Gut und Böse auf der Welt

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Kurt Binder
schrieb am 16.02.2022, 08:57 Uhr
Dämmerung

Kühle freit den Morgen,
in rosigen Schleiern
wird aus dem dunklen Schoß der Nacht
der junge Tag geboren.

Gib uns Kraft,
auch in diesem Heute
Mensch zu sein.
Kurt Binder
schrieb am 21.02.2022, 11:22 Uhr
Quo vadis, Terra nostra?

Es irrt eine zerstörte Welt
durchs All mit tiefen Wunden.
Sie ward für Reichtum und für Geld
bis auf ihr Blut geschunden.

Und schonungslos ward sie entstellt,
durchbohrt und ausgeweidet -
wen kümmerts schon, wenn sie, geprellt
heute an Asthma leidet?

Ihr grünes Kleid verschwindet bald,
sie keucht in Atemnot,
erstickt, gequält und missgestalt
in Gülle und in Kot.

Der einst der Schöpfung Krone war,
wird nun ihr Totengräber -
so nehmt des Unheils Zeichen wahr;
werdet von Nehmern - Geber!
Kurt Binder
schrieb am 04.03.2022, 10:52 Uhr
Unwertes Wissen?

Gibt es das? Um zu verdeutlichen, was ich meine – hier zwei Erlebnisse aus früheren Zeiten.
Es war irgendwann in den 50ger Jahren, als in Hermannstadt in den Kinos des Öfteren russische Filme rollten, die sich unter anderem bemühten, den Heroismus der Sowjetarmee während der Verteidigung ihres Vaterlandes, meist mit verständlichem Überschwang darzustellen.
Ich ging damals gerne ins Kino, weil mich so ziemlich alles interessierte. Doch als das unter meinen Bekannten und Verwandten ruchbar wurde, durfte ich mir nicht nur einmal die mit Unverständnis einhergehende rügende Bemerkung anhören:
„Waas – du siehst dir solche Filme an? Aber – das ist doch alles nur Propaganda!“ Und wenn ich dann fragte:
“Wieso? Hast du ihn auch gesehen?", erhielt ich für gewöhnlich diese Antwort:
“Nein - und ich werde mir diese Hetzfilme auch nie ansehen!“
Diese ablehnende Haltung Unbekanntem gegenüber ist ein Paradebeispiel eines Vorurteils per definitionem: Etwas zu bewerten, oder gar zu verurteilen, das man nicht kennt! Es war natürlich einfacher, sich in der Bequemlichkeit einer unfundierten, pauschal verabfolgten Behauptung zu suhlen, als sich im Vorfeld erstmal gründlich über die vielgestalten Aspekte und Sachverhalte des Zweiten Weltkrieges zu informieren.
Und ich sah mir weiterhin diese bösen Hetzfilme an, und schämte mich nicht, mich mit solch unwertem Wissen zu bekleckern!

In Hermannstadt gehörte es zum Guten Ton der Jugendlichen, einem Kränzchen anzugehören. Und so ordnete ich mich eben auch in die üblichen Pflichtübungen derer ein, die um Elvis Willen nicht gegen diesen gesllschaftlichen Ehrencodex verstoßen wollten. Ich bekränzte mich also - und rockte und rollte pflichtbewusst mit Begeisterung und wehender Mähne im berauschenden Strudel der Gleichgesinnten mit.
Ja, es war pure Ekstase, wenn die Mädel zwischen den gegrätschten Beinen der Buben hindurchflutschten, links und rechts im unsre Hüften geschwungen wurden, anschließend über unsre Köpfe flogen, und nach einem Doppelsalto erschöpft, aber heil wieder auf dem gewachsten Parkett landeten. Wenn sie dann knutschgerecht, knieweich und verwirrt in sehnsüchtige Augen blickten, hatten beide Teile das selige Bewusstsein, der Gunst der Stunde Genüge getan zu haben.
Eines Samstags wurde uns eine Neue vorgestellt. Sie war Pianistin, und wie aus ihren Worten herauszuhören war - absolute Bach-Bewundrerin. Als sie uns da so kreuz und quer durch die Landschaft hopsen und rollen sah, fragte sie mich nachher erstaunt, was das wohl sei, denn sie konnte keinen Walzer, Tango, Polka oder Tipp-Fox darin erkennen. Ich erklärte ihr, dass dies Rock and Roll sei, und Elvis Presley der neue Stern auf dem Himmel der modernen Unterhaltungsmusik war.
“Elvis Presley?“, fragte sie befremdet. „Nie gehört!“
Ihr Tonfall gab mir deutlich zu verstehen, dass sie es für unwert hielt. von dieser bizarren Neuerscheinung Kenntnis zu haben, da diese ja mit Bach völlig unvereinbar war!

