Kontinuitätstheorie versus Migrationstheorie

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alma again
schrieb am 13.12.2012, 23:25 Uhr (am 13.12.2012, 23:30 Uhr geändert).
@bankban:
Oder, wenn doch dann habt ihr eine verdammt gute Begründung.
Ich versuche es mal (ohne Smiley, denn der wäre fehl am Platz):

Zitat: "Ihr Autor berichtet über die Vergangenheit nach seinen eigenen Vorstellungen;" Zitat Ende

Woher weiß er das? Diese Aussage klingt allzu bekannt, aus einem anderen Fall: Der nicht enden wollende Fall der Hedvig Malina - hier auch noch das Foto dazu. Auch sie hat sich angeblich alles nur ausgedacht und sich auch noch selbst so zugerichtet.

Was ich damit meine, muss ich Ihnen nicht ausführlich erklären.
lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 00:29 Uhr
@alma again

Das war nun sehr "hilfreich" und "sachbezogen".
alma again
schrieb am 14.12.2012, 00:41 Uhr (am 14.12.2012, 00:43 Uhr geändert).
Genau, à la Miss Marple halt.
bankban
schrieb am 14.12.2012, 06:31 Uhr (am 14.12.2012, 06:52 Uhr geändert).
@ lucky: Die Arbeit Christian Schneiders ist letztlich nur eine Zusammenführung der unterschiedlichen Ergebnisse der Forschung aus dem Jahre 1985/86, also vor 25 Jahren. Seitdem sind - etwa von deutschen Althistorikern,und Romanisten - sehr Ernst zu nehmende Beiträge erschienen, in welchen die Kontinuität abgelehnt wird. Es sei hier nur auf die Arbeiten von Gottfried Schramm, Johann Kramer und Karl Strobel verwiesen. Nach meinem Eindruck wird in Westeuropa die Theorie der Kontinuität von den allermeisten thematisch versierten Forschern genauso abgelehnt wie die übrigen Kontinuitätstheorien sei es etwa der ungarischen-hunnischen Verbindung, der getisch-gotisch-gepidisch-sächsischen Kontinuität, der polnisch-sarmatischen usw. Das sind für das 19. Jahrhundert typische, romantische Vorstellungen, welchen zudem eine essentialistische Nationsauffassung eigen ist. Sie sind ahistorisch, politisch motiviert und unprofessionell.

P.s. Das Interessante -und bei Schramm sowie Strobel bibliografisch nachweisbar - ist, dass z.B. diese Beiden zuerst sehr wohl Anhänger der Kontinuitätsthese waren, sie von dieser aber abgerückt sind. Ist das wohl Zeichen eines geistigen Reifeprozesses, einer Erkenntniszunahme? Womöglich, ich weiss es nicht. Spannend ist es dennoch, etwa die Dissertation Strobels über die Dakerkriege Trajans (ca. 1982) neben seine Trajanbiographie (2010) zu legen oder neben seinen Artikel von 2007 über die Kontinuität. Und zu sehen, wie man von den eigenen, vormaligen Ansichten abrückt. Wie man frühere Ansicht lernt, kritischer zu betrachten. Und wie er das verbohrte Festhalten rumänischer Historiker an alten Dogmen kritisiert und für lächerlich findet.
Serban
schrieb am 14.12.2012, 10:40 Uhr
Servus,

Danke Bankban fuer die sachlichen Beitraege. Gibt es eine PDF zur Disertation auf dem Internet? Schramm habe ich schon gelesen.
Interessant: die rumaenischen Sprachforscher behaupten schon seit einiger Zeit, dass die rumaenische Sprache sich im Sueden der Donau entwickelt hat - irgendwo im Gebiet des heutigen Nis. Diese Theorie konnte leider nicht im Vordergrund der Debatte (sprich: der ofizielle Standpunkt und die populaere Meinung dazu) vorruecken.


