Die Juden - Geschichte eines Volkes

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bankban
schrieb am 28.12.2013, 16:24 Uhr
Interessant ist wohl weniger, was wir denken, als was Fachleute über das Buch denken.
Hier ein Beispiel:

"Eine Folge des cultural turn ist, dass sich die Distanz zwischen Fachhistorikern und „Laien“ stark vergrößert hat: Historiker gehen von selbstverständlichen Voraussetzungen aus, die Nicht-Historikern fremd sind. Wenn dann das offene Geheimnis „verraten“ wird, herrscht Fassungslosigkeit, gefolgt von Empörung bei den meisten und Triumph bei einigen. Nur unter diesen Bedingungen konnte aus Shlomo Sands Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ die Sensation werden, die es zumindest in Israel ist – denn für die Fachwelt ist die grundsätzliche „Erfundenheit“ jeder Nation eine Binsenweisheit.
Ausgangspunkt von Sands Argumentation ist zu zeigen, dass diese Erfindung aber tatsächlich, kurz gesagt, auf den deutsch-jüdischen Historiker Heinrich Graetz und seine elfbändige „Geschichte der Juden von den Anfängen bis auf die Gegenwart“ (ab 1853) zurückgeht, also ein Produkt des 19. Jahrhunderts und des modernen Nationalismus ist und dem außerdem ein unhaltbares teleologisches Geschichtsbild des Zionismus zugrunde liegt. Im Folgenden macht sich Sand daran, die Graetzsche Totalkonstruktion Baustein für Baustein, in chronologischer Reihenfolge, einzureißen, also quasi einen „Anti-Graetz“ zu schreiben. Dass er dabei weit über die Grenzen seines Fachgebiets hinausgehen und sich auf die Forschung anderer verlassen muss, ist ihm nicht vorzuwerfen. Aber seine Auswahl von Richtigem und Absurdem – und vielem dazwischen – in seinen „Belegen“ ist höchst kritikwürdig. Noch ärgerlicher ist die das ganze Buch durchziehende Verschwörungsrhetorik, deren Tenor man ungefähr so paraphrasieren könnte: Die Historiker (vom Zionismus korrumpiert) haben die Wahrheit immer nur unterdrückt. Ich aber sage euch: Es war alles ganz anders.

Dem Buch ist zugute zu halten, dass Sand mit einigen populären Legenden aufräumt, die Fachhistoriker freilich ohnehin längst ad acta gelegt haben. Es ist an der Zeit, dass auch der Allgemeinheit zur Kenntnis gelangt, dass alle Gemeinschaften zu einem gewissen Grad imaginiert sind. Ebenso, dass die biblischen Erzählungen von den Erzvätern, vom Auszug aus Ägypten und der Landnahme in Kanaan just von der israelischen Archäologie als unhistorisch entlarvt wurden, die eigentlich angetreten war, sie zu beweisen. Oder die weithin ignorierte Tatsache, dass in der Spätantike vor dem Aufstieg des Christentums eine große Anzahl von Menschen zum Judentum konvertiert ist – was den Schluss zulässt, dass auch die heutigen Juden zum Teil auf Proselyten zurückgehen. Die wichtigste dieser Klarstellungen ist vielleicht, dass es eine umfassende, systematische „Vertreibung“ der Juden aus Palästina durch die Römer nie gegeben hat – dies ist vornehmlich ein antijüdisches christliches Interpretament, das die Verstoßung der Juden durch Gott untermauern sollte.

So weit, so akzeptabel. Jedoch sind diese Teile des Buches nicht frei von Ideologie: Das von Sand behauptete „Verschweigen“ besagter Fakten durch jüdische Historiker (Stilprobe: „Doch bekanntlich ignoriert die Historikerzunft einfach die Dinge, die ihr nicht in den Kram passen“, S. 276f.) ist unwahr, wie schon ein kurzer Blick in die Bibel der Mainstream-Judaistik, die Encyclopaedia Judaica, belegt.[1] Sie sind vielmehr unbestrittener Konsens. Eher schon lässt sich Sand Verschweigen vorwerfen: Die wirtschaftlich motivierte Emigration großer Teile der jüdischen Bevölkerung aus Palästina in andere Teile des Römischen Reichs in der Spätantike, durch Quellen gut belegt, kommt bei ihm nicht vor. Diese Emigranten gründeten Diasporagemeinden im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus (die älteste belegte Präsenz von Juden auf deutschem Boden datiert auf das Köln des 4. Jahrhunderts). Dass zu diesen Gemeinden auch Konvertiten gehörten, ist wahrscheinlich, widerspricht aber offenbar Sands extrem vereinfachendem Geschichtsbild. Er stellt der (nirgends seriös vertretenen) Vorstellung, „alle“ Juden seien biologisch verwandt, die Behauptung entgegen, dass die gesamte jüdische Präsenz außerhalb Palästinas bis auf unbedeutende Ausnahmen auf Konversion zurückgehe. Die einzigen „Original-Juden“ sind für ihn die heutigen Palästinenser, die er als zum Islam konvertierte Nachfahren der antiken jüdischen Bevölkerung betrachtet.

