Herta Müller . Ehrung

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seberg
schrieb am 04.11.2009, 11:30 Uhr
Ähnlich wie bankban es bezüglich Ungarn korrigierend tut, könnte man als einen eindringlichen Versuch von Aufarbeitung sb.-sächsischer Verstrickung in die Judenvernichtung zumindest Dieter Schlesaks „Capesius, der Auschwitzapotheker“ werten.
Administrator
schrieb am 04.11.2009, 15:21 Uhr
Hinweis:

Armin Maurer wurde das Schreibrecht in unsrem Forum nicht entzogen, weil er unbequeme Fragen gestellt hätte, sondern weil er wiederholt Verleumdungen und Unterstellungen geäußert und somit gegen die Forenregeln verstoßen hat.
Ihm wurden zudem rechtliche Schritte in Aussicht gestellt, sollte er - auch unter anderem Namen - wieder auf www.siebenbuerger.de aktiv werden.
schully
schrieb am 04.11.2009, 17:59 Uhr
zitat: "..Niemals sei die Geschichte der Judenverfolgung in Rumänien aufgearbeitet worden.."
zumindest hat es unter der regierung Băsescu ein schuldeingeständnis gegeben. auch wurde unter der schirmherrschaft von staatspräsident Băsescu am 8.10. in Bukarest die gedenkstätte für die opfer des Holocaust in Rumänien eingeweiht.
die gedenkstätte entwarf Peter Jacobi, der einen international ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte.
leider ging die meldung über dieses ereignis im trubel der Nobelpreisverleihung unter, wie auch Jacobi selbst beklagte.
servus
Christian Schoger (Moderator)
schrieb am 04.11.2009, 19:46 Uhr
@schully
Die Leserschaft der Siebenbürgischen Zeitung ist jedenfalls mehrfach und eingehend informiert worden, wie die folgenden Artikel (in chronologischer Reihenfolge) belegen:

"Holocaust-Denkmal in Bukarest"
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/rumaenien/5664-holocaust_denkmal-in-bukarest.html

"Grundsteinlegung für Holocaust-Mahnmal"
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/rumaenien/5812-grundsteinlegung-fuer-holocaust_mahnmal.html

"Mahnmal zum Gedenken an rumänischen Holocaust eröffnet"
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/9376-mahnmal-zum-gedenken-an-rumaenischen.html

"Das Holocaust-Mahnmal: Eine künstlerische Würdigung"
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/9377-das-holocaust_mahnmal-eine.html


Georg Schnell
schrieb am 05.11.2009, 02:52 Uhr
Über den Sinn eines Mahnmals in Bukarest sind nicht alle gleicher Meinung, siehe folgenden Link:

justitiarul.ro/remember/263-8-i-9-octombrie-zile-cernite-pentru-romania.html
seberg
schrieb am 05.11.2009, 15:42 Uhr (am 05.11.2009, 15:46 Uhr geändert).
In einer interessanten Reaktion aus Rumänien (in der heutigen Romania Libera) wird die Verleihung des Nobel-Preises an HM in erster Linie auf deren moralische Haltung zurückgeführt noch vor der ästhetischen Qualität ihres Werkes.
Während die meisten bekannten männlichen Intellektuellen in Rumänien wie z.B. Plesu, Patapievici, Cartarescu und C. Teodorescu sich zwar ebenfalls positiv zur Ehrung äußern, sich aber doch, wie ich finde, eher unbeholfen und schwer tun mit der Kommentierung und überhaupt mit ihrem Zugang zu Herta Müller und ihrem Werk, bezieht die von mir sehr geschätze Alina Mungiu-Pippidi in ihrer unverwechselbaren klaren Sprache eindeutig Stellung:

Sie hebt die Bedeutung der Athentizität (Wahrhaftigkeit) einer besonderen Lebenserfahrung hervor, aus der heraus nobelpreiswürdige Literatur entstehe. Belohnt werde der Mut des eigenen Weges eines widerständigen Genius’, der verfolgt, isoliert und vertrieben wird. Dafür stehe jene H.Müller, die sich zuerst mit allen ihren Schwaben angelegt habe, indem sie sie der Duldung des Natinalsozialismus verdächtigte, und dann mit allen Rumänen, in denen sie Kollaborateure des Kommunismus sah.

