Herta Müller . Ehrung

Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.

Schiwwer
schrieb am 18.08.2009, 10:50 Uhr (am 18.08.2009, 13:24 Uhr geändert).

Es geht hier wohl nicht darum, jemanden davon auf Teufel-komm-raus zu überzeugen, Bücher von Herta Müller zu lesen und zu mögen.

Es geht darum dass wir uns darüber austauschen können, ob sie uns gefallen, was uns missfällt daran, wo wir ratlos sind, wie sie auf uns wirken, ob sie uns wütend oder traurig machen, ob wir Aha-Erlebnisse haben... kurzum, NIEMAND, DER WENIG ODER KEIN INTERESSE an dieser Art von Literatur hat, soll diskreditiert werden.
Man kann sachlich rüberbringen: "Nein, ich mag ihren Stil nicht" oder "Ihre Bücher - das ist nicht mein Ding".

Es geht aber nicht an, dass man seine Aversionen gegen die Person Herta Müllers hier in der Art ausbreitet, dass jeder, der ein Interesse an ihr und ihrem Werk bekundet, mit Häme, Geringschätzung überzogen wird und versucht wird, sie und ihre Leser der Lächerlichkeit preiszugeben. Und es gibt einige, die leider auf diesen Zug aufspringen und sich manipulieren lassen - ich nehme mal an, dass diese Herta Müllers Bücher gar nicht kennen und bloß Freude am Rabatz haben. Haben die sich mal die Frage gestellt, auf wen sie sich einlassen?

Im Banatblog hat Gibson seine Landsleute mit Schweinen verglichen, die sich an einem edlen Baum (ist er angeblich selber) wetzen (nach einem Lenau-Zitat), er ist der Kondor, mit dem die Spatzen nicht mithalten können,...
Soviel ist ihm die Diskussion mit seinen Banatern wert, wenn sie nicht IHM zujubeln.
Das ist grotesk, abwegig, abartig.
Schiwwer
schrieb am 18.08.2009, 13:14 Uhr (am 18.08.2009, 13:18 Uhr geändert).
Gibson platziert -"lost in space" - hier und anderswo seine Ergüsse, kommuniziert nur noch mit Claqueuren und mit sich selbst, obzwar er den Satz bemüht: "Die Diskussion wird immer komplexer"...

Die Redakteure der "Zeit", mit langjähriger Erfahrung, haben rechtzeitig erkannt, worauf sie sich NICHT einlassen wollen und nicht einlassen müssen. Es gilt das Renommee einer seriösen Publikation zu wahren.
Hier hat man anscheinend nicht den Mut, etwas zu unternehmen, um die SbZ davor zu bewahren, in den Ruch der Lächerlichkeit zu geraten.