Wie man sich doch irren kann! Ich dachte, dass jedes Wissen uns bereichert. Nach diesen zwei Erlebnissen aber scheint auch hier - Gut und Böse durchzuschimmern ...
Kurt Binder
schrieb am 10.03.2022, 12:59 Uhr
Ohne Titel

Es war einmal ein Bär, der verspürte eines Morgens plötzlich einen Bärenhunger. Und da Bären in der Regel ihr Müsli oder das Steak nicht im Supermarkt einkaufen, marschierte unser Bär mitsamt seinem Bärenhunger aus seiner Höhle hinaus, um sich von dem reichhaltigen Büfett der Natur ein Häppchen zu schnappen.
Das Häppchen machte zwar erstaunt "Määäh!", ließ sich dann aber anstandslos verspeisen, da es in der Verfassung der Natur in irgendeinem Paragaphen so geschrieben stand.
Das Herrchen von dem Häppchen wusste leider nix von einem solchen Paragraphen, nämlich dass ein hergelaufener, pardon - hermarschierter Bär seine Schäfchen ohne zu fragen einfach nur so zu Häppchen degradieren darf. Demzufolge holte er seinen Bärentöter aus der Waffenkammer hinter dem Löwen-, Elefanten- und Blauwaltöter hervor, und ging zu dem Bären hin, der ihm dankbar entgegenlächelte.
Doch dann überstürzten sich die Ereignisse. Der gute, gute Mann, der sich hier unter Lebensgefahr für das hierarchische Ordnungsprinzip in der Natur einsetzte, erschoss den bösen, bösen Bären, zog ihm das braune Fell ab - und machte sich einen Bettvorleger daraus!
Kurt Binder
schrieb am 26.03.2022, 09:41 Uhr
Gut und Böse – tierisch eingeschätzt

Es besämte total bezecht
ein alter, geiler Hecht
im Suff die Frau
vom Kabeljau –
das war der Hechtin nicht recht!

Ein alter Barrakuda
verspeiste seinen Bruda.
Ein weißer Hai
schwamm grad vorbei,
und fragte: „Was machst du da?“

Ein Tyrannosaurus Rex,
der hatte im Kopf nur Sex.
Doch Frau Godzilla
liebt’ den Gorilla –
da war der Rex perplex.

Eine Henne legte im Mai
auf einmal ein Würfelei.
Der Hahn dachte nach
mit Ungemach,
wer wohl der Rivale sei?
Kurt Binder
schrieb am 03.04.2022, 10:08 Uhr
In Zweifel gebannt

