Herta Müller . Ehrung

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getkiss
schrieb am 08.11.2009, 09:10 Uhr
@sächsin:
Selbstverständlich habe ich die Kommentare gelesen.
Aber eben darum meinte ich: bitte hierher, denn Ehre wem Ehre gebührt, von allen Seiten.

Und die späte Fortsetzung heute Morgen gelesen.
Da eröffnete sich mir die Erkenntniss. Ich habe richtig gehandelt, nicht mit Anonymen Privatkorrespondenz zu betreiben. Manche wissen nicht zu unterscheiden: Privat ist privat...
bankban
schrieb am 08.11.2009, 09:19 Uhr
"Ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte"
(M. Liebermann) ---
Schreiber
schrieb am 08.11.2009, 11:45 Uhr
dem schließe ich mich an.

Hat Müller es wirklich immer wieder nötig, unnötige und auf unseriöse (angebliche) Quellen gestützte Kritik (ein Gesprächsmitschnitt, angeblich auf Tonband, der unterschrieben (??) sein soll...) vergangenheitsbezogen zu äussern, deren Aktualitätsbezug alleine die eigene Egozentrik zu sein scheint?

Ich hatte gehofft, dass sie durch die Adelung via Nobelpreis etwas sachlicher und zukuftsbezogener wird und eigene Traumata anders überwindet als durch solche Aktionen.

Man könnte fast bedauern, dass das wunderbare Werk Atemschaukel gerade von ihr geschrieben werden musste... Ein weniger zerissener und nicht so vergangenheitsverhafteter Autor wäre mir vielleicht lieber gewesen und hätte in der Bewältigung des Themas gerade mit dem Antrieb des Nobelpreises das eigene Schicksal nicht so ausgeprägt als Handicap gehabt sondern besser als Katalysator zu nutzen vermocht.