Im scharfen Kontrast zu anderen dortigen Prominenten, die mit ihren öffentlichen Äußerungen es aller Welt recht machen wollten, verhalte sich Herta Müller genau andersrum: auf höcht unbequeme Art verzeihe und vergesse sie nichts:

„…wie sie (HM) richtig bemerkt, gäbe es jenen nichts zu verzeihen, die Übles getan haben und noch heute davon profitierten“ ... „Herta Müller – eine Frau, Minderheitenangehörige und unerbittlich hart – gehört zum Besten, was im postkommunistischen Europa gefunden werden konnte, das (Nobelpreis-)Komitee hat uns mit dieser Wahl vermittelt, was bei uns von Wert ist: moralische Unbeugsamkeit und protestantische Werte, und sei es selbst bei Atheisten“.

Das Gewicht, was A.Mungie-Pippidi auf den moralischen Aspekt des HM-Werkes legt widerspricht eigentlich meinem eigenen, eher ästetisch motivierten Zugang zu Literatur. Gerade deswegen aber finde ich diese Stimme aus Rumänien so wichtig und aufschlussreich, sowohl was die Wahl des Nobelpreiskommitees betrifft (dem all zu schnell "politische" Motivation unterstellt wird), ganz aktuell aber auch was die kritischen Äußerungen HM’s zu der evangelischen Kirche angeht.
bankban
schrieb am 05.11.2009, 16:15 Uhr
Sehr schöner Beitrag, seberg, vielen Dank. Nur an einer Aussage ist mein Auge hängen geblieben, an dem Zitat "das (Nobelpreis-)Komitee hat uns mit dieser Wahl vermittelt, was bei uns von Wert ist:". Diese Aussage erscheint mir nämlich doch recht apodiktisch und ich frage mich, ob anstatt von "ist" nicht besser "sein sollte" stehen müsste... Denn, wenn das, was HMs Literatur verkörpert bzw. wofür sie steht, tatsächlich ein vorhandener und existenter Wert wäre, könnte man ja auch ihre Literatur bzw. ihre moralische Haltung nicht als etwas Herausragendes und Besonderes bemerken bzw. nicht für preiswürdig befinden. Sie konnte und musste ja aber gerade deshalb geehrt werden (auch mit dem Werfel-Preis), weil ja ihre Haltung ansonsten so selten zu finden ist. Daher müsste also im Zitat stehen: "Wert sein sollte". Oder liege ich damit falsch?
seberg
schrieb am 05.11.2009, 16:39 Uhr
Das ist schon richtig überlegt, bankban. Vielleicht liegt es an meiner Übersetzung, vielleicht aber muss man auch den rumänischen Originaltext erst "übersetzen", dass heißt, ihn so verstehen, wie er von A.M-P. gemeint ist und dann kommt er deiner Einschätzung nahe:

Herta – femeie, minoritara si apriga – era ce se putea gasi mai bun din Europa postcomunista, iar juriul ne-a transmis prin asta ce e de valoare la noi: rezistenta morala si intransigenta, valorile protestante, fie si la atei.