Vielleicht ändert sich was nach der Sommerpause der Redaktion und ihrer Mitarbeiter.
Und hoffentlich bald werden wir auch hier eine Rezension des Werkes von Herta Müller lesen können. Ich bin gespannt.
Anchen
schrieb am 18.08.2009, 13:20 Uhr
@ schiwwer Du scheinst was gründlich missverstanden zu haben
Schiwwer
schrieb am 18.08.2009, 13:27 Uhr
@ Anchen
... hab ich nicht; nur zu spät festgestellt, dass ich erst etwas zu deinem Wortspiel schreiben wollte - war gelungen- aber mich dann anders entschieden habe, die Anrede aber vergessen hatte zu entfernen.
Oben hab ich`s korrigiert. Gut so?
Lavinia
schrieb am 18.08.2009, 23:15 Uhr (am 19.08.2009, 22:53 Uhr geändert).
Ich habe das Buch Herta Müllers dann doch atemlos gelesen.
Ich denke, es war gut, dass ich fast unmittelbar davor noch im Ausschwitzapotheker gelesen habe, so dass der Inhalt der Atemschaukel eine Art Hintergrund bekam, der Kontext sozusagen erweitert wurde um eine nicht unwesentliche Dimension.
Wenn mir die Bildgewalt Herta Müllers zu nahe kam, mir der Atem stockte, dachte ich an die Textzeile aus dem anderen Buch: „Säuglinge fliegen wie weiße Blumenkelche in hohem Bogen ins Feuer…“ gleichsam um mich dieser anderen Dimension zu vergewissern.
Jetzt versuche ich den Text zu beherrschen, damit er mich nicht beherrscht, indem ich ihn für mich etwas strukturiere, ordne.
Ich habe Hemmungen, über die Texte Herta Müllers zu sprechen. Ich glaube, die Anzahl der Bücher und Autoren, die man profund mag, so wie auch die Anzahl der Menschen,die man liebt, begrenzt ist.
Es fällt mir schwer, ihre Texte zu beurteilen, gerade so, wie es mir schwer fällt, mir nahe stehende Menschen zu analysieren. Sie sind, was sie sind, würde ich (etwas selbstironisch) in Anlehnung an Erich Fried sagen. Wenn andere ihre Texte analysieren, ist das für mich interessant, es bleibt jedoch immer unvollständig und meine Befriedigung darüber liegt nicht so sehr am Zuwachs an Informationen, dem besseren Verständnis, sondern im Gefühl, dass das Wesentliche nicht berührt wurde, bzw. nicht werden konnte. Vielleicht ist es das Gleiche, was auch seberg und bankban mit dem ‚Unsagbaren‘ meinen.
Ich fand es erstaunlich, dass man(?) das Buch tatsächlich „zweistimmig“ wahrnimmt. Oskar Pastior wird in und durch die Poetik Herta Müllers erlebbar. Er ist im obsessiven Hungern, im Verschmelzen mit der Herzschaufel. ..Er ist aber auch dort gegenwärtig, wo ihn Herta Müllers Text alleine lässt, indem sie beispielsweise gerade auf eine Beschreibung der langen, quälenden Appelle verzichtet. Weil Leo mit den Augen "an den Wolkenrändern einen Haken gefunden hat, an dem er seine Knochen aufhängen konnte"…
Was genau mit einem fiktionalen Text gemeint ist, scheint Herta Müller in diesem Buch geradezu zu demonstrieren. Es ist die literarische Form, in die Geschichte gegossen wird. Es ist aber auch eine Form der ‚Geschichtsschreibung‘, die ihr Authentizität verleiht, weil sie ihr eine neue Form des Begreifens hinzufügt, sie auf einer zusätzlichen, sinnlichen Ebene erlebbar, nachvollziehbar macht.
Durch die Poetik ihrer Sprache, bekommt Erlittenes eine Unmittelbarkeit, welche das Erzählte von der Patina bereinigt, welche vergangenen Ereignissen anhaftet, wenn diese, immer wieder neu im Lichte dessen erzählt werden, was im Nachhinein einen logischen Zusammenhang zu ergeben scheint.
Und dann gibt es Worte oder Wortverbindungen, die, in diesem einen bestimmten Zusammenhang gebraucht, für andere Zusammenhänge unbrauchbar geworden sind:
Hunger und Hirn, zum Beispiel. Dazwischen das Brotgesetz.
Hungerengel und Herzschaufel. Dazwischen das Hebelgesetz.
Die Gleichung : 1 Schaufelhub = 1 Gramm Brot und der Hungerengel. Dazwischen die Atemschaukel.
Ich denke, sprachliches Neuerfinden ist hier Notwendigkeit und Sehnsucht nach Überwindung des auseinandergeklafften Lebens.

bankban
schrieb am 19.08.2009, 13:17 Uhr
http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article4321411/Volksdeutsche-vom-Heimweh-gefressen.html
Schiwwer
schrieb am 19.08.2009, 19:45 Uhr
Und noch eins:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/Herta-Mueller-Atemschaukel;art772,2876606
der Ijel
schrieb am 19.08.2009, 22:11 Uhr (am 19.08.2009, 22:20 Uhr geändert).
[url]www.tagesspiegel.de/kultur/Herta-Mueller Atemschaukel;art772,2876606[/url]

ist heute auch bei mir angekommen-- und es kommt gut an---:

So ist dieses Buch Herta Müllers auch eine Hommage an Pastior geworden, dessen Wortfantasien sie den Leo Auberg überaus treffend so umschreiben lässt.

Herr Gibson hat viel dazu beigetragen--- das man auf Frau Müllers Literatur neugierig, aufmerksam gemacht wurde.
Aber auch "Simphonie der Freiheit" ist ein einmaliges Zeitdokument.
Lavinia
schrieb am 19.08.2009, 22:43 Uhr
@Ijel: Ich denke, dass Herta Müller gerne auf die "Werbung" eines Gibson verzichtet hätte, denn sie hat diese 'Werbung' in keinster Weise nötig. Ihre Literatur wird gelesen und geschätzt, weit über die kleine Gemeinschaft hinaus, der wir angehören.