Grüße
Adine
schrieb am 08.11.2009, 12:02 Uhr
Ist Herta Müller auch privat so zerrissen und in der Vergangenheit steckengeblieben, wie es ihr Werk uns weismachen will?
Wohl kaum.
Aber es gibt anscheinend Leser, die brauchen diesen Glauben,
Herta Müller sei genauso, wie es ihre Bücher uns verkaufen.
Kein Autor ist privat so, wie er durch sein Werk rüberkommt.
seberg
schrieb am 08.11.2009, 13:45 Uhr
Nachdem wir ja nun wissen, welch fieser Charakter und kranke Seele Herta Müller auszeichnet, schlage ich vor, uns eine Herta Müller nach eigenem Gusto zu basteln: ausgewogen, sachlich, zukunftsorientiert, ein von Traumatas und Hanycaps gesäubertes Schicksal und somit seelisch gesund und harmonisch, freundlich und offen unserer schönen Welt zugewandt. Und schön wäre natürlich, wenn sie durch ihre Taten, literarisch und politisch, weniger egozentrisch rüberkäme, mithin ihre öffentlichen Äußerungen zu gesellschaftlichen und politischen Themen weniger unangenehm auffallen würden, und vielleicht ist es ja auch möglich, an einigen hässlichen Stellen ihres literarischen Werk noch etwas zu polieren, an den „Niederungen“ natürlich, aber auch in ihrem ansonsten natürlich ganz wundebaren Werk „Atemschaukel“, z.B. an der Stelle, wo die deportierten sb.Sachsen unterwegs ins Lager nachts aus den Viehwaggons klettern, um bei Mondschein und klirrender Kälte auf flachem Feld sich zum gemeinsamen Scheißen zu versammeln. Das muss doch wirklich nicht sein, oder? Was ist das bloß für ein Mensch, diese Herta Müller!?
Adine
schrieb am 08.11.2009, 14:21 Uhr
Man muß nichts an den Werken von Herta Müller polieren ( oder hat hier jemand das Buch "Niederungen" mißverstanden? ),
man sollte als begeisterter Leser ihrer Bücher nicht gleich übertreiben und Herta Müller zur Heiligen stempeln.
Sie ist übrigens auch nicht krank, wie sie selbst erklärt hat.
bankban
schrieb am 08.11.2009, 14:22 Uhr (am 08.11.2009, 14:22 Uhr geändert).
Seberg, was Sie noch vergessen haben: eine Lügnerin, Verleumderin, falsche Dissidentin soll sie auch noch sein, gell? Und wenn Sie nicht glauben, suchen Sie doch Rat und Aufklärung in einem Ethikinstitut in einem der schönen Badeorte der Bundesrepublik...:)
Lavinia
schrieb am 08.11.2009, 23:15 Uhr (am 08.11.2009, 23:21 Uhr geändert).
1989 wurde Herta Müller und Richard Wagner zum Kirchentag eingeladen, um über die Situation in Rumänien zu berichten. Als Zeitzeugin, vertraut mit den Internas und als heftige Kritikerin des dortigen Regimes, dürfte sich Herta Müller zu der Zeit regen Interesses seitens der Öffentlichkeit erfreut haben. Umso verwunderlicher, dass der Kirchentag sie unter einer fadenscheinigen Begründung auslädt. Verwunderlich auch, dass gerade jene, die Frau Müller vehement die Dissidenz absprechen, nicht erkennen, dass HM erstens Wert darauf legte, Zeugnis abzulegen gegen das Ceausescu-Regime und zweitens, dass ihr der Mund verboten wurde, durch die Ausladung. Und dass Dissidenten ohne Öffentlichkeit...
Der Kirchentagsprecher formuliert seine Stellungsnahme so vorsichtig ("nach derzeitigem Kenntnisstand...sehr unwahrscheinlich" - was soll er denn auch sonst sagen?) und räumt gleichzeitig Druck ein. Vom rumänischen Botschafter auf den Staatsminister im Auswärtigen Amt. Sonst sind die Erinnerungen mangelhaft und die Formulierung "das Gespräch habe stattgefunden" (nicht in der Möglichkeitsform!) und Heubach sei "nicht direkt" an der Planung des Kirchentages beteiligt gewesen,läßt eine Menge Spielraum für Interpretationen zu. Christoph Klein war "nicht erreichbar" (wie lange noch?) und man will sich drum kümmern.
Dass einige der involvierten Personen verstorben sind, ist für ihre Angehörigen zwar tragisch, für die Sache an sich weitaus weniger, denn, erstens haben sie in ihrer "Funktion", nicht im Herrenclub, weitreichende Entscheidungen getroffen, die sie auch zu verantworten hatten und zweitens gibt es Spuren ihrer Handlungen. Beispielsweise Protokolle von Telefongesprächen.
Warum wird die Anklage von Mißständen innerhalb der Kirche, die vor 20 Jahren stattfanden (mit Argumenten wie Versterben, ewiges Stochern in der Vergangenheit, nicht 'abgesichertes' Quellenmaterial) abgelehnt? Von den gleichen Menschen, welche die Darstellung der Deportation, die 50 Jahre zurückliegt, gutheißen? Warum wird ihr Aufbegehren gegen den kommunistischen Staat gutgeheißen, ihre Kritik der Diktatur des Dorfes heftigst abgelehnt?
Georg Schnell
schrieb am 09.11.2009, 07:36 Uhr
Wie kommt HM zu Mitschnitten solcher Telefonaten?
Läßt da etwa die "Securitate" grüßen?
Mal so in den Wind gefragt.
Michael_Sibiu
schrieb am 09.11.2009, 10:52 Uhr (am 09.11.2009, 10:52 Uhr geändert).
Hallo Herr Schnell,

in einer anderen Zeitung habe ich gelesen, sie habe den Mitschnitt in Ihrem Brifkasten gefunden.

Börsenblatt

"Die Hintergründe kennt sie erst seit wenigen Tagen: In ihrem Briefkasten habe sie ein Tonband gefunden, ohne Absender, erzählte Müller - den Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen zwei Geistlichen aus dem Jahr 1989, zwischen Albert Klein (Evangelische Kirche A.B. in Rumänien) und Joachim Heubach (Evangelische Kirche in Deutschland). Sie hat das Gespräch niedergeschrieben und las dieses Protokoll heute in der Paulskirche vor – in kompletter Länge, mit einem Zittern in der Stimme. Entweder oder, soll Klein gedroht haben. Würden Müller und Wagner zu Wort kommen, müsse er seinen Besuch in Berlin absagen..."