Das Frühjahr begann heuer mit einer Witterung, von der man eher den Wintereinbruch erwartet hätte. Aus der dicken grauen Wolkendecke, hinter der die untergehende Sonne rot durchschimmerte, wirbelte, vom kalten Ostwind gepeitscht feinkörniger Schnee auf die gefrorene Erde herab. Ich stand im Wohnzimmer und schaute durch die angelaufenen Fensterscheiben auf die Straße hinaus. Unter dem Eindruck der Heute-Nachrichten im Fernsehen, und von der Trostlosigkeit des Augenblicks befangen, versank ich in verträumtes Sinnen. Und da sah ich sie.
Ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern ging an meinem Hoftor vorbei. Die Mutter trug eine prall gefüllte Umhängetasche und hielt ein etwa dreijähriges Mädchen auf dem Arm. Der Vater schleppte einen schweren Koffer, und an seiner Hand trippelte ein kleiner Junge. Sie gingen langsam, wie ziellos, blickten sich ständig um, und die junge Frau weinte, und wischte mit einem geblümten Tuch den Schnee aus dem Gesicht des Mädchens.
Ich trat einen Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden, denn es war mir sofort klar, dass dies Flüchtlinge aus der Ukraine waren. Dafür sprachen auch die pelzumrandeten Wintermützen, welche die Mutter und die Kinder trugen. Doch dann übermannte mich plötzlich ein völlig unbekanntes Gefühl, das mich zum sofortigen, bedingungslosen Handeln zwang.
Ich rannte auf die Straße hinaus, rief ihnen nach, näherte mich langsam, und lächelte sie an. Sie sahen mir misstrauisch entgegen, doch in ihren Augen lag ein flehender Hilferuf, der mir aus ihren, von den Strapazen der Flucht gepeinigten Seelen lautlos entgegenschlug. Ich sah, dass ich keine Minute länger zögern durfte, und so lud ich sie ein, in mein Haus zu kommen. Sie sahen mich erst ungläubig an, folgten mir dann aber zögernd, während die junge Frau mühsam versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken.
Als wir drinnen waren, wies ich ihnen gleich die Toilette an, wo sie sich und die Kinder fürs erste mal säubern konnten. Dann bat ich sie in die Küche, wo ich auf die Schnelle einen Imbiss zubereitete, und eine Kanne mit heißer Milch, Kakao und einen Orangensaft auf den Tisch stellte. Sie langten verlegen zu, doch die Kinder mampften hungrig drauf los. Dann setzte ich ihnen noch einen Kaffee auf. Ich bin weiß Gott nicht vom Helfersyndrom besessen, aber in diesen Momenten fühlte ich mich zu jeder Gabe fähig.
Wir konnten uns gut verständigen, denn sie sprachen ein wenig Deutsch. Ich erklärte ihnen, dass ich sie für diese Nacht bei mir unterbringen könnte, doch morgen müsste ich mich im Hinblick auf ihre Eingliederung und auf die weitere staatliche Unterstützung mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen. Der Mann war von Beruf Lehrer. Er sagte mir, dass er sicher sei, dass man auch in Russland den Wahnsinn dieses sorgfältig geplanten Vernichtungskrieges längst eingesehen, und die Gefahr eines dritten Weltkriegs erkannt hätte, und dass die Entmachtung dieses Monsters auch im Hinblick auf die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten nur eine Frage der Zeit sei. Sie hätten also gar nicht vor, sich bei uns eingliedern zu lassen. weil sie hofften, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können.
Ich nickte verstehend, und in meinen Gedanken tauchten Erinnerungen an bedrückende Erlebnisse auf, die ich 1944 ab dem Alter von 11 Jahren ebenfalls mit "befreienden Russen" durchgestanden hatte.
Als eine heftige Böe gegen die Fensterscheibe schlug, schreckte ich aus meinem Sinnen auf, und trat vom Fenster zurück. Dies virtuelle Erlebnis hatte sich mit einer derart greifbaren Lebendigkeit abgespielt - und ich fragte mich, ob ich gegebenenfalls wirklich so gehandelt hätte? Könnte ich mich tatsächlich spontan und ohne Bedenken für das Gute in mir entscheiden, oder wären Überlegungen bez. möglicher Ansteckung, Ungeziffer, Diebstahl oder gar einer Gefahr von Seiten unbekannter Menschen eher angebracht?
Zugegeben: Ich weiß es nicht!
Kurt Binder
schrieb am 08.04.2022, 08:24 Uhr
Nicht gerade Gut und Böse, aber ...