Je weiter die „Beweiskette“ chronologisch fortschreitet, desto absurder werden die Behauptungen. Um den Ursprung der osteuropäischen Juden zu erklären, greift Sand zu der Legende vom im Kaukasus gelegenen Chasarenreich. Die Existenz dieses Reichs und die Konversion des Königshauses sowie vermutlich einer kulturellen Elite zum Judentum um das Jahr 800 kann als belegt gelten. Dass aber mehr als ein kleiner Teil der osteuropäischen Juden auf die Chasaren zurückgeht, glaubt kein ernstzunehmender Historiker. Sands Argumentation kulminiert darin, die Migration großer Teile der deutschen Juden ins polnisch-litauische Großreich ab dem Hochmittelalter zu bestreiten. Diese Migration ist durch zahlreiche Quellen belegt, von Erlassen des polnischen Königs bis hin zu den mittelhochdeutschen Wurzeln der jiddischen Sprache. Wer sie bestreitet, stellt sich endgültig außerhalb des fachwissenschaftlichen Minimalkonsenses.

Am Beispiel der Palästinenser als Nachfahren konvertierter Juden lässt sich Sands unseriöse Argumentationsweise gut verdeutlichen: historische Quellen, so viel ist klar, gibt es nicht. Das Zeitalter der arabischen Eroberung liegt weitgehend im Dunkeln. Sand kann sich lediglich auf andere moderne Autoren berufen, und diese akzeptiert oder verwirft er je nach ideologischer Agenda. Kronzeuge ist für ihn vor allem der aus Russland stammende frühe Zionist Israel Belkind, der 1882 mit der Ersten Alija ins Land kam. Belkind, vielleicht ein origineller Kopf, aber kein Wissenschaftler, stellte die rein spekulative Behauptung auf, die im Land lebende arabische Bevölkerung sei „ein Teil unseres Volkes“ und „unser Fleisch und Blut“ (S. 278). Als Beweis diente ihm unter anderem die Beobachtung, „die besondere Mentalität“ der Araber „erinnere […] sehr an das Benehmen der hebräischen Erzväter“ (also der biblischen Gestalten Abraham, Isaak und Jakob).

Diese Ethnoromantik folgte, wie Shlomo Sand darlegt, einem klaren erkenntnisleitenden Interesse: in bester orientalistischer Tradition waren Belkind und andere zionistische Vordenker (der prominenteste war der junge David Ben Gurion) überzeugt, dass die angebliche Blutsverwandtschaft von Juden und palästinensischen Arabern „die Aufnahme der [zionistischen] Siedler durch die eingesessene Bevölkerung erleichtern würde. Da ihre Kultur auf einer niedrigeren Stufe stünde, würden die […] Fellachen sich schnell an die hebräischen kulturellen Gepflogenheiten gewöhnen und schließlich völlig in ihnen aufgehen“ (S. 279). Nachdem sich diese Erwartung als strategischer und grundsätzlicher Irrtum erwiesen hatte (die zionistische Besiedlung beschleunigte vielmehr die Entstehung eines modernen arabischen Nationalismus, der die Juden als „das Andere“ benutzt), wandten sich ihre Urheber von ihr ab. Nach den arabischen Aufständen in den 1920er-Jahren war von den Fellachen als den Abkömmlingen konvertierter antiker Juden keine Rede mehr. Die gesamte Diskussion entbehrt so, wie sie Sand selektiv darstellt, der empirischen Grundlage.

Dabei existieren einige ernstzunehmende Belege, die Sand heranziehen könnte. Sie kommen von einer ganz anderen Seite: der Populationsgenetik.[2] Tatsächlich gibt es signifikante genetische Gemeinsamkeiten von Palästinensern und Juden, die sie nicht mit anderen teilen. Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch jung und ihre Rezeption in der Allgemeinheit ist stark behindert durch die Tatsache, dass Naturwissenschaft auf populäre Darstellungen angewiesen ist, um Laien verständlich zu sein. Einiges ist dennoch „übersetzt“ worden.[3] Dass Sand diese Publikationen ignoriert, mag an einem prinzipiellen methodischen Problem liegen, das man als die Crux des gesamten cultural turn bezeichnen könnte: Was ist, wenn das hypostasierte kulturelle Konstrukt selber eines ist? Oder anders gefragt: Wie viel Respekt schuldet die Geschichts- der Naturwissenschaft?

