Herta Müller . Ehrung

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seberg
schrieb am 26.10.2009, 17:03 Uhr
Lavinia schrieb: "Als Grund dafür ist, so vermute ich, vielleicht teilweise die Scham, das alles selbst gewusst zu haben, erlebt zu haben und keine „andere“ Haltung eingenommen zu haben/einzunehmen gekonnt hat. Eine Scham, die man gerne verdrängen möchte. Oder mit der man zumindest nicht face to face konfrontiert werden möchte"

Ich vermute auch, dass es Scham und Schuldgefühl wegen der eigenen früheren schwachen Haltung ist, die manchen Leser von Herta Müllers Werk eher zum Kleinreden und zu Häme ihrer Person und ihrem Werk gegenüber veranlasst, statt zu ehrlichem Lob und Hochachtung. Manchen gelingt es einfach nicht, sich auch bis zur letzten Zeile von Nietzsches Aphorismus durchzuringen:

“Das habe ich getan”, sagt mein Gedächtnis.
“Das kann ich nicht getan haben”, sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich.
Endlich – gibt das Gedächtnis nach.

(Manchmal wünschte ich, der Administrator würden auch aus Mitleid denjenigen gegenüber handeln können, die sich hier ehrlich Mühe geben, substantielle und originelle Beiträge zum Thema zu verfassen, die man mit Gewinn und Interesse an Neuem und am Austausch darüber lesen kann, ohne dass sie sofort mit einem Schwall an Plattheiten überzogen werden)
getkiss
schrieb am 28.10.2009, 11:34 Uhr (am 28.10.2009, 11:38 Uhr geändert).
@seberg:"(Manchmal wünschte ich, der Administrator würden auch aus Mitleid denjenigen gegenüber handeln können, die sich hier ehrlich Mühe geben, substantielle und originelle Beiträge zum Thema zu verfassen, die man mit Gewinn und Interesse an Neuem und am Austausch darüber lesen kann, ohne dass sie sofort mit einem Schwall an Plattheiten überzogen werden)"

Wer sind diese Leidgenossen, Herr RA seberg?

An die Admin´s: Leider kann ich in diesem Fall ihrem Vorschlag nicht folgen. Ich kommuniziere auf e-Mails und Briefen nicht mit unbekannten, anonymen Nick´s.
orava
schrieb am 28.10.2009, 11:57 Uhr
@lavinia: “Ihre Texte werden von einigen, insbesondere aus der eigenen Gemeinschaft, als Ausdruck privater Schädigung, als „in großem Maße“ selbstbezogen und keinesfalls als minderheitenspezifisch gedeutet.
Nun, Herta Müllers Texte mögen dem Betrachteten gegenüber schonungslos sein, aber sie geben die Realität wieder, ...”

In einem Interview hat H.M. gesagt: "Die Literatur geht immer da hin, wo die Beschädigung einer Person ist", sagt sie. "Die Themen stoßen mir zu." Genau das ist das Problem. Die Literaten heute sind Opfer, konzentrieren sich auf die Beschädigung und dafür kriegen sie dann auch noch einen Preis.
Ist es denn Aufgabe der Literatur, die Realität wiederzugeben? Oder anders gefragt: wohin führt es und wem nützt es, wenn Literatur dafür gepriesen wird, dass sie eine ohnehin schon düstere Realität immer wieder und in ebenso düsteren Worten wiedergibt? Herta Müller ist ja nicht die einzige, die für diese Tätigkeit gepriesen wird. Mir persönlich wäre es lieber, es würden Literaten mit Preisen versehen, die so schreiben, dass alle, die ihre Bücher lesen, hinterher eine Vorstellung davon haben, wie man eine düstere Realität verändern oder verhindern kann und auch die Motivation dazu bekommt, es zu tun. Wenn Literatur keine Bedeutung für die Gesellschaft hat, dann ist das alles nicht wichtig. Aber wenn Worte Realität schaffen, dann muss man sich doch fragen, welche Realität Autoren schaffen, die ihr eigenes Trauma in immer wieder neuen düsteren Worten wiederholen und verbreiten? Und wer und warum ihnen dafür Preise verleiht?
orava
schrieb am 28.10.2009, 12:00 Uhr
@lavinia: “Demzufolge ist die Aufforderung, die Thematik aufzugeben gleichzeitig auch eine Aufforderung, dies Thema nun endlich mal ruhen zu lassen. Es bedeutet, sich entschieden zu haben, für die Gnade des Vergessens, der Amnesie.”
Ja, genau. Die Gnade des Vergessens besteht darin, dass man eine Sache abschließt und danach ins Leben hinausschreitet. Autoren tendieren dazu, in ihren Traumen stecken zu bleiben und dieses Steckenbleiben dann mit Worten immer und immer wiederzukäuen. Schreiben ist ein Ventil, um mit Emotionen fertigzuwerden, die sie anders nicht verarbeiten können. Ein Normalsterblicher macht eine Therapie und lebt danach sein Leben, aber Literaten sind der Meinung, sie bräuchten keine Therapie, sondern müssten der Welt ihre Seelenqualen mitteilen, um sie, ja was, zu läutern?