Da war noch die Klara Zwickel,
die mampfte gern Sauerkrautwickel.
Den Räucherspeck,
den ließ sie weg -
denn davon bekam sie Pickel.

Ein Cowboy fiel beim Rodeo
vor die Füße der schönen Cleo.
Jedoch die Miss
verstand das miss –
und rief: „Ich nehm dich, Theo!“

Es lag eine einsame Nudel
weit abseits vom Nudel-Rudel,
wo sie durchs Gehudel
der schlampigen Trudel
gefall’n war – da fraß sie ein Pudel (die Nudel!).
Kurt Binder
schrieb am 28.04.2022, 10:23 Uhr
Das vergessene Thema

Es war einmal ein Thema, das wurde von allen ignoriert. Und so wurde es von Tag zu Tag trauriger, und sich seiner scheinbaren Bedeutungslosigkeit mehr und mehr bewusst.
Das Thema hieß „Gut und Böse“, im Folgenden kurz GUB genannt, und es verstand die Welt nicht mehr. Zwar war es Dauermieter im Forum, Abteilung „Lachen uch Nodinken“, was ihm aber nicht dazu verhalf, seiner bislang wochenalten Einsamkeit zu entrinnen, und etwas Aufmerksamkeit zu ergattern. Und es weinte still vor sich hin - und siehe da, seine heißen Tränen der Verzweifelung überschwemmten manch mitleidiges Herz – oder doch noch nicht?
Da tauchen freilich manche Fragen auf. Gibt es denn in den zwischenmenschlichen Beziehungen kein GUB mehr? Die offensichtliche Schwierigkeit, sich damit ernst oder humorvoll auseinanderzusetzen liegt wohl hauptsächlich darin, dass sowohl das Gute, als auch das Böse unverschämt – relativ einzuschätzen ist. Denn was dem einen gut erscheint, kann sich für andere unbekömmlich bis schädlich auswirken. Doch gerade die provokante Verhältnismäßigkeit dieser beiden Pole der sogenannten Moral sollte eigentlich unsrer Phantasie als Tummelplatz in der Größe von mindestens 10 Fußballfeldern* (;-)) ) dienen.
Toreschießen in beide Richtungen würden gleichermaßen bejubelt werden, nicht wahr?

*) gängige Maßeinheit, auch für Nicht-Fußball-Fans!

Kurt Binder
schrieb am 24.05.2022, 16:36 Uhr
Es war im Jahr 1945, wenige Jahre nachdem sich das Böse aufgemacht hatte, das Gute in der Welt auszurotten. Mein Vater Kurt Erich Binder wurde von Hitler. ebenso wie die meisten Jungen und Männer in Siebenbürgen und im Banat zur Waffen-SS eingezogen – und kam aus dem Krieg nicht mehr zurück.
Die darauf folgenden Enteignungen und Deportationen sind die wohl tragischesten Ereignisse in unsrer bewegten Geschichte. In solch einem Moment des Alleinseins und des Bewusstseins ihrer verzweifelten Lage, in der sie auch für uns drei Kinder verantwortlich war, hat meine Mutter Marie Margarete, geb. Kröger dies folgende Gedicht geschrieben:


Sehnsucht

Ich steh am offenen Fenster
und seh in die dunkle Nacht,
und seh über mir den Himmel
mit seiner Sternenpracht.

Ihr Sterne am hohen Himmel,
die ihr so golden scheint,
ihr habt heut gewiss gesehen,
wie bitterlich ich hab geweint.

Es ist mir manchmal so bange,
so bange im Herzen drin,
ich könnte so froh sein und lustig,
doch hat es ja gar keinen Sinn.

Das Schicksal hat mir genommen,
was ich einst so lieb gehabt,
wie möcht ich mit Blumen schmücken
das schlichte, verlassene Grab.