Nach den bisherigen Ergebnissen der Populationsgenetik ist das „jüdische Volk“ womöglich tatsächlich mehr als nur ein kulturelles Konstrukt. Es gibt genetische Gemeinsamkeiten von jüdischen Populationen auf der ganzen Welt (aschkenasische und sefardische), die den vorsichtigen Schluss auf gemeinsame Vorfahren bis in die Zeit des Babylonischen Exils zulassen.[4] Es gab auch immer wieder genetische „Beimischungen“, die entweder durch Konversionen zum Judentum oder durch „Mischehen“ erklärlich sind. Es könnte möglicherweise sogar nachweisbare „chasarische“ Gene bei einigen osteuropäischen Juden geben.[5] Und es gibt eben Hinweise auf eine Verwandtschaft von Juden und Palästinensern.

Mit anderen Worten: Für Sands Behauptungen über die „wahren“ historischen Ursprünge sowohl des jüdischen (zum Judentum konvertierte Heiden) als auch des palästinensischen Volkes (zum Islam konvertierte Juden) gibt es naturwissenschaftliche Belege. Aber in seinem manichäischen Weltbild, in dem es entweder nur „reine“ Juden oder eben nur Konvertiten geben kann, ist für ein „Mischvolk“ kein Platz. Das ist umso unverständlicher, als Sands eingestandenes, wortreich dargelegtes erkenntnisleitendes Interesse, dass Israel sich nicht länger als eine ethnische, sondern als politische Nation aus gleichberechtigten Bürgern definieren soll, dass seine Existenzberechtigung einfach in seiner Existenz begründet ist und nicht in einer mythischen „Heimkehr“, zumindest der Rezensentin vollkommen einleuchtet. Aber wenn dieses respektable Ziel von solchen Publikationen gestützt wird, bleibt nur das bekannte Bonmot, dass, wer solche Freunde hat, keine Feinde braucht. "

Rezension


(Hervorh. von mir)
sibihans
schrieb am 28.12.2013, 16:59 Uhr
Israel muss sich seiner Geschichte stellen
Die Staatsgründung Israels 1948 fällt zusammen mit der Enteignung der Palästinenser. Solange Israel dies ignoriert, ist keine Lösung des Nahost-Konflikts möglich
Shimon
schrieb am 28.12.2013, 17:09 Uhr (am 28.12.2013, 17:11 Uhr geändert).
Gemäß UNO-Angaben flohen infolge des 1948er Unabhängigkeitskrieges 750.000 Araber aus dem Gebiet, auf dem der Staat Israel entstanden ist. Diese Araber wurden nicht von Israel vertrieben, Israels damalige Regierung unter David Ben-Gurion versuchte sogar, die Araber von ihrer Flucht aus Israel abzuhalten. Von Israels Angebot machten 160.000 Araber Gebrauch. Die anderen 750.000 flohen.

Jedoch nicht vor den Israelis, sondern vor den Bomben ihrer eigenen Brüder, denn die arabischen Kriegsherren hatten die Araber über Rundfunk und Flugblätter zur Flucht aufgerufen: „Im Namen Allahs des Allbarmherzigen! Unsere Brüder, verlasst für kurze Zeit eure Erde, denn unsere Bomben können nicht zwischen Juden und Arabern unterscheiden!“

So flohen die Araber nicht vor den Juden, sondern vor den Bomben ihrer Glaubensgenossen, die sich wegen ihrer Übermacht von 1:310 ihres Sieges über den gerade geborenen Judenstaat sicher waren. Das machte die Araber zu Flüchtlingen, die sich bis heute von der UNO und seinen 1700 Hilfswerken und den Spendernationen durchfüttern lassen.
Mynona
schrieb am 28.12.2013, 17:21 Uhr
Ein wie ich finde sehr gutes Interview mit Shlomo Sand:

Frankfurter Rundschau Shlomo Sand

@sibihans, die Siegermächte des 2-Weltkriegs haben den ersten jüdischen Staat der Geschichte geschaffen. Dafür können die heutigen Israelis rein gar nichts.
Mynona
schrieb am 28.12.2013, 17:32 Uhr
Der Satz "dass, wer solche Freunde hat, keine Feinde braucht. " sagt schon ziemlich alles zu der Rezension.