"ce e de valoare la noi" kann dann vielleicht heißen: was wir für wertvoll erachten, bzw. was uns als wertvoll(sten) gilt. Als o eher im ideelen Sinne. Dazu würde dann auch passen, dass der ganze übrige Artikel von der Mungiu-Pippidi eine gnadenlase Abrechnung mit dem amoralischen Sumpf in der gegenwärtigen rumän. Gesellschaft darstellt, gerade auch was die Aufarbeitung der kom. Vergangenheit angeht. Das eine Herta Müller da hervorsticht, kann man sich gut vorstellen.
NiciP
schrieb am 05.11.2009, 18:46 Uhr
Die meisten in die Sowjetunion in Arbeitslager deportierten rumäniendeutschen Menschen waren Frauen und Jungen (wie das auch im Roman "Atemschaukel" zu erlesen ist). Die rumäniendeutschen Männer mittleren Alters waren ja zum Großteil ohnehin inzwischen in Kriegsgefangenenlagern. Thema ist auch Kolletivschuld, die ich persönlich nicht gut heissen kann. Teil meiner Familie waren Kommunisten, die sich aber dem kommunistischen Regime enttäuscht abgewandt haben. Das Resultat des 2. Weltkrieges mussten auch sie tragen, von Differenzierung konnte keine Rede mehr sein. Ausserdem wurden die Rumäniendeutschen ausgesondert, während andere Bevölkerungsteile, die zum Teil ebenso Verstrickungen anheim fielen, diesem Prozess (Gott sei dank) nicht kollektiv ausgeliefert wurden. Dass in Ungarn und Rumänien ein gewisser Teil der Bevölkerung gegen die Sowjetunion kämpfte und es gewisse Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus gibt, hat viel auch mit den offiziellen Linien dieser Länder für einige Jahre als Kollaborations-Staaten mit Nazi Deutschland zu tun.
getkiss
schrieb am 07.11.2009, 18:20 Uhr
Wieso kommentiert hier niemand die Anschuldigungen Herta Müllers an die evangelische Kirche?
Habt ihr Angst vor der Inquisition, oder dem Papst?
sächsin
schrieb am 07.11.2009, 20:07 Uhr
aber lieber getkiss - ich rede mir doch die ganze zeit schon den mund fusselig, lavinia ebenso, aber ich scheine nicht auf dem technisch laufenden zu sein, schreibe kommentare und die erscheinen dann in der online-zeitung unten links, wäre doch auch praktisch, gleich hier mit und extra für sie zu erscheinen?
liebe grüße, ich ahne verbundenheit, ohne verbandelt zu sein mit ihnen.
die sächsin
lori
schrieb am 07.11.2009, 22:00 Uhr
Hallo Allerseits,

Kollege Getkiss

ich gehe davon aus, dass einige Beteiligte an Gedächtnisschwund leiden(werden)! Anderseits bedient sich HM. genau derselben Methode(Tonband, vielleicht auch eine Fälschung!)derer sich der Apparat bedient, den sie bekämpft!Und sie hätte sich auch einen anderen Zeitpunkt bzw.Ort aussuchen können. Wie ich schon des öfteren sagte, es ist oft- freundlich ausgedrückt- seltsam, wenn Schriftsteller in der Öffentlichkeit(Stichwort Interwiew) sich politisch äussern. Kritik müssen sie sich, trotz zahlreicher Preise, gefallen lassen!

Gruss
Lori
sächsin
schrieb am 07.11.2009, 22:04 Uhr
lori, sie sprechen mir aus dem herzen.
sowohl vorhin an lavinia gerichtet bzw. an mich als auch jetzt.
danke.
Lavinia
schrieb am 08.11.2009, 00:07 Uhr
www.zeit.de/2009/43/Reportage-Herta-Mueller?page=1

Eine sehr interessante Neuerscheinung:

Die Nacht ist aus Tinte gemacht
Herta Müller erzählt ihre Kindheit im Banat

Produktion: supposé 2009

2 Audio-CDs, 116 Minuten
Posterbooklet, 12 Seiten
ISBN 978-3-932513-88-6
Euro 24,80



getkiss
schrieb am 08.11.2009, 09:02 Uhr
Zitat (von irgendwo):
"Den Lebenden werden umfassende Rechte zugestanden, auch wenn sie in kaum einem Staat tatsächlich garantiert sind, den Toten aber wird nichts gewährt, weder ein Anspruch auf Gehör noch ein Recht auf Teilhabe am Fortleben. Sie haben kein Recht darauf, dass ihr Leid oder ihr Wirken nicht in Vergessenheit gerät. (…) Bis jemand wie Herta Müller daherkommt, eine, die sich unbeugsam die Aufgabe gestellt hat, die Verstummten zum Wort zu erwecken.“