Indem Autoren schreiben und sich diese Bilder immer wieder vor Augen halten, sperren sie sich in einen Hamsterkäfig, denn mit jeder Wiederholung erschaffen sie diegleichen Emotionen erneut. Wenn es nur um ihr eigenes Leben ginge, wäre es völlig egal. Dann sollen sie schreiben, solange sie es eben brauchen. Aber indem sie ihre Gedanken verbreiten, verbreiten sie auch genau das, was sie eigentlich loswerden wollen, denn jeder kriegt ja etwas von ihrer Wiederholung der düsteren “Realität” ab, der diese Bücher liest. Man könnte es auch so sehen: wenn jemand eine düstere Realität schaffen will, dann braucht er nur systematisch alle Autoren zu ehren, die düstere Bücher schreiben. Genau das passiert im Moment. Überall.
Man kann nicht gegen etwas anschreiben. Man kann nur für etwas anderes schreiben. Ich würde Herta Müller also empfehlen, einen heiteren Roman zu schreiben. Oder einen, wo es gut ausgeht. Wenn es ihr gelingt, das für eine Romanfigur zu konzipieren, dann gelingt es ihr vielleicht auch im richtigen Leben. Wir müssen genau jetzt aufpassen, was wir denken und welchen Gedanken wir Kraft geben. Die Anwort auf Hass ist immer noch nicht, ihn und seine Folgen zu beschreiben, um Leute “aufzuwecken”. Wenn überhaupt schreiben, dann mit Worten Liebe, Hoffnung, Mut und Erkenntnis erzeugen.
orava
schrieb am 28.10.2009, 12:01 Uhr
@seberg: Übrigens: Verantwortung ist natürlich nur ein anderes Wort für Gewissen, der Ausdruck 'Verantwortung vor dem eigenen Gewissen' ein gedankenloser Pleonasmus.

Ich bin anderer Meinung. Gewissen ist das Wissen darum, dass eine Handlung nicht mit dem eigenen Wertesystem übereinstimmt. Verantwortung ist die Fähigkeit, in einer Situation auf das Leben zu antworten. Verantwortung vor dem eigenen Gewissen bedeutet, dass ich auf das Leben so antworte, also handle, wie es meinem Wertesystem entspricht. Es braucht beides, um ein würdevolles Leben zu führen.
VeriTass1
schrieb am 28.10.2009, 12:55 Uhr (am 28.10.2009, 13:19 Uhr geändert).
Orava: Da gebe ich Dir 100% Recht.. Verantwortung für sein Handeln übernehmen, und nicht glauben, dass das kuschlige Plätzchen im Himmel vom Papst abhängig ist.. man ist für seine Taten schon selbstverantwortlich..und auch für das, was man unterläßt
seberg
schrieb am 28.10.2009, 16:32 Uhr
@Orava: ich empfehle Märchenbücher, happy end garantiert.
Lavinia
schrieb am 28.10.2009, 16:49 Uhr
@Orava. Beschädigung und Realität sind oft ein unzertrennliches Paar.
Zur Herta Müller, der Realitätsbezogenheit und der Gruppenspezifizität als Empfehlung das Hörbuch "Die Nacht ist aus Tinte gemacht. Herta Müller erzählt ihre Kindheit im Banat."
www.amazon.de/Die-Nacht-ist-Tinte-gemacht/dp/3932513886
Mein Anspruch an Literatur ist offensichtlich - und das ist auch gut so - nicht der Ihre.
Ich denke, es gibt einen Berufsstand, der in etwa das macht, was Ihrer Vorstellung von guten Texten entsprechen könnte: der Motivationscoach.

VeriTass1
schrieb am 28.10.2009, 18:13 Uhr
Seberg: Wenn die Menschen anfangen würden, die Realität zu hinterfragen, bräuchte sie weder Krimis noch Märchen.
NoKar
schrieb am 29.10.2009, 12:32 Uhr (am 29.10.2009, 12:33 Uhr geändert).
@VeriTass1: Das ist tatsächlich die Wahrheit. Was ich in Rumänien erlebt habe ist nämlich viel spektakulärer als alles was man dazu geschrieben hat. Trotzdem habe ich nichts gegen Rumänien, war ja meine Heimat und ich habe nur mit dem kommunistischen Fanatismus nicht mitgemacht. Das soll auch keine negative Kritik an Herta Müllers Büchern sein. Mir gefällt ihre Sprache und der Stil und auch viele der Thematiken. RESPEKT also!
NoKar
schrieb am 29.10.2009, 12:36 Uhr
Weiß jemand wie man Herta Müller eine Nachricht zukommen lassen kann?
bankban
schrieb am 29.10.2009, 12:53 Uhr
Über den Verlag.
VeriTass1
schrieb am 29.10.2009, 14:24 Uhr
Apropos Ehrungen:
Hiermit möchte ich die Gelegenheit ergreifen, und dem Deutschen Volke für seine immense Arbeitsleistung, Finanzielle Leistungen, für seine uneingeschränkte Hilfeleistungen (trotz eigenem Elend) meine Ehre, Hochachtung, und Respekt erweisen und hiermit auch mal DANKE sagen. Das Deutsche Volk teilt sein Land mit Freund und Feind, bricht das Brot mit Fremden und Hassern, wird mißbraucht als Melkkuh Europas schlechthin. Das Deutsche Volk wird weiterhin verraten, belogen und verkauft.
Wir sollten darüber mal sehr gut nachdenken..
Das lag mir auch noch auf dem Herzen...
bankban
schrieb am 29.10.2009, 14:30 Uhr
Gut dass du dich ausgesprochen hast, VeriTass. So lernt man sich unverschminkt kennen. Hast du noch sonstwas auf dem Herzen? Genier dich nicht, immer raus mit der Sprache...
seberg
schrieb am 29.10.2009, 14:35 Uhr
@VeriTass1: Mehr als eine Ehrung des deutschen Volkes hast du ein Requiem verfasst auf seinen Untergang wegen der ungerechten Last, die es tragen muss. Ich höre dich schier ächzen und heulen unter der schweren Bürde!

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