Gruss,
Andrei

lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 11:15 Uhr (am 14.12.2012, 11:40 Uhr geändert).
@bankban
@serban

Interessant: die rumaenischen Sprachforscher behaupten schon seit einiger Zeit, dass die rumaenische Sprache sich im Sueden der Donau entwickelt hat - irgendwo im Gebiet des heutigen Nis. Diese Theorie konnte leider nicht im Vordergrund der Debatte (sprich: der ofizielle Standpunkt und die populaere Meinung dazu) vorruecken.

Mir scheint diese Vision realistischer:

Die „wandernde“ rumänische Urheimat

(...) Im Endergebnis lassen die albanischen Lehnwörter im rumänischen Norddialekt und die bulgarischen im Süddialekt darauf schließen, daß die Entwicklung der vlachisch-rumänischen Sprache und ihres Volkes in einem relativ großen Territorium im Laufe von Wanderungen und Rückwanderungen in mehreren Richtungen vor sich ging. Wenn sich von Kontinuität sprechen läßt, dann nicht von territorialer, sondern von Volkskontinuität, an der auch die Nachkommen der 271 aus Dacia an das Südufer der Donau verpflanzten römischen bzw. romanisierten Bevölkerung teilnahmen, die nach 600 von den Slawen weiter nach Süden verdrängt wurden. Die durch die Bulgaren nach 900 in verschiedene Richtungen zerstreute rumänische Bevölkerung sammelte sich infolge der veränderten politischen Verhältnisse von Zeit zu Zeit in anderen Gebieten. Zwischen 900 und 1000 mögen sie im gesamten sich von den Südkarpaten bis nach Thessalien erstreckenden bulgarischen Reich zu finden gewesen sein, einschließlich des Raumes zwischen Karpaten und unterer Donau, wo damals noch eine beträchtliche bulgarisch-slawische Bevölkerung lebte, wie die Flußnahmen Schil-Jil, Jijia, Ialomiţa, Dîmboviţa usw. sowie der der „Vlaška“-Gegend am Unterlauf des Argeş bezeugen. Der letztere verweist auf eine zwischen die slawische Umgebung eingekeilte rumänische Streubevölkerung. Vermutlich in dieser Umgebung gelangten die im rumänischen Süddialekt unbekannten bulgarisch-slawischen Ackerbau-Fachausdrücke in die nordrumänische Sprache, wie ogor = Brache, sădi = pflanzen, ovăz = Hafer, pleavă = Spreu, raliţă = Grabpflug sowie die Bestandteile des Schwerpfluges (plug): brăzdar = Pflugschar, grindei = Pflugbaum, cormană = Streichblech, plaz = Pflugsohle.

Im Jahre 1014 erreichte die byzantinische Eroberung die Donau, der selbständige bulgarische Staat hörte für fast zwei Jahrhunderte auf zu bestehen, und die bulgarisch-slawische Bevölkerung in der Ebene an der {185.} unteren Donau wurde isoliert. Eingezwängt zwischen der aus dem Norden von den Karpatenabhängen her kommenden rumänischen Hirtenbevölkerung und den von Süden her vordringenden Kumanen rumänisierte sie sich immer mehr. Dasselbe geschah mit den Slawen nördlich des Donaudeltas in der späteren südlichen Moldau. In den historischen Quellen werden dann diese unter kumanische Herrschaft geratenen früher bulgarischen Gebiete zwischen unterer Donau und Karpaten als Kumanenland (Cumania) erwähnt. Zwischen 1014 und 1185 lebten sämtliche balkanischen Rumänen im byzantinischen Reich und – wie gesehen – auch als Mitglieder seines Heeres, doch kam es nicht nur einmal zu Erhebungen aufgrund der harten Besteuerung. 1094 geleiteten rumänische Führer die ins Reich einbrechenden Kumanen über das Balkangebirge. Bereits damals führten sie die bulgarische slawische Kirchensprache in ihrer ursprünglich zuerst lateinischsprachigen Kirche ein und wurden dem Erzbistum Ochrida unterstellt, im 11. Jahrhundert erhielten sie ein eigenes Bistum mit Sitz in Vranje im Moravatal. 1185 standen die mit der byzantinischen Herrschaft unzufriedenen Bulgaren unter der Führung der beiden Rumänen Peter und Asen, die mit kumanischer Hilfe das sog. bulgaro-vlachische, das zweite Bulgarenreich gründeten, das schließlich durch die türkische Eroberung Ende des 14. Jahrhunderts vernichtet wurde. Das rumänische Element spielte bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts keine Rolle mehr darin, es verzog sich seit Ende des 12. Jahrhunderts in großen Massen ins politisch erstarkende Serbien, von wo es dann auch verschwindet, indem es aufgesogen wird oder abwandert. Auf dem Balkan verbleiben nach dem 15. Jahrhundert allein die Mazedorumänen und die von ihnen abgespalteten Meglenorumänen sowie ein nach Istrien gewanderter Rest von Vertretern des Norddialektes, während die Masse der Rumänen sich dann nördlich der Donau sammelt.

