gartens wundergrünen Auen,
vom Morgentau genässt frisch anzuschauen.

Ein Buchfink und ein junges Amselweibchen -
er bunt, und sie im schwarzen Federleibchen –
begannen fröhlich zweistimmig zu singen,
um mir ein Ständchen zum Willkomm zu bringen.

Ich nickte ihnen zu, worauf sie lachten,
und dann die Fliege – Quatsch, den Vogel machten.
Dann schritt ich weiter durch die Blumenbeete,
in Ehrfurcht zur Natur still im Gebete.

Da fiel mein Blick über des Nachbarn Zaun –
oh jemineh, was musste ich da schaun:
Mit weißen Marmorstein, im Licht gespiegelt,
hat er den Garten – voll und ganz versiegelt!

Und alles, was sich einst im Grün erquickte,
nun unterm harten, kalten Stein erstickte!
Nun ja, was soll man zu dem Unfug sagen?
Mir jedenfalls schlug dies schwer auf den Magen.

Doch dann ward mir auf einmal alles klar,
und traurig wurde mir sogleich gewahr,
dass ja auch Unvernunft aus Grün geboren,
und die grünt heut noch manchen - hintern Ohren!
Kurt Binder
schrieb am 12.06.2022, 17:13 Uhr
Das Ei ist eine geschissene Gottesgabe

Diese etwas derb anmutende Definition ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern uns wissbegierigen, kulturbeflissenen Menschen aus einer Fernsehserie mit Kultstatus, aus Büchern und von Kabarettsendungen bekannt.
Darüber will ich mich hier und heute allerdings nicht ausbreiten, weil ja zu diesem wunderbaren, Ei-förmigen Nahrungsmittel von den Kalorien, dem Cholesteringehalt bis hin zu den Salmonellen schon so ziemlich alles Ermutigende gesagt wurde. Oh nein – heute erzähle ich euch eine Begebenheit, die leitfüßig wie ein Eiertanz einherkommt, und dennoch in meinem Leben eine Bedeutung der besondern Art errungen hat!
Meine Nachbarin Anita, eine charmante, junge Frau hat in ihrem Garten eine kleine Hühnerzucht angelegt. Die lebhaften Bewohnerinnen bezeugen ihre Gegenwart von früh bis sehr spät mit fröhlichen Gesängen, im Volksmund auch als nervtötendes Gegacker bekannt.
Leider wurden diese reizenden Vögelchen nicht etwa zum Zwecke einer schmackhaften Hühnersuppe (lat: pullum pulmenti) geköpft – keine Spur davon! Sie hatten sich schlauerweise für einen Daseinszweck entschieden, der sie vor der Guillotine bewahrte, und ihnen ein ewiges Schlemmerleben garantierte. In diesem Klub der munteren Hennen musste zwar an ihre Brotgeberin eine ’Cotizatie’ entrichtet werden, die sie aber ohne kraftraubenden Aufwand, bloß mit ein bißchen Drucki-Drucki hinterrücks erledigten - gackernd!
Soweit die Vorgeschichte. Auch heute spazierte ich mit auf dem Rücken verwurschelten Armen durch den Garten, und auch heute wurde ich mit dem mir bekannten achtstimmigem Kanon begrüßt - diesmal aber in A-Dur. Es klang mir wie ein Präludium in den Ohren, zu etwas Geheimnisvollem, das noch folgen sollte. Und es folgte!
Das Gartentürchen, das unsre Gärten trennte, öffnete sich quietschend, und herein trat – richtig – Anita, meine charmante Nachbarin. Sie hielt die Hände hinter dem Rücken, und tänzelte lächelnd auf mich zu. Oh Himmel, nein - nicht doch! Ich schloss, von gemischten Gefühlen gebeutelt meine Augen, wagte mich nicht zu rühren. Doch als mir der Duft von gerösteten Zwiebeln schier den Atem verschlug, öffnete ich sie zögernd - und glaubte, zu spinnen. Dicht vor meinem Gesicht tanzten zwei weiße Hühnereier (pullum ovum) auf und ab, animiert von Anitas rechter Hand, wobei sie mit dem linken Füßchen den 2/4-tel Takt dazu schlug.
„Ich hab dir etwas mitgebracht!“, säuselte sie und reichte mir die beiden Eier. "Ganz frisch, von heute Morgen!“ Ich starrte etwas belämmert darauf, und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. In meinem ganzen Leben hat mir noch keine charmante, junge Frau zwei Eier von heute Morgen geschenkt. Als nach einer halben Stunde die Starre von mir gewichen war, stotterte ich:
“Lieben Dank, Anita, die werde ich mir heute Abend als 4-Minuten-Eier in den Becher hauen, und dabei an dich denken, so mit Pfeffer und Salz – du weißt ja!“ Sie lächelte glücklich, nickte mir zu - und ging von dannen.
Das Wasser siedete bereits, die morgendlichen Eier warteten ungeduldig - als es läutete. Ich öffnete.
„Entschuldige“, hauchte Anita und reichte mir – ein drittes Ei. "Dies Ei hat mir eben meine Lieblingshenne Katharina direkt in die Hand gelegt - es ist noch warm!"
Es war ein Genuss! Zwei heute-Morgen-Eier, gepaart mit einem frisch geschlüpften, an dem noch ein Rest der Nabelschnur zu sehen war – was will Mann mehr?


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