Soviel dazu.
getkiss
schrieb am 09.11.2009, 13:49 Uhr
@Lavinia:"Warum wird die Anklage von Mißständen innerhalb der Kirche, die vor 20 Jahren stattfanden (mit Argumenten wie Versterben, ewiges Stochern in der Vergangenheit, nicht 'abgesichertes' Quellenmaterial) abgelehnt?"
1. Weil die Mißstände in der evangelischen Kirche eine Angelegenheit der evangelischen Christen ist und Frau Müller überhaupt nichts angeht. Und weil ein Briefwechsel innerhalb der Kirche ebenfalls interna ist.
2. Weil nach 20 Jahren dies längst verjährt wäre, wenn es denn überhaupt ein Verbrechen wäre, was man von einem Briefwechsel oder Telefongespräch schon gar nicht behaupten kann.
Wieso wird das erst jetzt aufgewärmt, hat Frau Müller erst jetzt erfahren dass Sie ausgeladen wurde?
3. Weil die Fragen von Frau Müller die selbe fragwürdige Grundlage haben wie die Fragen von Gibson an Frau Müller - wie es z. Bsp. Lavinia @ Co. behaupten.
4. Weil es reine Effekthascherei ist. Es scheint so, Frau Müller gehen langsam die "kritischen Argumente" á la Zeit aus...
Lavinia
schrieb am 09.11.2009, 16:55 Uhr
Die politischen Koordinaten, die Herta Müller bestimmen und zwischen denen sie sich bewegt, sind einerseits die NS-Zeit, die sie insbesondere über die Zugehörigkeit ihres Vaters zur SS erlebt und die Ceausescu-Ära, in der sie aufwuchs.
Ich hätte auf die Suche nach dieser Unschuld gehen können, aber sie hätte nichts genützt. Denn gezeugt worden war ich nach dem Zweiten Weltkrieg von einem heimkehrenden SS-Soldaten. Und hineingeboren worden war ich in den Stalinismus.“(Rede, Kleist-Preis, 1994)
Disparat voneinander werden die beiden großen ‚Schatten‘ jedoch nicht wahrgenommen, im Gegenteil: die NS-Familiengeschichte gewinnt im politischen Kontext der kommunistischen Diktatur eine neue Resonanz.
Über den alkoholkranken, jähzornigen, brutalen Vater äußert sie sich so gut wie nie positiv, obwohl sie seinen Tod, auf dem Hintergrund ihres aus den Fugen geratenen Lebens als Antrieb für’s Schreiben angibt. Über ihren Vater scheint mit dem Satz schon alles gesagt: „Er ist in der SS gewesen, nach dem Krieg ins Dorf zurückgekehrt, hat geheiratet und mich gezeugt. Der Tod meines Vaters war der Tod einer Krankheit.“
Oder an einer anderen Stelle (In der Falle): "Mir stand auch mein SS-Vater im Schädel. Und die vielen Deutschen, die fünfzig Jahre nach Kriegsende immer noch von ihrer Niederlage redeten.“ Und ebenda: „…für mich das erste Beispiel von einem zuerst ahnungslos und später dumpf und gleichgültig (…)mitschuldig gewordenen Menschen.“
Über ihn sagt sie, dass er gerne LKW-Fahrer war, weil er dadurch der Feldarbeit und dem Dorf entfliehen konnte. (Hörbuch)
In den frühen Erinnerungen an ihn „überlappt‘ Vergangenes die Gegenwart: „ Mein Vater hatte im Krieg soviel gesungen, wie er geschossen hatte. Wenn die heimkehrenden SS-Soldaten, wie er, betrunken waren, sangen sie ihre stampfenden, draufgängerischen Lieder, die sie damals um ihr Leben gesungen hatten. Die zerfallene „Kameradschaft“ war wieder da. Sie warfen sich in den Rausch einer derben Gemeinsamkeit. Die damit verbundenen Verbrechen blendeten sie aus,“(In der Falle)
Es gibt viele Stellen, in denen das Ineinanderfließen der beiden „Schatten“ in eine Metapher münden. Beispielsweise bezeichnet die Metapher „Friedhöfe machen“ sowohl die Tätigkeit des Diktators als auch die des Vaters als SS-Soldat.
„ Er hatte Friedhöfe gemacht und machte der Frau schnell ein Kind. Die Friedhöfe hält der Vater unten im Hals.(…). So können die Friedhöfe nie hinauf über seine Lippen gehen. Sein Mund trinkt Schnaps aus den dunkelsten Pflaumen, und seine Lieder sind schwer und besoffen für den Führer.“ (Herztier)
Auch der Tode des Vaters weist über seine SS-Vergangenheit in die Ceausescu-Diktatur hinein: „ Seine Leber ist vom Saufen so groß wie die einer gestopften Gans, hatte der Arzt gesagt.(…) Ich sagte: Seine Leber ist so groß, wie die Lieder für den Führer. Der Arzt legte den Zeigefinger auf den Mund. Er dachte an Lieder für den Diktator, ich aber meinte den Führer. Mit dem Finger auf dem Mund sagte er: Ein hoffnungsloser Fall. Er meinte den Vater, ich aber dachte an den Diktator.“ (Herztier)
Es ist anzunehmen, dass vielleicht Oskar Pastior, durch die Freundschaft und Vertrautheit die sie verband, eine Art Vaterfigur für sie darstellte.