Ihr Sterne am hohen Himmel,
ihr seht zu mir herab,
ihr Sterne am hohen Himmel,
oh, sagt mir - wo liegt sein Grab?
Kurt Binder
schrieb am 08.06.2022, 06:43 Uhr
Ja mei – was ist hier schon gut oder böse, wenn des Schicksals Laune Kapriolen schlägt?

Urlaub

„Huii, was ist denn los dort unten?“, scheint die Sonne sich zu fragen,
als sie all die vielen bunten Autos sieht, und Campingwagen.

Mann, da tobt ‘ne Wahnsinnsparty, kilometerweit die Chose,
mit Pommes frittes, Salat und Arti-schokenherzen aus der Dose.

Auf dem Grill da braten Hähnchen-schenkel, und die duften sehr,
und gar mancher hat ein Fähnchen, von der Flasche, die längst leer.

Freude steht in den Gesichtern, lautstark bricht der letzte Bann,
und mit Tränen in den Lichtern sagt man „Du“ zum wilden Mann.

„Wie, du hast kein Bier mehr, Kumpel? Oh, das ist Tierquälerei!“
Rasch holt man aus dem Gerumpel seines Kofferraums gleich zwei.

Alles läuft heut leicht und locker - sozusagen ungehemmt;
keinen haut mehr was vom Hocker, nichtmal den, der arg verklemmt.

Papa tanzt mit der Blondine aus dem Opel nebenan,
und er krallt mit Kenner-Miene sich an ihren Schwimmring an.

Was die Mama im Toyota still genießt im Polstereck
mit dem Boy aus Minnesota - „Kinder, schaut doch bitte weg!“

Schrill vibriert in allen Scheiben rhythmisch jenes Element,
das bei ausgeflipptem Treiben heut man „eine Musi" nennt.

Plötzlich über das Gelände hallt ein tausendstimmig Schrei:
„Leut, die Party ist zu Ende, auf - der Stau ist nun vorbei!“

Man gelobt, im gleichen Rahmen sich zu treffen übers Jahr,
so wie's in antiquen Dramen zeitlich-räumlich üblich war.

Keiner zieht die Stirne krause, wegen ausgebliebner Weite,
und erholt fährt man nach Hause - diesmal auf der andern Seite.

Kurt Binder
schrieb am 29.06.2022, 09:50 Uhr
Du
Im Grunde nix Neues

Ein Menschenleben ward soeben
im Schmerz geboren - zur Arbeit erkoren.

Du gehst deinen Weg, mal grade, mal schräg,
wie das erfordert, was dir geordert.

Kaum bist du erwacht, und die Sonne lacht,
da ruft schon die Pflicht, ob du magst oder nicht.

Du wähnst dich toll, und nimmst dich voll
und schätzt dich sehr - denn du bist ja wer!

Doch dir entfällt, dass die fiese Welt
es anders geplant, als du’s geahnt.

Der Weg ist lang, und du stolperst bang;
bei jedem Schritt schleicht Skepsis mit.

Er nimmt kein Ende - keine Wende
kündet heiter dein Dasein weiter.

Der wahre Frieden ist dir nie beschieden -
musst vieles erleiden, kannst kaum unterscheiden,

ob Gut oder Böse dich mal erlöse
von Müh’ und Plag’ - Tag für Tag.

Ja, so verläuft eben nach stetem Streben
und manchem Beben - ein Menschenleben!

Kurt Binder
schrieb am 03.07.2022, 11:11 Uhr
Grauen am Morgen
Zwar weder gut noch böse, aber wahr