Bislang ist aber die Kritik in der Fachwelt sehr verhalten geblieben und beschränkte sich auf Details...
Johann
schrieb am 28.12.2013, 17:47 Uhr
"FR: Sie sagen, die Juden seien Nachkommen von Konvertiten insbesondere in Nordafrika und Osteuropa. Sind die hier lebenden Palästinenser im Grunde genommen die wahren Nachkommen der alten Juden?

Sand: Es gibt keine reinen Völker, es sind immer Mischungen. Aber ich bin überzeugt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Palästinenser aus Hebron ein Nachkomme eines alten Juden ist, grösser ist, als dass ich einer bin."

Luise Hirsch:

"Am Beispiel der Palästinenser als Nachfahren konvertierter Juden lässt sich Sands unseriöse Argumentationsweise gut verdeutlichen:

... Aber in seinem manichäischen Weltbild, in dem es entweder nur „reine“ Juden oder eben nur Konvertiten geben kann, ist für ein „Mischvolk“ kein Platz. "

Man muss kein Historiker sein, um zu erkennen, dass Frau Hirsch unseriös argumentiert!
Berndt1946
schrieb am 28.12.2013, 18:26 Uhr
Endlich mal ein interessanter Thread!

Für jmd. der an der Selbstdarstellung der Juden interessiert ist & rumänische lesen kann & mal nach Bukarest fährt:

Der jüdische Verlag Hasefer bringt recht viele & umfangreiche Bücher in rum. Sprache ( und jüdisch, sicherlich) heraus, bzgl. der Juden in RO, aber auch in der gz. Welt.

Auf den Buchmessen bekommt man diese Bücher sogar kostenlos- wohl eine Werbeaktion für die jüdischen Interessen.

Es gibt meines Wissens kaum ein Volk, das so kontrovers dargestellt, behandelt wird- und sich selbst ebenfalls stark kontrovers darstellt, wie die Juden.

Interessant und ähnlich kontrovers- aber bei weitem unbedeutender in der Welt - und Religionsgeschichte- und nicht gar so schillernd- sind die Armenier. Auch ein interessantes Völkchen!
bankban
schrieb am 28.12.2013, 18:28 Uhr (am 28.12.2013, 18:30 Uhr geändert).
@ Johann: Frau Hirsch hat das Buch von Sand rezensiert und nicht dessen Interview in der FR... (Oder hast du das Buch gelesen und kannst anhand von daraus genommenen Beispielen belegen, dass Frau Hirsch unseriös rezensiert?)
Reblaus
schrieb am 28.12.2013, 18:39 Uhr
Interessant ist wohl weniger, was wir denken, als was Fachleute über das Buch denken.
Sofern die "Fachleute" nicht voreingenommen sind.
_grumpes
schrieb am 28.12.2013, 18:51 Uhr (am 28.12.2013, 19:04 Uhr geändert).
Shlomo Sand löste mit seinen provokanten Behauptungen kontroverse Diskussionen aus.
Spätestens nach 1948 wurde es überhaupt schwierig, den Staat Israel und seine Politik gegebüber den Palästinensern zu kritisieren.
Selbst diejenigen, die mit den Palästinensern sympathisieren, ohne die Juden zu kritisieren, laufen Gefahr, das Etikett eines Antisemiten zu bekommen.
Ein schmaler Grat, ein heikles Thema, nach der Judenverfolgung durch die Nazis sowieso.

Was geschah aber vor 1948 ?

Woher kam dieser Antisemitismus und die
Judenfeindlichkeit über Jahrhunderte hinweg ?

P.S. Ich lese gerade, und versuche, zu verstehen.
Johann
schrieb am 28.12.2013, 19:02 Uhr
@ bankban

Ich habe das Buch nicht gelesen. Du kannst ja die Beweise, die Frau Hirsch nicht gebracht hat, nachliefern.
Ansonsten beteiligst Du dich an Rufschädigung.

Wenn man einen Historiker an der Tel Aviv Universität mit einem rassistischen Vorwurf (Reinheit von Völkern) konfrontiert und seine Fachkompetenz abspricht, dann sollte man schon wenigstens ein Zitat als Beweis anführen.


bankban
schrieb am 28.12.2013, 20:06 Uhr (am 28.12.2013, 20:13 Uhr geändert).
@ grumpes: "Spätestens nach 1948 wurde es überhaupt schwierig, den Staat Israel und seine Politik gegebüber den Palästinensern zu kritisieren."

Wieso? Für wen? ich glaube es nicht. Zumindest für Teile der 68er und bis hin zu der RAF war das gängige Praxis.