Eine derart bewegte Geschichte erlaubt es einfach nicht, die rumänische Urheimat, wie dies viele taten, in einem engeren Gebiet zu suchen, z. B. in dem Dreieck Niš-Skopje-Sofia. Schon der rumänische Linguist Sextil Puşcariu äußerte „nichts hindert uns daran zu glauben, daß in der Epoche der Herausbildung unserer Sprache die relativ spärliche Bevölkerung in einem ausgedehnten Gebiet auf primitiven Wegen über weite Entfernungen die sprachlichen Neuerungen weitergeben konnte“. In diesem Geiste vertrat der rumänische Sprachwissenschaftler Alexandru Niculescu die auch unserer Meinung nach zutreffende Ansicht, daß „sich die Rumänen mit charakteristischer Mobilität von der Donau gleicherweise nach Norden und Süden bewegten […] deshalb hatten Rumänen nicht eine einzige, sondern mehrere ,Wiegen‘, ,Urheimaten‘ in einem gewaltigen Gebiet fern voneinander […] Mittels häufig wiederholter Verschmelzung und Zerstreuung der Gemeinschaften aus dem Karpaten-Donau- und dem Donau-Balkan-Gebiet gelang es den Rumänen, einemobile Kontinuität zu schaffen.“* A. NICOLESCU, Romania antiqua, Romania nova et la continuité „mobile“ du Roumain. Quaderni di Filologia Romania … Bologna 6, 1987, 21–24. Ebd. auch das obige Puşcariu-Zitat. In diese „mobile Kontinuität“ muß die Geschichte der Siebenbürger Rumänen eingefügt werden.


Die "wandernde" rumänische Urheimat

Fazit der "ewigen" (und vielleicht auch schon leidigen) Debatte "Kontinuitätstheorie versus Migrationstheorie":

Nicht "Entwerer-Oder" sondern "Sowohl-Als auch".

Und das Stichwort heisst: "Mobile Kontinuität"
getkiss
schrieb am 14.12.2012, 11:31 Uhr
Kann es sein, dass mit der "Wandernden rumänischen Urheimat" die theoretische Grundlage für ein "noch größeres Großrumänien" gelegt werden soll, so nach dem Motto:
"De la Nistru pân-la Tisa, din Slovacia până-n Dardanele"?
lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 11:37 Uhr
@getkiss

Nicht Alle denken so machtpolitisch wie Du, getkiss.

Für mich ist es eher sowas wie ein historischer Krimi.

Ich betonte ja schon wiederholt, dass man m.E. aus diesen Dingen keine politischen Forderungen für unsere heutige Zeit ableiten kann. Von keiner Seite.

Die Spielregeln in Europa werden heute anders gemacht.