sächsin
schrieb am 09.11.2009, 18:23 Uhr
uff, ächz, schnauf, ooooooooooooooooch - schlimmer als die je gehaltene allerlangweiligste vorlesung zum thema: zur kunst des wiederkäuens am beispiel eines anonymen fisches im anonymen aquarium vor einem anonymen kater auf beobachtungsposten.
oder - auch ein mögliches thema:
wie schrecke ich am einfachsten meine "gesprächsgenossen" ab? antwort: indem ich in meinem aquarium endlose kreise ziehe um mich selbst und die anderen langweile.
NiciP
schrieb am 09.11.2009, 19:26 Uhr (am 09.11.2009, 19:39 Uhr geändert).
Was ich sehr schätze ist, dass Herta Müller das Thema Kollektivschuld aufgreift. Sie macht in ihrem Roman "Atemschaukel" deutlich wie Menschen (in diesem Fall Frauen, Mädchen und Jungen) im Namen der Kollektivschuld missbraucht werden konnten. Ich denke, dass unsere Gesellschaften sich diesen Themas annehmen sollten, um auch zukünftig Leid im Namen einer Pauschalverurteilung aufgrund ethnischer Herkunft zu vermeiden. Ein Teil meiner Familie waren Kommunisten, und mussten das Ende des 2. Welkrieges aufgrund ihrer deutschen Herkunft ebenso tragen. Natürlich bleibt auch die Frage im Raum, was denn mit vielen anderen, nicht-deutschen Wehrfähigen der SS und deren Familien passierte. Auch die Frage, aus welcher Motivation diese Menschen der SS beitraten(,oder in milderen Fällen sich nicht den Partisanen anschlossen). Propaganda spielte eine Rolle, und auch hier sehen die persönlichen Werdegänge unterschiedlich aus. Herta Müllers Vater ist da, nach ihrer Schilderung zu schließen, ein Beispiel für Schreckliches. Ich denke man sollte dennoch nicht vergessen, dass die Nazi-Diktatur innerhalb Deutschlands entstand und dort ihren Aufstieg erlebte. Für die Denke vieler Osteuropäer waren die Angst vor dem Stalinismus (zum Teil durchaus begründet), die Umbrüche nach dem 1. Weltkrieg, mangelnde Bildung, Hungersnöte, Religion (vs. Kommunismus) usw. Themen. Die Kollabration eines Teiles der Menschen in Osteuropa (jetzt nicht nur auf die schreckliche SS bezogen) entschuldigt dies aber nicht; dennoch ist die Lage z.B. in der Ukraine eine sehr andere als innerhalb Deutschlands. Rumänien und Ungarn, die Herta Müller ansprach, sind ebenso komplizierte Fälle, die man im Detail und separat betrachten müsste. Wiederum ohne zu entschuldigen oder zu beschönigen, aber auch mit den notwendigen Differenzierungen.
NiciP
schrieb am 09.11.2009, 19:45 Uhr
Was Herta Müllers "Gesprächsmitschnitt" von einem Telefonat der evangelischen Kirche Rumäniens betrifft, frage ich mich, woher sie diesen Mitschnitt bekommen hat. Ich frage mich auch, ob sie ihn nach Authenzität überprüfen hat lassen. Hoffentlich wurde sie nicht aufs Glatteis geführt, und das ist alles legitimes Material. Ich denke dennoch, dass diese Art von Telefonate, so schlimm es ist, sehr häufig zu sehr vielen Personen, von sehr vielen Akteuren, und zu sehr vielen Anlässen, geschehen. Ausgeschlossen denke ich werden immer wieder Autoren und Künstler aus unterschiedlichsten Veranstaltungen unterschiedlichster Träger. Das sollte eigentlich nicht sein. Ist aber glaube ich traurige Realität in den Medien, Politik, Akademika. Dass Herta Müller dagegen aufbegehrt ist gut.

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