Social Media und die (ex) Rumänen

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lucky_271065
schrieb am 20.08.2011, 23:38 Uhr
"Die Literatur geht immer da hin, wo die Beschädigung einer Person ist", sagt sie. "Die Themen stoßen mir zu."

Herta Müller

www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,654075,00.html
lucky_271065
schrieb am 20.08.2011, 23:52 Uhr (am 20.08.2011, 23:55 Uhr geändert).
@ Bankban
einem Schiller hat es gereicht, an einem faulen und vermoderten Apfel zu riechen, schon ging seine Phantasie los, aber nicht jeder kann eben ein Schiller sein und er braucht daher Größeres um seinen Ekel künstlerisch zu sublimieren...

Ich meine, unser Deutschlehrer hat uns seinerzeit gelehrt, dass Schillers "Die Räuber" nicht gerade nach dem Geschmack seines Landesfürsten waren. Und dass er deshalb sogar eingekerkert wurde. Insofern hatte Schiller auch so seine Erfahrungen mit einem "Tyrannen".

Auf herzoglichen Befehl und gegen den Willen der Eltern musste Schiller 1773 in die Militärakademie Karlsschule (damals im Schloss Solitude bei Stuttgart) eintreten. Schiller begann zunächst ein Rechtsstudium. Die Zöglinge wurden militärisch gedrillt, was dazu beigetragen haben mag, dass er noch mit fünfzehn Jahren Bettnässer war; zweimal wurde er deswegen hart bestraft. Schiller schnupfte heimlich Tabak und las zusammen mit seinen Kameraden verbotene Schriften.
(...)
1781 vollendete Schiller das Theaterstück Die Räuber, das noch im selben Jahr anonym gedruckt wurde. Auf der Festung Hohenasperg traf er zum ersten Mal auf den dort eingekerkerten Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart. Am 13. Januar 1782 wurden Die Räuber vom Mannheimer Theater unter der Intendanz Wolfgang Heribert von Dalbergs erfolgreich uraufgeführt. Jubelstürme entfachte das Stück insbesondere beim jugendlichen Publikum. Auch Schiller war trotz des herzoglichen Verbots mit seinem Freund Andreas Streicher bei der Uraufführung anwesend. Herzog Carl Eugen warf den unbotmäßigen Dichter darauf vierzehn Tage lang ins Gefängnis und untersagte ihm bis auf Weiteres, Komödien „und dergleichen Zeugs“ zu schreiben. Freiheitsbegeisterte Jugendliche gründeten in den folgenden Monaten in Süddeutschland viele „Räuberbanden“.


de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller

Die (literarisch) anspruchsvolleren Zeitgenossen mögen es mir verzeihen, dass ich als Quelle nur Wikipedia zitiere. ;-)
lucky_271065
schrieb am 21.08.2011, 00:14 Uhr
@ Seberg
Unmöglich finde ich jedenfalls, dass hier ein Künstler und gebildeter Mensch dieses offenbar für sein Lebensgefühl braucht und in der Demokratie so sehr vermisst, also offenbar blind oder gefühllos ist für die viel tieferen und mindestens ebenso existenziellen menschlichen Konflikte in sogenannte Friedenszeiten (gibt es diese überhaupt?). Versiegt seine Schaffenskraft in Zeiten ohne Krieg, Mord und Totschlag? Das wäre in meinen Augen ein Armutszeugnis.

Kannst Du die Sehnsucht der Menschen nach heroischen Taten nicht nachvollziehen, Seberg? Das wäre eher ein Armutszeugnis für Deine empathischen Fähigkeiten.

Damit will ich allerdings nicht gesagt haben, dass diese Sehnsucht nicht auch Risiken in sich birgt. Wie auch der Gegenpol dieser Sehnsucht Risiken in sich birgt ("Mamaliga nu explodeaza." - "Maisbrei (auf Sächsisch 'Palukes') explodiert nicht", wie es vor dem Umsturz 1989 in Rumänien (selbstkritisch?) in der Bevölkerung von Mund zu Mund ging). Und dann explodierte die "Mamaliga" doch!
bankban
schrieb am 21.08.2011, 08:20 Uhr (am 21.08.2011, 08:21 Uhr geändert).
lucky: Natürlich habe ich übertrieben, was Schiller angeht. Ich wollte ja auch nur die Unterschiede zwischen einem Schiller und den heutigen Pop"literaten" klarmachen.
Allerdings denke ich schon und immer noch, dass es ernsthafter gesellschaftlicher, politischer Konflikte und Problemfelder bedarf, die man exemplarisch als Grundmuster für einen literarischen Stoff überzeichnet, um literarische Gestalten zu formen, die eine Größe, eine Tragik, etwas Gewisses haben. Denn: immer nur Otto Normalverbraucher zu schildern, ist auf Dauer langweilig. Das aber tun die "GenerationGolf"schriftsteller, die eben selbst nichts erlebt haben und an eigenem Können zu wenig aufweisen, um die in der weitgehend friedlichen bundesrepublikanischen Gegenwart dennoch schwach ausgeprägten Konflikt- und Stoffpotentiale verwerten zu können. Dass diese Potentiale so unscheinbar sind, scheint mir auch hinter dem zu stecken, was Bergel in jenem Interview sagte.
Ich wiederhole zum xten Mal: ich versuche mich nur an der Deutung jener von seberg zitierten Sätze. Nicht verteidigen will ich sie, nur verstehen.
wamba
schrieb am 21.08.2011, 08:46 Uhr (am 21.08.2011, 08:49 Uhr geändert).
Neulich auf einer Vernissage, man geht gerne hin weil man da kostenlos fressen und saufen kann.
Alle bestaunten dieses Bild und fragten sich was es darstelle.