Ob das Buch Gibsons was taugt, wage ich zu bezweifeln, denn beim Glaubwürdigkeitstest ist er gründlich durchgefallen, wie übrigens bei allen anderen 'Prüfungen', denen er sich...entzogen hat. Wer sich als Lügenbaron entpuppt, wird in seinem Buch auch keine Unterscheidung zwischen Wahrheit, Lüge, Wunschdenken, haltloser Unterstellung, falschen Schlußfolgerungen etc. machen - ist meine Meinung!
Aber Gibson - das war gestern!
Wenden wir uns Dingen zu, die es wert sind, beachtet zu werden!
bankban
schrieb am 20.08.2009, 06:56 Uhr (am 20.08.2009, 06:58 Uhr geändert).
@ Lavinia: "Ob das Buch Gibsons was taugt..." Eine Rezension
von Frau E. Packi kann man auf www.kulturraum-banat.de (dort unter "Aktuelles") lesen
(insgesamt positiv gehalten, jedoch merkt sie kritisch an, dass er zu weitschweifig, also mit zuviel Sauce drumherum, schreibt).

Gestern Abend kam in der Kulturzeit ein Beitrag über HM und ihr Buch. Anschließend ein Gespräch mit der Literaturkritikerin Ina Hartwig, die sich vom Buch begeistert zeigte. Sie lobte die poetische Sprache, das Einfühlungsvermögen und die enge Beziehung von HM zu OPastior sowie dass sie mit dem Buch auch eine Art Denkmal für OP gesetzt habe.
Günther (Administrator)
schrieb am 20.08.2009, 07:55 Uhr (am 20.08.2009, 07:57 Uhr geändert).
7
schrieb am 20.08.2009, 08:50 Uhr
Ich habe mir das Buch soeben bestellt. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann ist die Geschichte des 17-jährige Leopold die Geschichte von Oskar Pastior, oder?
Oskar Pastior war ja auch gerade mal 17 Jahre alt als er nach Russland ins Arbeitslager verschleppt wurde. Was ich allerdings bis jetzt noch nicht wusste, ist, dass Pastior homosexuell gewesen ist. Es wäre jedenfalls sehr interessant zu wissen, welche Passagen des Buches nun Tatsachen sind/waren und was nur erdichtet wurde...

Der Tagesspiegel schreibt: "Was einem hier mit gleichmäßig wacher Stimme erzählt wird, das weiß man von der ersten Zeile an ohne jeden Zweifel, ist alles wahr, ist alles so gewesen, ob nun das Wort Roman auf dem Buch steht oder nicht." Und Kulturzeit schreibt. "'Atemschaukel' ist kein Tatsachenbericht, er ist die lyrische Auseinandersetzung mit dem Ausnahmezustand."
Lavinia
schrieb am 20.08.2009, 09:26 Uhr
@7: Welches sind deine ganz konkreten Fragen? Was genau möchtest du denn ganz konkret wissen?
seberg
schrieb am 20.08.2009, 09:30 Uhr (am 20.08.2009, 09:43 Uhr geändert).
Herta Müller sagt irgendwo ausdrücklich: Leopold Auberg ist nicht Oskar Pastior.
Kann schon verstehen, dass es für den einen oder anderen beunruhigend sein kann, nicht genau zu wissen, was an dem Buch nun "Tatsache" ist und was "nur erdichtet"(das "nur" finde ich besonders herzig!). Mein Rat: das Buch lesen und alles als "wahr" nehmen, gerade auch die "Fiktion". Kann man einen Roman überhaupt anderes lesen?

Ob oder dass Oskar Pastior homosexuell war - was spielt das für eine Rolle? Der Protagonist Leo Auberg im Buch ist es jedenfalls, und das spielt natürlich eine gewisse Rolle innerhalb der Welt des Buches, obwohl Gesellschaftliches und Politisches höchstens ganz am Randes anklingt, so z.B. eine gewisse Spießigkeit der Familie und der Hermannstädter Gesellschaft, aus der Auberg kommt und der er noch vor seiner Deportation entfliehen möchte.

Dass man beim Lesen von hundert Rezensionen hundert verschiedene Widersprüche auflisten könnte - so what? So verschieden kann man das Buch eben lesen. Am besten, man liest es und bildet sich sein eigenes Urteil und seine eigene "Wahrheit".
7
schrieb am 20.08.2009, 10:05 Uhr
@Lavinia
ich möchte nichts Konkretes wissen (habe das Buch ja noch nicht gelesen), mich interessiert nur, ob sie über Tatsachen berichtet oder ob große Teile nur Fiktion sind.

@seberg
ob Pastior homosexuell war, spielt natürlich keine Rolle. Mich interessiert halt nur das Thema Homosexualität in Siebenbürgen (was es dort, laut meiner Mutter, eigentlich gar nicht gab ). Ich finde das Thema "Homosexualität in Siebenbürgen" allein schon sehr spannend und bin halt gespannt, wie Herta Müller den homosexuellen Mann beschreibt. Oder verliert die sexuelle Ausrichtung, bzw. die Tabuisierung dieser, in einem Arbeitslager völlig ihre Bedeutung?

Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.