Da eröffnet sich ein "aha-erlebnis":
Da wird auf einer Preisverleihung für Menschenrechte dem evangelischen Kirchentag vom gepreisten vorgeworfen, auf ein Gespräch irgendeines Bischofs zu hören, der seine Meinung kund tut:
"wenn die zwei, dem hiesigen Regime feindlich gesinnten Autoren, nicht ausgeladen werden, dann werden die Beziehungen zwischen unseren Kirchen darunter leiden", oder so ähnlich.
Das Gespräch soll auf einem Tonbandmittschnitt zu hören? oder zu lesen? sein und sogar vom inzwischen toten Bischof Klein "gezeichnet sein".
Mal abgesehen davon, dass das vom Bischof zitierte eine dubiose Herkunft (möglicherweise von der Werbeabteilung einer bestimmten Organisation) hat, ist der Vorgang typisch für das, was man gemäß des Zitats nicht machen sollte:

"den Toten aber wird nichts gewährt, weder ein Anspruch auf Gehör noch ein Recht auf Teilhabe am Fortleben"

Genau das machte Herta Müller, mal vom pietätslosen abgesehen: Sie lässt das Wort des Bischofs "erklingen", ohne dass der Anspruch auf Gehör und erwidern hat. Er kann es, 2 Jahrzehnten nach seinem Tod, nicht.

Sie kommt daher, ewig unverstanden und beleidigt.
Ohne zu beachten, ob der Bischoff aus eigenem Antrieb oder gezwungen etwas schrieb oder gesprochen hat.
Den es stimmt schon, wenn eine Organisation, kirchlich oder nicht, irgend eine Diktatur in irgend einer Weise anprangert, dann wehrt sich diese Diktatur mit diktatorischen Methoden.

Dazu gehört, die Verbindungen zu kappen. Etwas alltägliches in der Diktatur. Herta Müller beschreibt es selbst und die Autoren aus Ihrer Gruppe auch. Das ging bis zum Auffangen und zurückhalten privater Briefe und war uns bekannt.

Wenn der Bischof einer Tochterkirche dem Bischof der "Mutterkirche" das mitteilt, ist das im Interesse seiner "Schäflein" und seiner Kirche.

Denn in der damaligen Zeit hatten Gibson, Müller, Wagner und andere gerade so viele Menschenrechte, wie wir alle: Keine.
Und müssen jetzt nicht herumgackern "seht mal was MIR angetan wurde".

Große Sache. Ein Katholik, von dem man gar nicht weiss ob er das ist, den er war ja als Kommunist auch Atheist (in d. Fall Wagner), wird vom ev. Kirchentag nicht zu Wort gelassen, mit eben dieser Begründung.

Was waren denn vor 20 Jahren im kirchlichen Leben die 2 Autoren für große Lichtlein?
Die Funzel, die vor dem Altar das ewige Licht symbolisiert, wäre beleidigt gewesen.
Und wäre es auch heute noch, Angesicht der dauernden Geschmacklosigkeiten von Herta Müller, Nobel-Preis hin oder her.

Ich aber, habe als Katholik, noch vor meiner Ausreise 1986, mit meiner evangelischen Frau, dem Wort des damals schon kranken Bischofs Klein in Kronstadt zugehört und habe verstanden:
Er stand für seinen Glauben und seine Kirche mit Wort und Tat. Den Umständen angemessen.

Herta Müller stand damals zu Ihrem Werk: Niederungen.

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