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Von Benutzern verlinktes Bild - Link zum Bild


Der Künstler, ein Meister seines Faches, kam dazu und erklärte es sein eine Kuh auf der Weide.

"Ich sehe da aber kein Gras", meinte jemand.
"Die Kuh hat es abgefressen", erwiderte der Künstler.
"Ich sehe auch keine Kuh", sagte ein anderer.
Darauf der Künstler:"Was soll die Kuh auf einer Weide ohne Gras?"
bankban
schrieb am 21.08.2011, 09:20 Uhr
Recht hat sie, die Kuh...
seberg
schrieb am 21.08.2011, 10:28 Uhr (am 21.08.2011, 10:29 Uhr geändert).
Na ja, wenn man die Sache genau betrachtet und sich mal janz dumm stellt, dann ist das keine Vernissage nicht jewesen sondern ein Happening und der Künstler kein Maler sondern ein schwatzender Schriftsteller, der ahnt, dass das Publikum die äußere Show mehr liebt als die ehrliche Innerlichkeit und er selbst damit auch mehr und schneller zu Erfolg kommt als mit Bücherschreiben (Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind reiner Zufall)

Gute Happenings übrigens können sehr wohl auch große Wahrheiten transportieren, hier die Wahrheit, dass es ohne inneres Erleben und Phantasie des Publikums absolut kein Kunstwerk eines auch noch so großer Künstler geben kann, sondern nur weiße Flecken auf weißem Hintergrund.
Mynona
schrieb am 21.08.2011, 10:28 Uhr (am 21.08.2011, 10:31 Uhr geändert).
"Das Ziel der Kunst ist es, einfach eine Stimmung zu erzeugen." Wilde
und ebenso:
"Durch Kunst und nur durch Kunst erreichen wir Vollkommenheit; durch Kunst und nur durch Kunst entgehen wir den grauenhaften Gefahren des Alltags." Wilde

@Wamba,das kostelose "Fressen und Saufen" hat auch den swingerclubs viel eue kundschaft beschert :-)))
Joachim
schrieb am 21.08.2011, 11:09 Uhr (am 21.08.2011, 11:10 Uhr geändert).
"@Wamba,das kostelose "Fressen und Saufen" hat auch den swingerclubs viel eue kundschaft beschert :-)))"

Nein dabei geht es nicht um das kostenlose Fressen und Saufen.

Es geht dabei um das gemeinsame Genießen.
Das man selbstverständlich auch seinem Partner gönnen sollte.
Mynona
schrieb am 21.08.2011, 11:18 Uhr
@joachim ,darum sollte es mal gehn,aber inzwischen gehn echt viele hin um einfach mal zu essen und zu trinken für....k.A.wie viel genau,aber recht wenig Geld .-)))
Henny
schrieb am 21.08.2011, 11:40 Uhr
hmm... also wenn ich viel und günstig essen möchte geh ich nach McDonalds und nicht in einen Swinger-Club.
seberg
schrieb am 21.08.2011, 11:49 Uhr (am 21.08.2011, 12:04 Uhr geändert).
bankban:
„Allerdings denke ich schon und immer noch, dass es ernsthafter gesellschaftlicher, politischer Konflikte und Problemfelder bedarf, die man exemplarisch als Grundmuster für einen literarischen Stoff überzeichnet, um literarische Gestalten zu formen, die eine Größe, eine Tragik, etwas Gewisses haben.“
Wie wichtig oder unwichtig diese gesellschaftlichen, politischen Konflikte und Problemfelder als konkrete aktuelle Ereignisse für den künstlerische Schaffensprozess sind ist durchaus fraglich, denn diese werden nie zur Kunst auf dem Papier, ohne durch den inneren kreativ-gestalterischen Filter des einzelnen Künstlers zu gehen, und darauf kommt es m.E. an.