(Gott sei Dank!)
gehage
schrieb am 14.12.2012, 11:51 Uhr
hey leokes, ich dachte und denke du hast urlaub...hey, URLAUB!!!!!!!! da hat man, in der regel, was besseres vor als ellenlange berichte zu schreiben. zumindest in unseren breitengraden ist das so...

nichts für ungut...
Hermann_Gregor
schrieb am 14.12.2012, 12:01 Uhr (am 14.12.2012, 12:02 Uhr geändert).
hallo zusammen, zur "wandernden Urheimat" - es ist vollkommen richtig, die Rumänen sind eine recht neue Nation, ihre Vergangenheit ist eng mit "Wandern" verbunden.
Man muss nur einige ältere Rumänen ansprechen und fragen: "de unde iti sint parintii, dar bunicii?"
Das ist im Grunde recht einfach, und zwar beim "Autostop". Probier´s mal Lucky!
Anschließend die Ergebnisse auswerten und erst dann über die "Urheimat" fachsimpeln. However, aus Siebenbürgen stammen die Rumänen nicht!
lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 12:10 Uhr (am 14.12.2012, 12:12 Uhr geändert).
Hermann Gregor

However, aus Siebenbürgen stammen die Rumänen nicht!

Aus Siebenbürgen stammen nur die Siebenbürger Sachsen, nicht wahr?

Sie sind das einzige Volk (na ja, Völckchen), dass ganz eindeutig inSiebenbürgen entstanden ist.

Aus deutschen (und nicht nur) Zuwanderern aus ... man-weiss-nicht-genau-wieviel Gegenden.

Nur dumm, dass dieses Völkchen sich nach bald 900 Jahren seiner Geschichte selber aufgegeben hat, um im grossen "Muttervolk" zu verschmelzen. (Welch erhabene, völkische Vision!)
Hermann_Gregor
schrieb am 14.12.2012, 12:23 Uhr (am 14.12.2012, 12:38 Uhr geändert).
Hallo Lucky,
Thema ist doch die Kontinuitätstheorie, es gibt einfach keine Beweise, dass die "Rumänen" Siebenbürgen durchgehend besiedelt haben. Niemand hat sie je gesehen etc, etc..Einzige Referenz ist eine fragenwürdige Chronik in der sie als dritte (hinter Bulgaren etc) Volksgruppe genannt werden. Wo sind denn die Kirchen, die Bischhöfe?

Würden wir uns aber über die Vorzüge und "Eigenschaften" der jeweiligen Mutter-Völker auslassen, sähe es für dich recht schlecht aus.
Nichts für ungut..
lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 12:37 Uhr
Hermann Gregor

Meine Mutter ist Siebenbürger Sächsin.

Mein Vater Banater Schwabe.

Das gemeinsame Muttervolk dieser Beiden ist das deutsche.

Wie sieht es denn bei Dir aus?

P.S. Oder solltest Du nicht wissen, was Muttervolk bedeutet?
ZitatBox
schrieb am 14.12.2012, 12:46 Uhr
Niemand hat sie je gesehen etc, etc..


Im Jahr 1224 stellte der ungarische König András (dt. Andreas) II. den sogenannten „Goldenen Freibrief der Siebenbürger Sachsen“ (auch „Privilegium Andreanum“ genannt) aus.

"Außer dem Obengenannten haben wir ihnen noch den Wald der Wlachen und Bissener mit den
Gewässern zu gemeinschaftlichem Gebrauch mit den vorhergenannten Wlachen und Bissenern nämlich verliehen, damit sie der obigen Freiheit sich erfreuend niemandem hiervon zu Dienstleistungen verpflichtet seien."


http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Privilegium_Andreanum
lucky_271065
schrieb am 14.12.2012, 12:55 Uhr
@Hermann Gregor

Thema ist doch die Kontinuitätstheorie, es gibt einfach keine Beweise, dass die "Rumänen" Siebenbürgen durchgehend besiedelt haben. Niemand hat sie je gesehen etc

Es ist historisch eindeutig belegt, dass es Rumänen in Siebenbürgen gab, bevor die Vorfahren der Siebenbürger Sachsen eingewandert sind.

Insofern haben unsere Vorfahren die ganzen Jahrhunderte hindurch sehr wohl die Rumänen gesehen und es gab auch einen regen Austausch (zumindest ist das in der Chronik der Stadt Hermannstadt schon recht früh festgehalten).

Was vor der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen war, ist ja nicht unbedingt "unser Bier", Hermmann Gregor.

Es sei denn, wir sind sowas wie Hobby-Historiker, die sich speziell für Völkerwanderungszeit und Frühes Mittelalter interessieren.

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