Mein Garten ist in mancherlei Hinsicht ein Stein des Anstoßes für die kritischen Augen einiger Nachbaren. Ich habe ihm nämlich im Laufe vieler Jahre ein Outfit angedeihen lassen, das mir des Öfteren Bewertungsmeinungen wie „schlampig", "unordentlich", „unzumutbar“ und ähnliche eingebracht hat, die nicht unbedingt Bewunderung oder gar helle Begeisterung ausdrückten.
So präsentiert sich die zentrale, große Fläche heute als Blumenwiese, über der unzählige Insekten und Schmetterlinge sich austoben, erfreut darüber, dass es noch Helden gibt (!), die der übermächtigen Teppichboden-Rasen-Ideologie, allen unqualifizierten Meckereien zum Trotz tapfer die Stirn bieten. Soviel zum Eigenlob.
Meine Vorzeige-Wiese schneide ich zweimal im Jahr mit einem sogenannten Balkenmäher, der in die inzwischen mannshohen Noch-Blumen und Gräser mitleidlos erst 85cm breite Verkehrswege für Wühlmäuse, Schnecken und andere nette Gartentierchen schneidet. Dies Gemetzel endet in der Regel in einer grünen Tabula rasa, auf der sich die oben erwähnten Flattertierchen erst verduzt umsehen – und dann bis zur nächsten Blüte verschwinden. Dem frischen Schnittgut habe ich in einem Eck des Gartens eine letzte Ruhestätte zugewiesen, in der es in Frieden seinem irdischen Ende entgegenmodern kann. Dieses Eck wurde im Laufe der Jahre von einem vielfältigen Gestrüpp und Gebüsch zugewuchert, in das sich die Amseln gerne lieblich flötend zu einem heimlichen Tete-a-Tete, bzw. Feder-a-Feder zurückziehen, um der Gefährdung ihrer Art gewissenhaft entgegenzuwirken.
Heute war wieder ein Tag des Schnitters. Ich hockte müde von der Knochenarbeit auf der Gartenbank, denn ich musste immerhin 6 Pferde(stärken) bändigen, und das eine gute halbe Stunde lang. Doch gerade als ich mit Siegerblick die Walstatt der gekappten Halme überschaute - da gescha es!
Aus dem Gestrüpp-Winkel, von dem mir heute nur Totenstille entgegentönte, trat - ein Leopard heraus. Er sah sich erst suchend um, blickte dann aufmerksam zu mir herüber, und – ich ertarrte, kam langsam und mit bedächtigen, elastischen Schritten auf mich zu! Ich wagte nicht. mich zu bewegen. Und dann stand er vor mir, und seine gelben Augen funkelten mich gierig an. Ich erkannte deutlich, dass es ein Männchen war. Es hatte offensichtlich meine Hilflosigkeit erkannt, denn sein langer, buschiger Schweif ragte steil in die Höhe, und der Zipfel zuckte erwartungsvoll hin und her.
Doch dann wuchs ich über mich hinaus und, entgegen jeglicher Vernunft wagte ich es: Ich beugte mich vor, und – streichelte das schöne Tier. Im selben Augenblick tönte eine ungehaltene Frauenstimme aus dem Nachbarhaus:
“Leo, wo bist du denn? Komm, komm ...!“ Und der riesige, gefleckte Savannah-Kater wandte sich um, und sprang in weiten Sätzen davon, der nach Whiskas klingenden Stimme entgegen.

Beinahe genauso geschehen gestern, am 2. Juli 2022 p. Chr. N.



Kurt Binder
schrieb am 13.07.2022, 08:54 Uhr
Rückblick
Erinnerungen sind geistige Zeitreisen in die Vergangenheit, während derer wir unsre Fehler von Heute erkennen.

Der feine Unterschied
Ein Googel-Hupf bereichert unsren Geist mit Wissen - ein Gugelhupf bereichert unsren Körper mit Kohlenhydraten.