@ Johann: "Ich habe das Buch nicht gelesen. Du kannst ja die Beweise, die Frau Hirsch nicht gebracht hat, nachliefern.
Ansonsten beteiligst Du dich an Rufschädigung."

Du hast keine Stellung dazu genommen, dass du zwei Zitate aus zwei unterschiedlichen Quellen genommen und dich über deren Unvereinbarkeit gewundert hast. Hältst du das für methodisch sauberes Arbeiten?

Ich habe lediglich die Rezension von der Fr. H. hier gepostet und nachher auf deinen methodischen Fehler hingewiesen. In keinem meiner beiden Beiträge erkenne ich eine Rufschädigung Sands durch mich. Ob die Frau Hirsch das getan hat, weiß ich nicht, sie müsste sich selbst gegen den Vorwurf verteidigen.
Da ich aber das Buch in ca. 80 cm Reichweite habe, kann ich bei Gelegenheit auch gucken, ob ich ihrer Behauptung entsprechende oder sie widerlegende Aussagen in Sands Buch finde. Bitte dazu aber um etwas Zeit.
Mynona
schrieb am 28.12.2013, 21:35 Uhr (am 28.12.2013, 21:40 Uhr geändert).
@grumpes, ein gutes Buch zu der Zeit vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948."Es war einmal ein Palästina: Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels"von Tom Segev

btw. S. Sand steht mit seiner entmythologisierenden Kritik keineswegs allein da, sondern er hat eine ganze Reihe von Mitkämpfern unter den sogenannten Postzionisten, die genau so wie er entmythologisieren und entideologisieren: Politiker, Politologen, Publizisten, Soziologen, Orientalisten, Linguisten, Geographen und Literaturwissenschaftler. Um ein paar Namen zu nennen: Abraham Burg, Uri Avnery, Ilan Pappe, Simcha Flappan, Tom Segev, John Rose, Tanja Reinhard, Yeshajahu Leibowitz, Moshe Zuckermann, Idith Zertal, Ran HaCohen, Israel Finkelstein und Neil A. Silbermann. Diese bedeutenden Gelehrten und Intellektuellen stehen für so etwas wie eine "jüdische Aufklärung", ihre Liste ließe sich noch um viele Namen erweitern.

Shlomo Sands Frontalangriff auf die Mythen des Zionismus
Mynona
schrieb am 28.12.2013, 21:38 Uhr (am 28.12.2013, 21:41 Uhr geändert).
Die Rezension Z.B. von Klaus Bringmann liest sich etwas anders:

Ob es sich bei Shlomo Sand um einen Unglückspropheten handelt? Dem hier rezensierenden Althistoriker Klaus Bringmann möchte es so scheinen. Den Aufruhr, den dieses Buch bereits in Israel, Frankreich, Goßbritannien und den USA entfacht hat, erklärt Bringmann zum einen mit seiner politischen Stoßrichtung. Demnach propagiert Sand eine Einstaatenlösung für Israel - oder besser Palästina - und stellt, um der Exklusivität des jüdischen Staates die Grundlage zu entziehen, eben die Existenz eines einheitlichen jüdischen Volkes in Frage. Ein "Generalangriff auf das zionistische Nationalbewusstein". Zum anderen meint Bringmann, dass Sand einfach Recht hat. Der zionistische Nationalismus entspringe der gleichen historischen Epoche wie die europäischen Nationalismen und habe sich also auch in einer ähnlichen Mischung aus mythischen, historischen und biologistischen Motiven herausgebildet. Die Berufung auf die jüdischen Stammväter entspringe dem gleichen Muster wie deutschen Mythen um die Germania oder Hermann dem Cherusker. Plausibel findet Bringmann auch Sands These, dass die Mehrheit der osteuropäischen Juden ethnisch vom Turkvolk der Chasaren abstammt, die im achten Jahrhundert geschlossen zum Judentum übergetreten seien, weswegen er dem Buch bescheinigt, "radikal, kenntnisreich und mit großem Mut" geschrieben zu sein.

Buchbesprechung von Klaus Bringmann

bankban
schrieb am 28.12.2013, 22:23 Uhr
@ Mynona: die Frage ist aber, bei wem man in dieser Frage eine größere Fachkompetenz vermutet: dem Spezialisten der Alterums, dessen Hauptforschungsgebiet die römische Geschichte ist und der sich nur nebenbei mal mit der jüdischen Geschichte in der Antike befasst hat (=Bringmann) oder aber der Person, die von der Ausbildung her Spezialistin für (moderne) jüdische Geschichte ist (=Hirsch).

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