Wie erkennt man "Größe", "Tragik" usw...einer literarischen Gestalt – und damit gute oder gar große Literatur und Schriftsteller? - Was an Literatur/Kunst die Zeit überdauern und bleiben wird und möglicherweise erst später als „groß“ erkannt, ist durchaus unsicher, selbst bedeutende Kritiker wie Reich-Ranicki könnten sich täuschen, siehe sein mürrisches und „vernichtendes“ Schweigen zu Herta Müller. Oder Recht behalten, wer will das heute entscheiden?

Apropos Herta Müller: Interessant ist ja, dass gerade das Vorbild für den „Helden“(!) in Müllers Buch „Atemschaukel“, der Poet und Büchnerpreisträger Oskar Pastior, für sein eigenes Schreiben von den „ernsthaften gesellschaftlichen, politischen Konflikten“ völlig abgesehen hat und offenbar ausschließlich aus einem "geistig Inneren" geschöpft hat, oder zumindest extrem dadurch gefiltert, was er vermutlich auch unter ganz anderen und weniger dramatischen äußeren Erlebnissen getan hätte: man erinnere sich nur daran, wie bedeutend für O.Pastiors So-Sein die Erlebnisse in der eigenen Familie vor seinem 17. LJ waren, also noch in der für uns Sachsen "friedlichen Zeit" und vor seiner Deportation in das Arbeitslager in den Osten: möglicherweise bedeutender als alles was er später an gesellschaftlich-politischen Übeln im kommunistischen Rumänien erlebt hat. Herta Müller hat ihn bewundert – vielleicht gerade das an ihm, was ihr selbst abgeht?
bankban
schrieb am 21.08.2011, 12:08 Uhr
„Wie wichtig oder unwichtig diese gesellschaftlichen, politischen Konflikte und Problemfelder als konkrete aktuelle Ereignisse für den künstlerische Schaffensprozess sind ist durchaus fraglich, denn diese werden nie zur Kunst auf dem Papier, ohne durch den inneren kreativ-gestalterischen Filter des einzelnen Künstlers zu gehen, und darauf kommt es m.E. an.“

Hab ich doch auch gesagt… oder? : „…denke ich schon und immer noch, dass es ernsthafter gesellschaftlicher, politischer Konflikte und Problemfelder bedarf, die man exemplarisch als Grundmuster für einen literarischen Stoff überzeichnet, um literarische Gestalten zu formen…“

Du sagst: „Was an Literatur/Kunst die Zeit überdauern und bleiben wird und möglicherweise erst später als „groß“ erkannt, ist durchaus unsicher, selbst bedeutende Kritiker wie Reich-Ranicki könnten sich täuschen“…
Und hast damit Recht. Und dennoch melde ich sofort auch Widerspruch an, denn dass Charlotte Roches „Gebete“ in 50 Jahren niemand kennen wird – die These stelle ich gerne auf. D.h. zumindest was schlecht ist, kann man (mit Erfahrung, Stil und Geschmack) sofort erkennen.
Und apropos Herta Müller: Gerade ihre Literatur ist für mich Beispiel dafür, dass es eben für Künstler gewisser Konfliktpotentiale bedarf… Selbst die „Atemschaukel“ hat ja ein gewaltiges Erlebnis als Folie… aus der der Roman entstand…
seberg
schrieb am 21.08.2011, 12:42 Uhr (am 21.08.2011, 12:50 Uhr geändert).
o.k., einigen können wir uns auf deine Aussage „dass es eben für Künstler gewisser Konfliktpotentiale bedarf…“.

Zugespitzt könnte ich jetzt höchstens noch auf einen Rest an möglichem Konfliktpotential zwischen uns hinweisen, indem ich etwas gemein und auf meine manchmal zynische Art (für die ich mich jetzt schon entschuldigen möchte!) sage: die einen brauchen die Securitate als Konfliktpotential, den anderen genügt es bis zum Überdruss, dass der Mensch als konflikthaftes Wesen schon auf die Welt kommt, egal wie friedlich die gerade ist. (hat hier nicht Mynona gerade Oscar Wilde erwähnt?!!!)

(Apropos: guck dir diese Forum an, das doch alle Bedingungen für eine friedliche Diskussion bietet – und was trotzdem immer wieder an „Krieg“ und "Terror" hier los ist seit es das Forum gibt? , mir jedenfalls genügt das hier an „gesellschaftlichem Konfliktpotential“; dass auch hier die Securitate dahinter stecken könnte glauben nur Leute wie z.B. Armin Maurer... )
gerri
schrieb am 21.08.2011, 12:49 Uhr (am 21.08.2011, 12:56 Uhr geändert).
@ getkiss,vielleicht war es auch nicht "der Direktor",weil jener den ich meine ein gebürtiger Lette war, (daher sein Wunsch für einen deutschen Fahrer) mit Studium und im privatem Leben vielen Menschen geholfen hat wo er nur konnte,bis er auch abberufen wurde.
Seine Beurteilung mit "zabrali" muß aus der persönlichen
Erlebnisszeit in Rumänien stammen.
Geri

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