Haupt-Sachen

Viele Menschen wurden im Sinne der Weltverbesserung enthauptet - behauptet nur einer, behauptet Frankenstein.
Kurt Binder
schrieb am 30.07.2022, 11:52 Uhr
Ob Gut oder Böse – das bleibe dahingestellt

Oh, diese Nachbarn

Ich unterteile meine zahlreichen Nachbarn in Witwen, Hundebesitzer und Meckerer. Der Rest ist so unscheinbar, das ich ihn in 40 Jahrem noch nicht so richtig wahrgenommen habe.
Die drei Witwen reihen sich, als hätten sie sich abgesprochen, hinter der rückwärtigen Hecke des Gartens aneinander. Rein zufällig hatten wir etwa in gleicher Höhe und Abstand drei Steinberge errichet, mit Blumen und Gartenzwergen im Bergsteiger-Look bepflanzt. Um mir die Namen der drei Damen sehr verschiedener Jugend merken zu können, nannte ich die Berge entsprechend Anneberg, Petraberg und Juttaberg. Dies klappte wunderbar, funktionierten doch diese kleinen, sorgfältig gestalteten Steinhaufen wie substantielle Eselsbrücken. Außerdem behielt ich die Namen der Berge, die ich einmal bestiegen hatte, leichter im Gedächtnis als die der Nachbarinnen.
Anne von hinterm Anneberg kam des Öfteren herüber, um mit meinem Einverständnis frischen Löwenzahn aus meinem naturbelassenen Garten für ihre glücklichen Hühner zu pflücken, die ihr Glück Tag und Nacht in reinster harmonischer Qualität überzeugend begackerten. Manchmal brachte Anne mir zwei noch warme frische Eier, die ich mit ebenso warmen Dank an Ort und Stelle als Vierminuteneier genossvoll schlürfte. Diese akustische Begleitung meiner Gaumenbefriedigung wirkte auf Anne derart erregend, dass sie sich schleunigst auch ein Ei holte, und mitschlürfte.
Petra von Petraberg sah ich seltener, dafür hörte ich sie öfters. Sie erschien jeden Morgen zur gleichen Zeit mit dem Bettzeug auf dem Balkon, und breitete es schwungvoll über die Buchsbaumhecke aus – zum Auskühlen und Lüften, wie sie mir erklärte. Und erzählte mir dann verärgert, dass die Leintücher und Decken immer voller Käfer und Ameisen seien – wiederholte aber dies Procedere konsequent Tag für Tag. Petra wusste über alles Bescheid, was, wann, wo und warum im Dorf geschehen war. Ich erkor sie demzufolge zu meinem ambulanten Infomationsbüro, was mir das Abo des Lokalblattes ersparte, und mir pikante Affären brühwarm zutrug, noch bevor diese stattgefunden hatten.
Jutta vom Juttaberg sah ich selten, hörte sie aber oft mit ihrem Mann schimpfen.
Hinter der seitwärts grünenden Hecke logierte Herr Schütz. Obwohl wir schon seit 45 Jahren Nachbarn sind, hatte ich ihn bis jetzt nur 45 Mal gesehen - nämlich einmal pro Jahr, wenn er im Frühjahr die Hecke zu meinem Garten schnitt. Dann konnte ich sein halbes Gesicht über der Hecke sehen. Ich nannte ihn den Heckenschütz. In den paar Minuten, die uns zu einem umfassenden informativen Gedankenaustausch gewährt waren, erfuhr ich so manches erschütterndes, aber auch erbauliches, was mich glücklich machte. Es erfolgte in der üblichen, nach Bedeutsamkeit klassisch geordneten Reihenfolge:
Herr Schütz hatte ein neues Auto, in seinem Klo wurde eine gedanklich gesteuerte Spülung eingebaut, und sein Hund hatte Würmer. Nach seiner Familie durfte ich nicht fragen. Als ich sowas einmal, kurz nach meiner Ankunft in Deutschland im Übergangswohnheim, in siebenbürgischer Unschuld getan hatte, kam meine Familie sofort in Quarantäne, und ich für 3 Monate in ein Umerziehungslager. So griff also ab den Würmern der Datenschutz, und ich verkniff es mir demnach, mich höflich zu erkundigen, wie es dem Cholesterinspiegel seiner Gatin ginge.
Nachdem wir uns also, streng eingedenk der heiligen Gefilde der Tabus einige Minuten lang verlegen lächelnd angeschwiegen hatten, verabschiedeten wir uns, wünschten uns ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr - und dann verschwand das halbe Gesicht des Heckenschützen - bis zum nächsten Jahr zur gleichen Zeit.
Platz 1 in der Rangliste meiner komischen Nachbarn war zweifellos der Mann hinter der fiktiven Grenze, die unsre Grundstücke trennte. Seine markanteste Tugend war das Meckern an allem und jedem, was ich so tat - in meinem Garten! Da ich ein gut erzogener Junge bin, verzichtete ich darauf, ihm höflich zu erklären, dass ihn das einen gewissen feuchten Scheibenkleister anginge. Doch als er mir eines Tages vorwarf, mit meinem naturbelassenen Garten sein ästhetisches Feingefühl zu beleidigen, da vergaß ich meine Kinderstube - und in mir reifte ein fieser Racheplan.
Am nächsten Morgen trieb ich mich demonstrativ an unsrer Grenze herum; prompt tauchte er auf und meckerte. Ich lächelte ihn an.
“Herr Schnabel", sagte ich freundlich, „da Ihnen meine Gegenwart offensichtlich nur Unbehagen bereitet, habe ich beschlossen - mein Haus zu verkaufen!“ Er erstarrte.
“Ja ... aber warum ... wieso? Haben Sie schon einen Käufer?"
"Oh ja, er hat ohne zu handeln sofort eingewilligt!“ Seiner Mimik nach überstürzten sich in seinem Kopf die Gedanken.
“Und – wer ist es?“ Da begann ich, ihm haarklein zu schildern, was ihn da Gutes von seinen künftigen Nachbarn erwarte. Der Mann sei ein ehemaliger Boxer, seine Frau Barsängerin, und sie hätten 5 Kinder im Alter von 10 bis 18 Jahren. Während meines Berichts wurde er blass und blässer. Dann zeigte ich ihm ein Foto, das ich aus dem Internet zusammengebastelt hatte.
„Aber ... wollen Sie sich das nicht noch einmal überlegen?“, stotterte er fassungslos.
“Aber nein doch“, lachte ich, „warum auch? Können Sie sich vorstellen, wie diese armen Kinder aus der Großstadt sich in diesem großen Garten austoben werden, mit ihren zwei schönen, deutschen Doggen ...?“ Weiter kam ich nicht. Er knickte ein, wankte ins Haus, und ich sah ihn mehrere Tage lang nicht mehr.
Ab sofort kehrte himmlischer Frieden zwischen uns ein, und ich ließ ihn in dem Glauben, bald seine neuen netten Nachbarn begrüßen zu dürfen. Wie lange ich ihn hinhalten kann, weiß ich noch nicht, aber bis dahin - pax nobis in aeternum!

Kurt Binder
schrieb am 03.08.2022, 09:47 Uhr
Was ist Tatendurst?

Das ist ein Begriff, der den Menschen ehrt, unabhängig davon, ob sich dieser Durst vor oder nach einer Tat einstellt! Dazu muss aber diese kausale Frage erst in die richtige Tageszeit gesetzt werden.
Wenn also ein Mensch nach Taten dürstet, gehen wir davon aus, dass dies Phänomen wahrscheinlich schon am frühen Morgen stattfindet, wenn er noch frisch und unverbraucht ist.
Wenn er aber infolge seiner Taten durstig geworden ist, so schließen wir daraus messerscharf, dass das erst nachmittags oder gegen Abend sein kann, nachdem er sich gehörig ausgetobt hat.
Nun können seine Taten Gut oder Böse sein, mit sämtlichen dazwischen liegenden, moralisch geprägten Abstufungen! Dies wäre jedoch ein Thema für eine weitere Dissertation - zu diesem Thema ;-))) !

P.S.
Wir verkneifen uns hierzu geflissentlich die zynische Schlussfolgerung, das Durst - durstig machen kann!

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